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Gemäss einer Umfrage des Online-Magazins «20 Minuten» ist mittlerweile mehr als die Hälfte der Schweizer Bevölkerung für einen Stopp beim Ausbau des neuen Mobilfunknetzes 5G. Der Kanton Waadt hat ein Moratorium verhängt. Und es läuft die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative, die die Sendeleistung der Mobilfunkmasten einschränken will. Und zwar so, dass die Strahlung nicht mehr in die Häuser dringen kann.

Interessant ist, dass zwei Personen im Initiativkomitee ihr Geld mit Abschirmungen verdienen – unter anderem mit strahlensicherer Unterwäsche. Ein gutes Geschäftsmodell, wenn die Abschirmung dann einmal in der Verfassung verankert sein sollte.

Aber so oder so ist diese Initiative absurd, weil sie grundlegende Gesetze der Physik ignoriert und letztendlich die Strahlenbelastung erhöht.

Denn erstens erhalten wir die höchste Strahlenbelastung nicht von den Basisantennen, sondern von unseren Mobiltelefonen. So ist die Belastung in den öffentlichen Verkehrsmitteln rund fünfmal höher als in Wohnhäusern. Dies, weil im öV jede und jeder am Handy hängt. Gut, da fordert die Initiative auch spezielle Sitzplätze mit Handyverbot. Nützt aber nichts, wenn alle um uns herum am Handy sind. Wollte man sensible Menschen wirklich vor der Strahlung schützen, müsste man ein komplettes Handyverbot in Bus, Tram und Zug einführen.

Zurück zur Initiative: Sie ignoriert die technischen Grundlagen des Mobilfunks. Angenommen, die Sendeleistung der Basisantennen würden tatsächlich so weit heruntergefahren, dass die Strahlung nicht mehr in Häuser eindringen kann. Was wäre der Effekt? Hinter jedem Haus wäre ein Funkloch. Das heisst, man müsste entweder jedes Haus von jeder Seite anstrahlen – das ergäbe das x-fache an Antennen. Oder der Empfang wäre fast überall schlecht. Das führt dazu, dass das Handy permanent auf voller Leistung sendet, um die Verbindung zu einer Basisstation herzustellen. Darum produziert ein Handy bei ungünstigen Bedingungen in einer Sekunde so viel Strahlung wie bei optimalem Signal in einer Woche.

Die Initiative erhöht also die Strahlenbelastung für den Nutzer massiv.

Und schliesslich wird es geradezu absurd: Wer im Haus möglichst wenig Strahlung will, müsste eigentlich 5G befürworten. Denn bei dieser Technologie werden Strahlen verwendet, die wesentlich schlechter in Gebäude eindringen.

Aber eben: Physik ist das eine, Angstmache das andere. Die ist mittlerweile ja schon sehr weit fortgeschritten. Ich sehe die Strahlenangst heute jeden Tag im Bus, Tram und Zug. Vor lauter Panik halten alle Leute kleine leuchtende Apparätchen vor ihr Gesicht. Wahrscheinlich schützen die gegen Elektrosmog.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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