Malaria zählt zu den grössten Killern der Welt. Jährlich erkranken daran 300 Millionen Menschen, eine halbe Million von ihnen sterben, vor allem Kinder und schwangere Frauen. Die Krankheit wird durch verschiedene Arten von Anophelesmücken übertragen. Um diese zu bekämpfen, setzt man heute vor allem auf Insektizide. Damit werden zum Beispiel Moskitonetze imprägniert, die vor den Stichen der Mücken schützen sollen. Doch auf diesem Weg lässt sich nur ein kleiner Teil der Infektionen verhindern. Zudem werden immer mehr Mücken gegen die eingesetzten Insektizide resistent, sodass diese nicht mehr wirken. Ein Mittel, um Malaria gänzlich zu besiegen, fehlt bis jetzt.

Schnelle Ausbreitung von Genen

Das könnte sich ändern. Mithilfe einer gentechnischen Methode wollen Forscher ganze Mückenpopulationen so verändern, dass diese die Krankheit nicht mehr übertragen können – oder die stechenden Plagegeister gleich gänzlich ausrotten. «Der Ansatz ist vielversprechend und könnte bisherige Bekämpfungsmethoden ergänzen», sagt Malariaforscher Pie Müller vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut. Ein erster Schritt zur Umsetzung der Idee ist bereits gemacht: Ende 2015 statteten US-Forscher Anophelesmücken im Labor mit einem Gen aus, welches die Übertragung des Malariaerregers verhindert. Mit demselben Verfahren haben britische Forscher Mücken erzeugt, deren weibliche Nachkommen unfruchtbar sind und sich daher nicht mehr fortpflanzen können.

Die neue Art der Bekämpfung ist vielversprechend.Pie Müller, Malariaforscher Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut

Derart veränderte Mücken zu erzeugen, war zwar auch schon mit herkömmlicher Gentechnik möglich. Neu ist jedoch, dass die Forscher dazu das sogenannte Crispr-Cas-System verwendet haben. Dessen Einsatz gilt als revolutionäre Neuerung. Denn mit dem System lässt sich ein sogenannter Gene Drive erzeugen, der die normalen Gesetze der Vererbung aushebelt. Denen zufolge hat ein Gen eine Chance von 50 Prozent, von den Eltern an die Nachkommen weitergegeben zu werden. Beim Gene Drive hingegen wird das eingeschleuste Gen so gut wie immer an die nachfolgende Generation vererbt (siehe Grafik). Die Konsequenz: Paaren sich mittels Crispr-Cas veränderte Mücken mit wilden Artgenossen, breitet sich die neue Erbinformation innerhalb weniger Generationen in der ganzen Population aus.

Effiziente Bekämpfung der Mücken

Dissoid.com

So funktioniert «Gene Drive».

Das gilt auch für die Mücken, welche der britische Molekularbiologe Tony Nolan und sein Team erzeugt haben. Bei einer Freisetzung würden sie sich mit frei lebenden Individuen derselben Art paaren und ihren Nachkommen Gene für weibliche Unfruchtbarkeit vererben. Das würde die Population schliesslich stark dezimieren oder gar ganz zum Aussterben bringen. «Die Idee ist eigentlich nicht neu», sagt Nolan. Bereits seit den 1950er-Jahren werden Landwirtschaftsschädlinge und Krankheitsüberträger mithilfe der sogenannten Sterile-Insekten-Technik bekämpft, unter anderem in den USA und Mexiko. Bei dem Verfahren werden männliche Insekten mit radioaktiver Strahlung oder mit Gentechnik unfruchtbar gemacht und dann zu Millionen in die Umwelt entlassen. Paaren sie sich mit wilden Weibchen, gibt es keine Nachkommen. Doch die Methode hat Nachteile. Weil die sterilen Männchen nach einer Generation tot sind, müssen ständig neue ausgesetzt werden. Der logistische und finanzielle Aufwand ist enorm. Anders beim neuen Verfahren: Um mit den gentechnisch veränderten Anophelesmücken eine ganze Population zum Verschwinden zu bringen, würde nach Einschätzung von Molekularbiologe Nolan eine einzige Freisetzung genügen: «Den Rest erledigen die Mücken selbst.»

Ein möglicher Einsatz ist heftig umstritten

Nicht nur Malaria, sondern auch andere von Insekten übertragene Krankheiten wie Dengue oder Gelbfieber liessen sich mit dem neuen Verfahren effizienter denn je bekämpfen. Und sogar gegen Landwirtschaftsschädlinge oder invasive Spezies wäre die Methode wirksam. Allerdings ist ihr Einsatz heftig umstritten. Internationale Forscher warnen davor, dass ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten könnten, wenn man eine Insektenart auslöschen würde.

Wissenschaftler Tony Nolan hält dem entgegen, dass es in Afrika 800 verschiedene Mückenarten gibt, von denen man lediglich eine ins Visier nehmen würde. Auch die Gefahr einer Ausbreitung auf andere Arten sei extrem gering, da sich die Insekten dafür miteinander paaren müssten. Malariaforscher Pie Müller findet es zwar wichtig, dass die Methode vor einem allfälligen Einsatz sorgfältig geprüft wird. «Im Falle von Malaria überwiegt für mich aber klar das Wohl des Menschen.»

Die Erstversion dieses Beitrags erschien am 22. Januar 2016.
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