Vor mir steht ein Sessel, an der Wand hängt ein Gemälde, schräg rechts von mir sitzt Dr. Christian Ziegler, der mir sagt, welche Bilder und Gefühle ich mir vorstellen soll. Zuerst das Bild eines Autounfalls, das meine negativen Erfahrungen im Mathe- und Physikunterricht vor vielen Jahren symbolisiert. Dann das Gefühl, das ich vor oder nach einer Arbeit in diesen Fächern hatte. Erst das Bild, dann das Gefühl, hin und her wie die Schritte beim Wandern.
Auf einmal verschwimmen die Konturen des Sessels und des Bilds an der Wand vor mir. «Wow», denke ich für den Bruchteil einer Sekunde und bin dann schon ganz drin in meiner eigenen Welt, sehe die Bilder vor meinem inneren Auge und durchlebe die Gefühle, die mich daran erinnern, wie ich mich auch in Gegenwart eines Hundes fühle: Unsicherheit, Verzweiflung, Kontrollverlust. Rechts oben vor meinem inneren Auge sehe ich die ganze Zeit meine Freundin Frauke unter blauem Himmel. Ein Bild der Zuversicht, das mit der Zeit immer grösser wird. Ich trete zu ihr und wir verlassen die Schreckensszene einfach.

Teil eins meiner Hypnosesitzung liegt hinter mir. Der Psychotherapeut und Psychiater Christian Ziegler sagt mir, das Verschwimmen der Konturen sei ein echtes hypnotisches Phänomen gewesen. Dabei waren wir erst in der Aufwärmphase. Was wir gerade gemacht haben, war die hypnotische Gefühlsmeditation, die er entwickelt hat. Die echte Hypnose beginnt in den nächsten Minuten.

Die Badeente und Donald Trump

Ich bin zu ihm gekommen, weil ich Angst vor Hunden habe. Egal wie gross oder winzig ein Hund ist, ich kann nicht entspannt an ihm vorbeigehen, sondern sehe ihn immer mit seinen Zähnen an meiner Wade hängen – obwohl mir so etwas noch nie passiert ist. Die Angst ist so stark, dass sie sich bereits auf meinen Mann überträgt, der Hunde eigentlich immer sehr mochte – und bald vielleicht sogar auf unsere kleine Tochter? Höchste Zeit, etwas dagegen zu tun. Ich versuche es mit Hypnose, denn damit kann man Ängste gut in den Griff bekommen, wie ich gehört habe.

Zunächst brauchen wir ein Bild für meine Angst vor Hunden. Es klingt absurd, aber nach einigem Überlegen habe ich die riesige Badeente des Künstlers Florentijn Hofman gewählt, die so hoch ist wie ein mehrstöckiges Gebäude und vor einiger Zeit ganz selbstverständlich, geradezu stolz aussehend auf Gewässern schwamm und von Menschenmengen bewundert wurde. Hunde sind für mich wie Könige, neben denen ich mich ganz klein fühle.

Ein zweites Bild sollte her, auf das ich die Angst übertragen kann. Denn wenn die Angst – und damit die Badeente – ganz klein werden soll, muss etwas anderes zum Ausgleich ganz gross werden. Ich habe Donald Trump gewählt. Warum auch nicht? Der ist mir sowieso unsympathisch.

Und dann beginnt die Hypnose. Allein durch ruhige Worte schafft es Dr. Ziegler, mich in eine Trance zu versetzen. Die Konturen verlieren sich wieder, alles um mich herum verschwimmt. Der Fokus liegt nicht mehr auf den Gegenständen um mich herum, sondern auf den Bildern in mir. Ich bin noch ganz da, bekomme alles mit, bin aber gleichzeitig an einem anderen Ort, werde von mir selber und den Bildern, die ich vor mir sehe, mitgerissen. Ich bin in einem Zustand, den ich noch nie zuvor erlebt habe. Es fühlt sich an, als wäre ich irgendwo zwischen Wachsein und Schlafen. Ich bin absolut entspannt, aber nutze diesen Zustand nicht, um in den Schlaf zu gleiten, sondern um produktiv zu sein.

Ich durchlaufe wichtige Stationen meines Lebens, ohne dass ich dabei Anstrengung verspüre. Ich bin im Weltall und treffe mein sechsjähriges Ich, dann schwimme ich durch Salzwasser, das meine Haut kitzelt, ich mache die Badeente ganz klein, den Donald Trump ganz gross und umgekehrt, ich sehe mich mit meinem älteren Bruder Poker spielen und mit meinen beiden Brüdern am Strand als kleines Mädchen Ball spielen. Am Ende spielt ein Hund mit uns und wir jagen Donald Trump fort. Wenn ich davon erzähle, wirkt die Sitzung auf mich wie ein verrückter Traum.

Christian Ziegler hingegen sagt, ich habe Ressourcen aktiviert. Genauer gesagt: Wenn ich positiven Ressourcen wie dem Ballspielen am Strand oder meiner Freundin unter blauem Himmel mehr Gewicht in meinem Leben gebe, verblasse die Angst nach und nach. Er sagt, während der Hypnose arbeite das Unbewusste, es lerne und habe einen Keim aufgenommen, der spriessen werde.

Und? Hat es funktioniert?

In den ersten Tagen und Wochen nach der Hypnose habe ich mich gefragt, warum mir keine Hunde mehr begegnen – bis ich bemerkt habe, dass sie mir einfach kaum mehr auffallen. Wenn ich doch einmal Beklemmungen in Anwesenheit eines Hunds spüre, dann stelle ich mir oft Donald Trump mit der Badeente vor. Ein witziges Bild, das mich meine Angst vergessen lässt. Einmal habe ich mir ein anderes Bild vorgestellt und war ganz stolz auf meinen kreativen und gut funktionierenden Einfall. Bis ich die Aufzeichnung der Hypnosesitzung noch einmal angehört und realisiert habe, dass der Vorschlag von Dr. Ziegler gekommen war. Mein Unbewusstes scheint es als eigene Idee abgespeichert zu haben.

Da wurde mir klar, wie wirksam Hypnose ist, wie stark das Unbewusste in Trance arbeitet – und wie wichtig es war, dass ich zu einer gut ausgebildeten und vertrauenswürdigen Fachperson gegangen bin.

SERIE

Hypnose als Medizin

Am Samstag erfahrt ihr in Teil 2 der Serie, was man bei der Wahl eines Hypnotiseurs beachten sollte, wie Hypnose funktioniert und wie man mit ihr Ängste und Schmerzen in den Griff bekommen kann.

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