Hochmoore sind wertvoll: Sie sind Hotspots an Biodiversität, schützen vor Hochwasser und speichern grosse Mengen Kohlenstoff. Bis ein Moor entsteht, dauert es Jahrtausende. Doch heute sind sie eine Seltenheit geworden. Denn seit Beginn des 18. Jahrhunderts hat der Mensch grosse Hochmoorgebiete entwässert, um sie land- und forstwirtschaftlich zu nutzen oder um den Torf abzubauen und diesen zur Gewinnung von Energie zu verbrennen. Nur gerade 1500 Hektar sind in der Schweiz geblieben – weniger als die Hälfte der Fläche des Kantons Basel-Stadt.

Die verbleibenden Hochmoore sind zwar seit 1987 durch die Bundesverfassung geschützt, dennoch geht es zwei Dritteln davon schlecht: Ihnen fehlt das Wasser. Dies schadet sowohl den an feuchte Bedingungen angepassten Tieren und Pflanzen, als auch dem Klima. Denn aus trockenen Hochmooren entweichen tausende Tonnen des Klimagases CO₂. Diese Emissionen liessen sich durch eine sogenannte Wiedervernässung, bei der die bestehenden Entwässerungsgräben mit Hilfe von Baggern aufgefüllt werden, verhindern. Dazu wären die Kantone eigentlich verpflichtet. Doch weil die Projekte baulich aufwändig und teuer sind, scheitern sie oftmals am fehlenden Geld.

Was ist ein Moor?

Moore können überall da entstehen, wo der Boden wassergesättigt ist. Die ständige Nässe und der Sauerstoffmangel im Boden bewirken, dass abgestorbene Pflanzen nicht verrotten können. So bleiben die Pflanzenreste erhalten und lagern sich über viele Jahre hinweg als Torf ab. Rund 1000 Jahre dauert die Bildung einer Schicht von einem Meter. Dabei unterscheidet man zwischen Hoch- und Flachmooren. Hochmoore sind vom Regenwasser gespeist und daher nährstoffarme Lebensräume. Flachmoore hingegen werden vom Grundwasser oder Gewässern gespeist und enthalten dadurch mehr Nährstoffe. Sie sind oftmals Kulturbiotope, welche sich an den Ufern von Flüssen und Seen oder durch die Rodung vernässter Wälder entwickelt haben.

 

Eine Wiese und Nadelbäume, im Hintergrund Berge.Lena Gubler

Das Gross Moos: Ein entwässertes Hochmoor im Kanton Glarus.

Nun wollen Wissenschaftlerinnen der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) solche Renaturierungsprojekte durch ihre Forschung vorantreiben. Denn diese ermöglicht es, solche Projekte zukünftig in den freiwilligen Kohlenstoffmarkt aufzunehmen, bei Anbietern wie beispielsweise myclimate. Das bedeutet: Sowohl Privatpersonen als auch Institutionen können ihren CO₂-Ausstoss zugunsten der Wiedervernässung eines Hochmoors kompensieren. Die Rechnung ist einfach: Für jede ausgestossene Tonne CO₂, wird an einem anderen Ort eine Tonne eingespart. Das können Firmen oder Privatpersonen unkompliziert und rasch übers Internet erledigen. Wer beispielsweise den CO₂-Austoss seines Ferienflugs kompensieren möchte, bezahlt online den entsprechenden Betrag. Und dieser wird dann für ein Moorprojekt eingesetzt.

Entwässerte Hochmoore als CO₂-Quelle

Bisher war dies nicht möglich, weil man die CO₂-Emissionen eines Hochmoors nicht kannte. Mit dem neuen Ansatz der Geografin Lena Gubler von der WSL und ihrem Team lässt sich dieser nun aber abschätzen. Dafür haben die Wissenschaftlerinnen anhand einer Vielzahl von Messungen berechnet, wie viel Kohlenstoff in einem Kubikmeter Hochmoortorf durchschnittlich gespeichert ist. Denn kommt dieser mit Sauerstoff aus der Luft in Kontakt – wie in einem entwässerten Hochmoor – baut er sich langsam ab: Der Kohlenstoff verbindet sich mit dem Sauerstoff zu CO₂. Dieses gelangt in die Luft.

Ein Bagger schlägt Holzplatten in den Moorboden ein, ein Bauarbeiter richtet die Platte aus.Beck & Staubli

Der Entwässerungsgraben im Ostschweizer Hochmoor Siebenbrünnen wird aufgefüllt.

So entweichen den trockengelegten Hochmooren in der Schweiz schätzungsweise 19’000 Tonnen CO₂ pro Jahr, wie die Berechnungen zeigen. Oder anders gesagt: Alleine die obersten 50 Zentimeter eines Torfbodens emittieren mehr als 1000 Tonnen CO₂ pro Hektar. Bis eine solche Torfschicht komplett abgebaut ist, dauert es allerdings Jahrzehnte. Und deshalb lassen sich diese Emissionen auch verhindern: durch eine Wiedervernässung. Bisher wurden auch schon einige Hochmoore renaturiert. «Doch es geht nur langsam voran», sagt Lena Gubler. «Wir hoffen, dass unser Ansatz solche Projekte nun beschleunigt.»

Aufwändige Bauarbeiten: die Renaturierung eines Hochmoors

Pro Natura/Bastien Amez-Droz
Um den Wasserspiegel eines Hochmoors wieder anzuheben, muss der Entwässerungsgraben aufgefüllt werden. Dazu schlägt der Bagger in einem ersten Schritt eine Holztafel quer zum Graben ein. Diese verhindert, dass das Wasser unterirdisch abfliesst. Im Bild die Arbeiten im Wolfschachen in der Nähe von Einsiedeln 2014.
Pro Natura/Bastien Amez-Droz
Bei grossen Gräben reichen einzelne Holztafeln nicht, es werden sogenannte Spundwände aus Holzbohlen gebaut. Dafür haben die Bauarbeiter den Graben dieses Hochmoors im Berner Jura mit dem Bagger erst verbreitert.
Pro Natura/Bastien Amez-Droz
Zurück im Wolfschachen: Nachdem die oberste Bodenschicht abgetragen ist, füllen die Bagger den Graben entweder mit Torf oder, wenn dieser nicht vorhanden ist, mit Sägemehl auf.
Pro Natura/Bastien Amez-Droz
Über das Sägemehl kommt die ausgegrabene Bodenschicht bestehend aus zersetztem Torf.
Pro Natura/Bastien Amez-Droz
Zum Schluss kommt die Vegetation. Falls die existierende Vegetation nicht geeignet ist, oder es gar keine gab, verwendet man Schnittgut aus einem benachbarten Moor.
Pro Natura/Bastien Amez-Droz
Die Holzwände zeigen ihre Wirkung: Der Regen kann nicht mehr abfliessen und speist das Hochmoor mit Wasser.
Pro Natura/Bastien Amez-Droz
Rund ein Jahr nach den Bauarbeiten wachsen wieder reichlich Torfmoose. Im Wolfschachen, aber auch hier in Les Pontins im Berner Jura, aufgenommen 2016.

Erste Projekte ausarbeiten

Bereits haben zwei Klimaschutzorganisationen und Anbieter von CO₂-Zertifikaten, myclimate und South Pole Group, den Ansatz der Wissenschaftlerinnen übernommen. Sie bieten zukünftig Kompensationsmöglichkeiten zum Schutz von Hochmooren an. «Für uns ist das ein Gewinn», sagt Martin Jenk, der die Moorprojekte bei myclimate betreut. Die Renaturierungen senken nicht nur den CO₂-Ausstoss, sie werten zusätzlich das Landschaftsbild auf, fördern seltene Tiere und Pflanzen und unterstützen die regionale Wirtschaft.

Man sieht MoorpflänzchenLena Gubler

Lebendiges Moor: Die typische Hochmoorvegetation mit Torfmoos und Sonnentau.

Zunächst verfolgt myclimate nun zwei Wiedervernässungsprojekte in der Schweiz, gerade laufen die Verhandlungen mit den entsprechenden Bauherren. Danach beginnt die Projektplanung und damit verbunden das Generieren von CO₂-Zertifikaten. Anschliessend können Firmen und Privatpersonen anfangen, diese zu kaufen und damit ihre Emissionen, zum Beispiel von Flugreisen oder gefahrenen Autokilometern, zugunsten der beiden Hochmoore zu kompensieren.

Um einen Hektar Hochmoorfläche zu vernässen, braucht es 855 Personen, die die Emissionen ihres Fluges von Zürich nach New York kompensieren.

Bis alle Zertifikate verkauft sind, könnte allerdings einige Zeit vergehen. Denn nur ein kleiner Teil der jährlich bei myclimate kompensierten Tonnen entfallen auf Klimaschutzprojekte im Inland. Dies weil es mit einem deutlich höheren finanziellen Aufwand verbunden ist, ein Projekt in der Schweiz statt im Ausland zu unterstützen. Martin Jenk rechnet damit, dass die beiden Moorprojekte in den nächsten zwei Jahren umgesetzt werden können.

Flachmoore einbeziehen

«Wenn es mit den Hochmooren gut läuft, dann wollen wir unseren Ansatz auch auf die national geschützten Flachmoore ausweiten», sagt WSL-Forscherin Gubler. Denn diese hätten noch ein viel grösseres Potenzial, CO₂ einzusparen: Ihre Fläche in der Schweiz ist um das Zwölffache grösser als diejenige der Hochmoore. Doch Flachmoore sind oft landwirtschaftlich genutzt. Dadurch verteuert sich die Renaturierung, denn die Bauern müssen für ihr Land entschädigt werden. «Dies über den freiwilligen Kohlenstoffmarkt zu finanzieren, ist momentan noch unrealistisch», sagt deshalb Gubler. Aber künftig wünschenswert, denn so würde der Ansatz der Forscherinnen – den sie «max.moor» tauften – seinem Namen vollends gerecht: durch die maximale Wiedervernässung der Schweizer Moore.

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