Das musst du wissen

  • Nur die Hälfte der Schweizer Bevölkerung vertraut derzeit den Medien – dies das Fazit einer aktuellen Umfrage.
  • Dafür ist während der Corona-Pandemie das Vertrauen in politische Institutionen wie Bundesrat oder Justiz gestiegen.
  • Eine Politikwissenschaftlerin rät den Medien: Es ist wichtig, auch die Chancen einer Krise zu zeigen.
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Wem vertrauen die Menschen in der Schweiz am meisten – Politikerinnen, Forschenden, Journalisten oder ihren Mitmenschen? Und welche Rolle spielen dabei aktuelle Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Klimawandel? Dies wollten Forschende der Universität St. Gallen herausfinden. Ihr Fazit, wie es die Überschrift zur Studie «Chancenbarometer» zusammenfasst: «Nur die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer vertraut den Medien.» Das ist nicht gut, denn: Wer den Medien vertraut, sieht optimistischer in die Zukunft – auch das hat die Untersuchung ergeben.

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Studie: Verpasste Chance? Nur die Hälfte der Schweizer:innen vertraut den MedienKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Aussagen basieren auf einem relativ grossen Datensatz, was sie zuverlässig machen. Allerdings ist die Deutschschweiz im Vergleich zu den anderen Sprachregionen deutlich übervertreten, was eine allgemeine Gültigkeit der Ergebnisse für die ganze Schweiz erschwert.Mehr Infos zu dieser Studie...

Die Medien stehen ganz am Schluss

Für ihre Studie haben die Forschenden 2021 rund 4500 Personen über 16 Jahren in der Schweiz befragt. Sie wollten wissen, welche Medien sie nutzen, wie stark ihr Vertrauen in Politik, Wissenschaft, Medien sowie ihre Mitmenschen ist und welche Chancen sie in aktuellen Herausforderungen wie dem Klimawandel sehen. Zudem interessierte sie, wie zufrieden die Befragten mit der Demokratie in ihrem Land sind.

Eines der Ergebnisse: Achtzig Prozent der Bevölkerung vertraut den politischen Institutionen wie Bundesrat, Parlament und Justiz – dies sind leicht mehr als im Vorjahr. Offenbar verleihen Krisenzeiten wie die Corona-Pandemie diesen Institutionen mehr Anerkennung, heisst es in der Studie. An zweiter Stelle im Ranking kommen Forschende – der Wissenschaft vertrauen knapp achtzig Prozent der Befragten. Auch hier gab es gegenüber 2020 eine leichte Zunahme. An dritter Stelle stehen unsere Mitmenschen – oder, wie in der Studie etwas allgemeiner formuliert – «die Schweizer Bürger». Hier liegt das Vertrauen bei siebzig Prozent. Das Schlusslicht bilden die Medien: 53 Prozent der befragten Personen vertrauen den Einordnungen, die sie den Medien entnehmen, 47 Prozent sind skeptisch.

Meinungen landen direkt im Netz

Im Vertrauen oder eben der Skepsis in die Medien beobachten die Forschenden verschiedene Abstufungen. Rund zwanzig Prozent vertrauen den Medien «überhaupt nicht», knapp dreissig Prozent hingegen vertrauen ihnen «voll und ganz». Fünfzig Prozent, sind unentschieden und unterscheiden je nach Medienangebot – zum Beispiel Tageszeitung versus Boulevardblätter. Interessant: Wer die Berichte in den Medien kritisch sieht, verschliesst sich diesen keineswegs komplett. «Rund achtzig Prozent der Befragten mit niedrigem Vertrauen lesen trotzdem mehrmals pro Woche eine Zeitung oder ein Nachrichtenmagazin», sagt Studienleiterin und Politikwissenschaftlerin Tina Freyburg.

Doch warum ist dieses Vertrauen in die Medien so gesunken? «Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrem persönlichen Umfeld ganz anders wahrnehmen als von den Medien dargestellt», sagt Tina Freyburg. Die Öffentlichkeit respektive die Medienlandschaft habe sich in den letzten 15 Jahren grundlegend verändert. «Zu den redaktionell organisierten Medien sind die digitalen Netzwerke hinzugekommen», führt sie aus. «Es geht recht einfach, Meinungen direkt ins Netz zu stellen und damit öffentlich zu machen. Ebenso wie Personen in der Politik zu kritisieren und zu beschimpfen sowie unmittelbar auf Medienberichte zu reagieren und deren Wahrheitsgehalt anzuzweifeln.» Gleichzeitig sei das Bestreben vieler Menschen gestiegen, sich nicht mit den zahlreichen Widersprüchen der Welt zu beschäftigen, sondern vor allem Bestätigung zu suchen. «Auf diese Weise kann die Meinung einer Minderheit zu einer Grundhaltung werden, die viele für normal halten», sagt die Politikwissenschaftlerin. «Und von der sie behaupten, sie stehe für die Mehrheit der Bevölkerung.»

Das Vertrauen in Informationen aus den Medien sei aber von grosser Bedeutung, hält die Studie fest. Wer den Medien vertraut, könne aktuellen Herausforderungen viel Positives abgewinnen. So sehen gut achtzig Prozent all jener, die journalistische Berichte wertschätzen, in der globalen Erderwärmung Chancen für positive Veränderungen. Von den Befragten mit einem niedrigem Vertrauen in die Medien teilen nur rund sechzig Prozent diesen Optimismus. Auch sind Menschen, die den Medien vertrauen, zufriedener damit, wie die Demokratie in der Schweiz funktioniert.

Meret Bächi

Je nach Medien die wir im Alltag lesen, werden wir unterschiedlich beeinflusst.

Du bist, was du liest

Weiter veranschaulicht die Studie: Welche Medien wir konsumieren, beeinflusst, wie wir das Weltgeschehen wahrnehmen und einordnen. Konkret: Wer mehrheitlich Boulevardzeitungen liest, sieht etwa beim Klimawandel kaum grossen Handlungsbedarf. Dies tut weniger als ein Drittel dieser Kategorie – verglichen mit den achtzig Prozent der Leser einer Tageszeitung. Auch sehen Lesende der Boulevardtitel im Kampf gegen die Klimaerwärmung weniger Chancen für politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, als jene der Tages-, Sonntags- oder auch der Gratiszeitungen. Eine interessante Parallele zeigt sich zwischen den Lesenden von Boulevardmedien und Wirtschaftspresse. In beiden Kategorien findet beim Klimawandel nicht einmal ein Drittel, es sei jetzt an der Zeit zu handeln. Der Grund? «Die Lesenden dürften möglicherweise eine ähnliche politische Orientierung haben», vermutet Tina Freyburg.

Beim Thema Klimawandel zeigten sich diese unterschiedlichen Einstellungen unter den Lesenden verschiedener Medien übrigens am deutlichsten, sagt die Studienleiterin. Als weitere globalen Herausforderungen legten die Forschenden den Befragten die Beispiele Finanzierung des Gesundheitssystems, Beziehungen der Schweiz zur EU, Digitalisierung, Zukunft der Altersvorsorge, Nachhaltiges Wachstum, Pandemien und Bevölkerungsschutz sowie Zuwanderung vor.

Nicht nur auf Risiken fokussieren

Was bringen uns diese Erkenntnisse? Tina Freyburg hat aus den Resultaten konkrete Empfehlungen für die Medien abgeleitet: Mehr auf Chancen fokussieren, lautet der erste ihrer Ratschläge. Wenn Medien den Blick auf die möglichen Handlungsoptionen richten und nicht nur auf Risiken fokussieren, können die Lesenden eher das Potenzial von Krisen für positive Veränderungen erkennen und nutzen, heisst es in der Studie.

Oder wie es ein 37-jähriger, männlicher Befragter ausdrückt: «Ehrliche und journalistisch saubere Berichterstattung seitens Medien, statt Panik und Angstmacherei.» Ein anderer Teilnehmer formuliert es so: «Medien zeigen heute gerne und oft mit dem virtuellen Finger auf angebliche ‹Leugner› und ‹Verschwörungstheoretiker›. Es wäre besser, ihre Ansichten und Aktivitäten genau unter die Lupe zu nehmen und über den Wahrheitsgehalt der Botschaften und deren Hintergründe aufzuklären.»

Zweitens sollen Medien unterschiedliche Positionen und Interessen aufzeigen und erklären, statt anzuklagen und abzuwerten. Dies trage dazu bei, dass wir andere Ansichten respektvoll diskutieren und Lösungen erkennen. Und drittens sollen Medien «mehr Ehrlichkeit zulassen». Gemeint ist: Wenn Medien transparent aufzeigen, wie sie sich finanzieren – statt zu betonen, sie seien unabhängig – macht sie das glaubwürdiger. Und es fördert das Vertrauen ihrer Leserinnen und Leser.

Deutlich machen, was gesichert ist – und was nicht

Dieses Vertrauen zu stärken, ist auch für die aktuellen Berichte zum Krieg in der Ukraine wichtig. Denn, wie Tina Freyburg sagt: «Medien dienen den Menschen als Orientierung und versorgen sie umfassend mit Informationen.» Beim Ukraine-Krieg würden Medienschaffende sehr bewusst und explizit deutlich machen, «was sie relativ gesichert wissen und eben auch, was sie nicht wissen, aber zu klären versuchen», beobachtet sie. Diese Aufrichtigkeit sei wertvoll, sagt die Politikwissenschaftlerin abschliessend: «Wird betont, wie wichtig und schwierig sorgfältige Recherche ist, kann dies das Vertrauen zwischen Lesenden und journalistischen Medien fördern.»

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