Das musst du wissen
- Je nach Region wirkten sich die Corona-Massnahmen positiv oder negativ auf die Feinstaubbelastung aus.
- In Gebieten, wo sich die Luftqualität verbesserte, gehören Industrie und Verkehr zu den Hauptverschmutzungsquellen.
- In Gebieten mit erhöhter Belastung hingegen sind es die Landwirtschaft und das Heizen und Kochen in Haushalten.
Im Frühjahr 2020 verbesserte sich die Luftqualität während des Lockdowns in mehreren Städten deutlich, zum Beispiel in Hongkong. Aber auch in der Schweiz sanken die Stickstoffdioxid-Emissionen, deren Hauptquelle der Verkehr ist, um fast fünfzig Prozent. Allerdings hatten die Corona-Massnahmen nicht überall einen positiven Effekt: So hat sich etwa die Feinstaubbelastung in einigen Ländern wie Griechenland, Japan und Guatemala sogar verschlechtert. Das zeigt eine von mehreren Schweizer Forschern mitverfasste Studie, die in der Zeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht wurde.
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Studie: Saving the world from your couch: The heterogeneous medium-run benefits of COVID-19 lockdowns on air pollutionKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDas Hauptergebnis der Studie ist die globale durchschnittliche Auswirkung der Corona-Massnahmen auf die Feinstaubbelastung. Obwohl die Forschenden auch länderspezifische Daten angeben, seien diese mit Vorsicht zu geniessen, wie sie in ihrer Studie betonen. Dies unter andrem darum, weil für jedes Land die Luftqualität während des Lockdowns mit jener am Tag vor dem Lockdown verglichen werden. Damit basiert der Vergleich auf nur zwei Datenpunkten.Mehr Infos zu dieser Studie...Warum es interessant ist. Die Forschenden, darunter auch Ökonomen, führten eine umfassende statistische Analyse der umgesetzten Massnahmen und der beobachteten Feinstaubbelastung in verschiedenen Ländern durch. Sie betonen, wie wichtig es ist, den Vorgang in den Ländern zu verstehen, die sowohl den wirtschaftlichen Schaden begrenzt als auch ihre Luftqualität während der ersten Lockdown-Periode verbessert haben. Denn daraus könne man wertvolle Lehren für die Energiewende ziehen.
Die Methode. Um die Dauer jedes Lockdowns und die Art der implementierten Massnahmen für jedes der 162 untersuchten Länder zu bestimmen, setzten die Forscher sogenanntes «Data Scraping» ein. Dies ist eine Methode, bei der mit Hilfe eines Algorithmus alle Schlagzeilen aus den Medien extrahiert wurden, die in jedem Land zwischen dem 31. Oktober 2019 und dem 31. August 2020 veröffentlicht wurden. Diese Schlagzeilen lieferten die Informationen zu den in jedem Land getroffenen Massnahmen sowie deren Verschärfung oder Lockerung.
Anschliessend verglichen sie diese Daten mit der Entwicklung der dort gemessenen Konzentration von Feinstaub, dessen Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer (PM2,5) ist.
Quentin Galea, Postdoktorand für politische Ökonomie an der Universität Zürich und Mitautor der Publikation, erklärt:
«Dies erlaubte uns, einen qualitativ hochwertigen Datensatz über nicht-pharmazeutische Interventionen zu erstellen, die von Regierungen während des ersten Lockdowns eingesetzt wurden.
Bei dieser Art von Daten sehen wir vor allem Korrelationen. Die Stärke unserer Studie ist, dass wir der Kausalität so nahe wie möglich kommen, indem wir ein sogenanntes Fixed-Effects-Modell verwenden, das länderspezifische, nicht direkt beobachtbare Faktoren ausblendet.»
Gegensätzliche Ergebnisse. Die Massnahmen haben die Luftqualität in den untersuchten Ländern insgesamt verbessert, und zwar um bis zu 35 bis 45 Prozent, je nach Art der umgesetzten Massnahmen. In der Mongolei sank die Feinstaubbelastung beispielsweise um 44 Prozent, in Schweden um vierzig Prozent und in der Schweiz um 14 Prozent.
Im Gegensatz dazu verschlechterte sie sich in Guatemala um 25 Prozent, in Gambia um 17 Prozent und in Griechenland um fast 16 Prozent. In Indien ist die Verschmutzung in den Städten gestiegen, obwohl sie landesweit um fast sieben Prozent zurückgegangen ist. Ähnlich ist auch die Situation in Japan und Südkorea.
Quentin Gallea sagt dazu:
«Indien ist ein interessanter Fall, da dort anfänglich ein strikter Lockdown verordnet wurde, aber die Feinstaubbelastung in den Städten trotzdem zugenommen hat. Warum? Es kann sicher mit dem Heizen in den Häusern in Verbindung gebracht werden, das während des Lockdowns gestiegen ist. Danach hat mich die Situation in Südostasien auch überrascht. Da sind die Ursachen noch unklar.»
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Grüner Wirtschaftsaufschwung. Was können wir aus dieser Studie lernen, um sicherzustellen, dass die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie die Energiewende nicht verpasst? Frederik Noack, Dominic Rohner und Raahil Madhok, die anderen an der Studie beteiligten Ökonomen, erklären auf The Conversation: Es sei bereits bewiesen, dass Wirtschaftswachstum auf lange Sicht positive Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Aber nur, wenn die Umstellung auf eine sauberere Produktion die Umweltschäden ausgleicht, die durch die erhöhte Produktion entstehen.
«Unsere Ergebnisse legen nahe, dass politische Interventionen zur Verbesserung der Luftqualität die möglichen Reaktionen auf die Regulierung berücksichtigen müssen», schreiben sie. Wenn die Regulierung nur bestimmte Aktivitäten betrifft, kann die Wirtschaftstätigkeit auf umweltschädlichere Vorgehen ausweichen und so zu einer Verschlechterung der Umweltwerte führen.» Dies spreche für Mechanismen zur Besteuerung der Umweltverschmutzung.
«Eine bessere politische Antwort, die durch unsere Ergebnisse bestätigt wird, sollte Anreize schaffen, die die Volkswirtschaften in Richtung einer saubereren Produktion und eines saubereren Konsums von Gütern und Dienstleistungen lenken. Genau das tut eine marktbasierte Politik mit Cap-and-Trade-Systemen oder Steuern auf umweltschädliche Aktivitäten.»
Quentin Gallea:
«Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Wirtschaftspolitik zur Sicherstellung eines grünen Aufschwungs nicht ‘One fits all’ sein kann, die eine einzige Lösung anbietet. Sie muss massgeschneidert sein. Aber auf jeden Fall ist die Tatsache, dass ganze Sektoren weiter funktionieren konnten und dass wir gleichzeitig in den meisten Ländern einen Rückgang der Verschmutzung sahen, weiterhin ermutigend, es zeigt, dass wir funktionierende Volkswirtschaften haben können, während wir die PM2,5-Konzentration fast halbieren.»
Heidi.news
