Nicht nur Laien tappen in die Statistik-Falle. Auch Behörden und Forschende verheddern sich bisweilen im Zahlen-Dschungel. Hier drei Beispiele.
Ein Presseartikel widmete sich im Oktober des letzten Jahres der Auslastung der Intensivstationen. Die Aussage lautete, dass die Spitäler am Anschlag seien. Bei einigen waren die Intensivpflege-Betten, wenn nicht zu 100, so doch zu 80 Prozent gefüllt. Prompt mokierte sich ein Kommentar: «Ich lerne, 80 Prozent gefüllt ist offenbar voll.» Und er vergleicht es mit dem Tank in seinem Auto, wo doch noch einiges reingehe, wenn er erst zu 80 Prozent voll sei.
Das zeugt von einem krassen Unverständnis von Statistik. Nehmen wir ein kleines Spital in der Innerschweiz, das fünf Plätze auf der Intensivstation hat. Wenn davon vier belegt sind, ist die Station zu 80 Prozent voll.
Es braucht genau noch eine Patientin dazu, und die Station ist voll. Kommen zwei Schwerverletzte gleichzeitig, kann einer nicht mehr aufgenommen werden. Das bedeutet, 80 Prozent ist so gut wie voll. Im Gegensatz zum Benzintank, wo man bei 80 Prozent Füllung schon noch einen halben Liter reinbringt.
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Aber auch Behörden patzen mit Statistik. Selbst das Bundesamt für Statistik – im Bericht zur Tierversuchsstatistik 2019 über die Zahl von Versuchstieren.
Das Amt schreibt, dass der Anteil der Tiere, die in Versuchen ohne oder nur mit geringer Belastung eingesetzt werden, zurückgegangen sei. Von 71 Prozent im Vorjahr auf 69. Das ist natürlich toll.
Dafür sei aber der Anteil der Tiere, die Schweregrad 2 ertragen müssen, angestiegen: von 26,1 auf 27,6 Prozent.
Was sagt uns das? Zunächst mal gar nichts. Denn Prozentzahlen sind relativ.
Nehmen wir an, es werden weniger Versuchstiere im Schweregrad 0 und 1 verwendet. Was tatsächlich der Fall ist. Von 2018 bis 2019 ist die Zahl von 586 000 auf 572 000 gesunken.
Dadurch steigt automatisch der Anteil der Tiere in den Schweregraden 2 und 3 – selbst, wenn dort kein einziges Tier zusätzlich verwendet würde. Denn zusammen muss es eben 100 Prozent geben.
Als sehr einfaches Beispiel: Anna hat zwei Äpfel, Otto acht. Zusammen sind das zehn, wovon Anna 20 Prozent hat und Otto 80. Nun isst Otto vier Äpfel, er hat also nur noch vier. Zusammen haben sie also sechs. Aber jetzt besitzt Anna plötzlich 33 Prozent (2 von 6) der Äpfel, obschon sie keinen einzigen mehr besitzt.
Das sind die Tücken von Prozentzahlen.
Immerhin löst sich das Rätsel der Tierversuchsstatistik, wenn man die absoluten Zahlen anschaut. Denn tatsächlich sind in den Schweregraden 2 und 3 etwas mehr Tiere verwendet worden.
Ein Klassiker in falscher wissenschaftlicher Statistik stammt aus dem Jahr 2000. Eine Studie zeigte, dass sich an Tagen mit wichtigen Fussballspielen die Häufigkeit von Herzinfarkten bei älteren Männern in Holland um etwa 50 Prozent erhöht. Fussball am Fernsehen ist also tödlich.
Doch schauen wir genauer hin. Tatsächlich starben am Tage des EM-Viertelfinals Niederlande gegen Frankreich, am 22. Juni 1996, mehr Männer als am selben Datum in anderen Jahren.
Aber die Studie zeigt nicht, ob sich diese zusätzlichen Todesfälle vor dem Fernseher zugetragen haben. Oder ob die Verstorbenen Fussballfans waren.
Was die Studie auch nicht berücksichtigt: Welcher Wochentag war der 22. Juni in den Jahren zuvor? Das wäre wichtig, denn es wird nicht an allen Wochentagen gleich viel gestorben.
Und wenn man die Studie genau liest, stellt man sogar fest, dass während des fatalen Länderspiels in Holland signifikant weniger Frauen gestorben sind als in anderen Jahren. Also sind Fussballspiele am Fernsehen für Frauen sogar gesund. Auch das kann man mit schlechter Statistik beweisen.
Ich behaupte – ohne dies allerdings statistisch belegen zu können, schlampige Statistik in der medizinischen Forschung ist wesentlich gefährlicher als Fussball am Fernsehen.