Das musst du wissen

  • Joghurts und Getränke mit lebenden Bakterien sollen gut für den Darm und das Immunsystem sein, sind aber umstritten.
  • Eine Studie legt nahe: Solche Probiotika vernebeln das Gehirn. Sie führen zu Konzentrationsschwäche und Verwirrtheit.
  • Doch die Aussagekraft der Studie wird angezweifelt. Klar ist aber: Probiotische Joghurts sind nicht gesünder als andere.

Einst hat man sie als Wundermittel zur Stärkung des Immunsystems gefeiert: probiotische Joghurts und Joghurtdrinks. Also solche, die lebende Bakterien enthalten, die auch natürlicherweise in unserem Darm vorkommen. Inzwischen ist die Wirkung solcher probiotischer Lebensmittel umstritten. So sehr, dass Hersteller nicht mehr mit ihrer vermeintlich gesundheitsfördernden Wirkung für Gesunde werben dürfen.

Weitere Kritik an den Probiotika kommt nun von einer neuen Studie aus den USA. So sind Gastroenterolgen der Augusta University zu dem Schluss gelangt, dass solche Produkte sogenannten Gehirnnebel auslösen können. Gehirnnebel umfasst Symptome wie Konzentrationsschwäche, Verwirrtheit, eingeschränkte Urteilskraft und Verlust des Kurzzeitgedächtnisses.

Milchsäure im Blut

In ihrer Studie untersuchten die Forschenden 30 Patienten und Patientinnen mit Gehirnnebel. Dabei stellten sie fest, dass die Betroffenen zu viel D-Milchsäure im Blut hatten. D-Milchsäure wird von Milchsäurebakterien im Darm produziert, von solchen, die auch in Probiotika vorkommen. Tatsächlich konsumierten alle Patienten regelmässig probiotische Nahrungsmittel und Präparate, zum Teil in grossen Mengen.

Nachdem sie die Probiotika abgesetzt hatten und die Mehrzahl der Patienten zusätzlich mit Antibiotika behandelt wurden, verschwand auch der Gehirnnebel. Ein Beleg dafür, so die Forschenden, dass ein Zuviel der probiotischen Milchsäurebakterien eine sogenannte D-Laktatazidose ausgelöst hatte – eine Art Übersäuerung des Blutes, welche die Forschenden für den Gehirnnebel verantwortlich machten.

Zweifel an der Studie

Allerdings: Manche Forschende zweifeln an der Aussagekraft der Studie, wie Ger Rijkers, Immunologe am University College Roosevelt in den Niederlanden. Er erforscht die Wirkung von Probiotika und wirft den Studienautoren methodische Fehler vor. So seien die D-Milchsäurewerte im Blut zwar erhöht gewesen, aber nicht hoch genug, um als D-Laktatazidose zu gelten. Ausserdem kritisiert er, dass die Patienten gleichzeitig mit dem Absetzen der Probiotika mit Antibiotika behandelt wurden. «So ist nicht klar, warum genau der Gehirnnebel verschwand.» Andere Studien hätten keine negativen Auswirkungen von Probiotika auf das Gehirn gefunden.

Eine Überdosis an Probiotika sei zwar theoretisch möglich, sagt Rijkers. Aber: «Um eine D-Laktatazidose auszulösen, müsste man schon hunderte solcher Joghurts täglich essen.» Eine derartige Übersäuerung des Blutes sei selten und komme hauptsächlich bei Patienten mit dem sogenannten Kurzdarmsyndrom vor, so der Forscher. Auch diese neueste Studie bringt darum kaum mehr Klarheit im Streit um probiotische Milchprodukte.

Joghurt in der Medizin

Viele vermeintlich gesundheitsfördernde Wirkungen von probiotischen Joghurts – etwa die allgemeine Stärkung der Abwehrkräfte – konnten in Studien an gesunden Patienten nicht bestätigt werden. Am ehesten helfen sie bei einer Antibiotikatherapie, sagt Peter Ballmer, Chefarzt am Kantonsspital Winterthur. Denn Antibiotika greifen nicht nur Krankheitserreger an, sondern auch nützliche Darmbakterien. Dadurch kommt es manchmal zu Durchfall und dagegen können Probiotika helfen. Der Mediziner behandelt ausserdem Patienten mit Reizdarmsyndrom mit Probiotika.

Werbetricks für probiotische Joghurts

Dass Probiotika bei gesunden Menschen allgemein die Abwehrkräfte stärken, ist nicht nachgewiesen. Doch das hält Hersteller nicht davon ab, damit Werbung zu machen. Dazu bedienen sie sich eines Tricks: Sie setzen probiotischen Joghurts unter anderem Vitamine zu, zum Beispiel Vitamin D. Diese sind in der Tat gut für das Immunsystem und darum dürfen die Produkte auch dementsprechend beworben werden.

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