Das musst du wissen
- Autofahrer siedeln Velofahrer zwischen Kakerlake und Mensch an, wie eine psychologische Studie aus Australien zeigt
- Diese falsche Wahrnehmung führt dazu, dass sie Velofahrer mit ihren Wagen absichtlich in Bedrängnis bringen.
- Nun soll der sehr negative Emotionen auslösende Begriff Velofahrer vermieden werden, schlägt eine Forscherin vor.
Velofahrer sind die Ratten der Strasse. Jedenfalls aus Sicht vieler Autofahrer. Bei manchen Lenkern genügt nämlich allein die Präsenz eines Menschen auf zwei Rädern, damit er im Inneren seiner mobilen Stube in Flüche und Verwünschungen ausbricht. Solche Reflexe sind gefährlich. In Zürich etwa kam es im vergangenen Jahr gemäss einer Mitteilung der Stadt zu 541 Unfällen mit Velofahrern. Das sind 73 mehr als im Vorjahr. Tendenz seit längerer Zeit steigend.
Was hierzulande die Ratten, sind in Australien die Kakerlaken. So werden dort die Velofahrer auch genannt. Deswegen haben Forschende aus Melbourne für eine verkehrspsychologische Untersuchung 442 Probanden zwei Bilder vorgelegt: Einerseits die bekannte Illustration der Evolution, in der aus einem Affen ein Mensch wird, andererseits eine Variante davon, auf der eine Kakerlake zum Menschen wird.
Extra nah heranfahren
Nun fragten sie die Probanden, die sie zunächst in Velofahrer und Nicht-Velofahrer eingeteilt hatten, wo auf den beiden Skalen sie wiederum die Velofahrer platzieren würden. Das überraschende Resultat der im Magazin «Transportation Research» veröffentlichen Studie: 55 Prozent der nicht Velo fahrenden Autolenker platzierten die Velofahrer auf beiden Skalen an einer noch nicht ganz menschlichen Stelle. Die Probanden, die selbst Velo fahren, gingen auch noch recht hart mit ihresgleichen ins Gericht: Hier stuften 30 Prozent die Velofahrer als nicht ganz menschlich ein.
Die Forschenden wollten von den Befragten weiter wissen, ob sie schon Aggressionen gegenüber Velofahrern ausgelebt hätten. Auch hier waren die Antworten alarmierend: 17 Prozent der Autolenker haben mit ihren Wagen schon absichtlich einen Velofahrer blockiert, 11 Prozent sind schon absichtlich nahe an einen herangefahren und 9 Prozent haben sogar schon einem extra den Weg abgeschnitten.
Teufelskreis der Entmenschlichung
«Wenn man jemanden entmenschlicht, ist es einfacher, Hass oder Aggression gegen ihn zu rechtfertigen», sagt Studienleiterin Alexa Delbosc in einer Medienmitteilung. Diese Entmenschlichung setze einen Teufelskreis in Gang: «Wenn Velofahrer sich unmenschlich behandelt fühlen, werden auch sie selbst eher ausfällig gegenüber Autofahrern.» Womit sie die Vorurteile und Aggressionen gegen sich weiter vorantreiben.
Die Co-Autorin der Studie Narelle Haworth schlägt deswegen als Massnahme vor, dass man den sehr negativ besetzten Begriff Velofahrer in Zukunft vermeidet und stattdessen von Menschen, die Velo fahren, spricht. Die Verkehrsteilnehmer auf den nicht motorisierten Rädern müssten in den Augen der Autofahrer unbedingt ein menschliches Gesicht bekommen