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Die Universität Zürich führt regelmässig das sogenannte Wissenschaftsbarometer durch. Ende letztes Jahr war es eine Sonderausgabe zum Thema Covid-19. Befragt wurde im November 2020 eine repräsentative Auswahl von 1072 Personen ab 15 Jahren. Das wichtigste Ergebnis voraus: Die Corona-Pandemie hat das Vertrauen in die Wissenschaft nicht gemindert, sondern gestärkt.
Auf einer Skala bis 5 stieg das Vertrauen in die Wissenschaft von 3,6 im Jahr 2019 auf 3,8 per Ende 2020.
Wenn man fragt, welchem Absender die Leute Botschaften bezüglich Covid-19 glauben, dann geniessen das höchste Vertrauen Ärztinnen und Ärzte: 4,1 von maximal 5 Punkten; gefolgt von Wissenschaftlern mit 3,9. Dann schwindet das Vertrauen recht stark: über Behörden, Freunden, Verwandten sinkt es gegenüber Politikerinnen und Politikern auf nur noch 2,7 Punkte. Doch am wenigsten vertraut man Journalisten (2,6).
Ähnliche Befragungen gibt es übrigens auch in anderen Ländern, etwa Deutschland oder Grossbritannien. Sie alle zeigen steigendes Vertrauen in die Wissenschaft. Und der Befund bezüglich der Medien ist etwas widersprüchlich. Aus zwei Gründen. Denn erstens: Wer vermittelt die Information aus der Wissenschaft? Richtig: die Medien. Und zweitens passt das Misstrauen gegenüber Journalisten nicht zu dem tatsächlichen Informationsverhalten der Leute.
Denn die Leute geben an, dass die hauptsächliche Informationsquelle zu Corona das Fernsehen sei. Bekanntlich ein journalistisches Produkt. Es folgen als Informationsquelle Gespräche mit Freunden, das Internet, Zeitungen und Radio. Alles sehr nahe beieinander. Wissenschaftliche Zeitschriften liest praktisch niemand.
Wenn man den Online-Konsum detailliert betrachtet, sind auch hier Webseiten und Apps von Zeitungen und Zeitschriften die Hauptquellen. Weit zurück liegen soziale Netzwerke (2,7) und Videoportale wie Youtube (2,2).
Das Wissenschaftsbarometer hat auch gefragt, ob die Leute der Meinung seien, dass politische Entscheidungen in Zusammenhang mit Corona auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten.
Eine überwältigende Mehrheit von 74 Prozent stimmt dem zu – 32 Prozent sogar sehr stark. Hingegen findet die Aussage: «Es ist nicht Aufgabe der Wissenschaft, sich in die Politik im Umgang mit Corona einzumischen» nur gerade 20 Prozent Zustimmung. Man will also die Einmischung der Wissenschaft in die Politik.
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Doch dieser Haltung der Bevölkerung trägt die Praxis des Bundesrates keine Rechnung. Dieser hat das ganze letzte Jahr immer wieder die Empfehlungen der Wissenschaft ignoriert. So wollte er nach dem Lockdown zu schnell zur Normalität zurück, bezeichnet das heute auch als Fehler. Und jetzt bei der zweiten Welle hat er zu zögerlich reagiert. So zögerlich, dass zwischendurch immer wieder einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin der Kragen platzt.
Zum Beispiel der Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf. Sie regt sich am 3. Januar auf Twitter auf: «es gibt keine Ausrede in ein paar Wochen/Monaten, dass die Ausbreitung der neuen Variante überraschend oder nicht vorhersehbar war, und nicht zu verhindern. Alle Informationen und zu ergreifenden Schritte sind glasklar.»
Ich retweete das gerade nochmal: es gibt keine Ausrede in ein paar Wochen/Monaten, dass die Ausbreitung der neuen Variante #b117 überraschend oder nicht vorhersehbar war, und nicht zu verhindern. Alle Informationen & zu ergreifenden Schritte sind glasklar. #SARSCoV2 #COVID19 https://t.co/Uu6ZlfelRQ
— Isabella Eckerle (@EckerleIsabella) January 3, 2021
Auch die Bevölkerung will, dass die Politik auf die Wissenschaft hört, weil sie ihr vertraut.
Und wo sind jetzt die Corona-Ignoranten? Ihre Verschwörungs-Thesen finden bei der grossen Mehrheit der Befragten keine Zustimmung.
«Die Corona-Pandemie wird zu einer grösseren Sache gemacht, als sie eigentlich ist», finden nur 27 Prozent der Befragten.
Dass die Zahl der Menschen, die an Corona sterben, von den Behörden absichtlich übertrieben werde, halten lediglich 21 Prozent für plausibel. Bloss 16 Prozent glauben, dass mächtige Leute die Corona-Pandemie geplant haben. Und weniger als 10 Prozent halten die These, dass die Existenz des Corona-Virus nicht bewiesen sei, für glaubwürdig.
Was wir daraus schliessen? Dass die Corona-Ignoranten zwar laut, schrill und darum oft in den Medien sind. Dass bei der überwiegenden Mehrheit der Menschen deren Geschrei aber nicht verfängt. Alles in allem ein gutes Zeichen für die Wissenschaft.
Der Faktist
