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Die letzte Kaltphase unseres Planeten setzte vor etwa 115 000 Jahren ein und endete vor etwa 11 700 Jahren. Damals lag das Schweizer Mittelland unter hunderten von Metern dickem Eis. Dann wurde es wärmer, ohne dass der Mensch Treibhausgase in die Atmosphäre gepustet hätte. Das zeige, so schreibt mir ein Leser, dass Klimaerwärmungen normal sind.
Warum Eiszeiten kommen und eben auch wieder gehen, war lange ein Rätsel. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein junger, jugoslawischer Mathematiker namens Milutin Milankovitch eine Idee hatte. Und 30 Jahre später legte er eine überzeugende Erklärung vor, die heute durch zuverlässige geologische Daten belegt wird.
Die Schwankungen von Eiszeiten und Warmzeiten erklären sich mit der Erdumlaufbahn. Die Erde kurvt nicht etwa schön gleichmässig um die Sonne, vielmehr schwankt, taumelt und eiert sie um unseren Fixstern herum.
Die Erde schwankt
Heute weist die Erdachse gegenüber der Umlaufbahn eine Neigung von 23,5 Grad auf.
Diese Neigung schwankt innerhalb von 41 000 Jahren zwischen 21,5 und 24,5 Grad. Je grösser der Neigungswinkel ist, je schräger also die Erdachse, desto stärker bestrahlt die Sonne die Pole und umso ausgeprägter sind die Jahreszeiten.
Die Erde taumelt
Ausserdem taumelt die Erde wie ein Kreisel, den man mit einem Stoss aus der gleichmässigen Rotation gebracht hat. Die Taumelbewegung oder Präzession ändert sich periodisch im Rhythmus von 19 000 und 23 000 Jahren.
Die Erde eiert
Schliesslich ändert sich jeweils über 100 000 Jahre die Exzentrizität der Erdbahn, das heisst sie ist einmal mehr, einmal weniger elliptisch. Je grösser die Exzentrizität, desto stärker die Ausprägung der Jahreszeiten. Gegenwärtig ist die Erde dann am weitesten von der Sonne entfernt, wenn auf der Südhalbkugel Winter ist; daher sind auf der südlichen Hemisphäre die Winter etwas kälter und die Sommer etwas wärmer als auf der nördlichen.
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Daraus ergeben sich Warm- und Kaltphasen
Achsenneigung, Präzession und Exzentrizität führen dazu, dass die Strahlung, welche die Erde empfängt, mal stärker mal geringer ist. Und wenn man diese drei kombiniert, ergibt sich ein Muster. Immer wenn die Strahlung minimal ist, kommt es zu einer Eiszeit. Das hat Milankovitch erkannt. Während der letzten Million Jahre fand er so 40 kleinere und zehn grössere Eiszeiten.
Die drei astronomischen Effekte lassen die sommerliche Sonneneinstrahlung um etwa 20 Prozent variieren. Schon eine kleine Veränderung in der jährlichen Durchschnittstemperatur genügt, um eine Eiszeit anbrechen oder enden zu lassen. Während der Würmeiszeit war es im Weltdurchschnitt nur fünf Grad kälter als heute, und über weiten Teilen Europas, Asiens und Nordamerikas breiteten sich dicke Eispanzer aus.
Und weil etwa drei Prozent des Wassers auf der Erdoberfläche in Gletschern fixiert war – das ist etwa dreimal mehr als heute an den Polen gefroren ist – lag der Meeresspiegel etwa 120 Meter tiefer. Wie gesagt, der Temperaturunterschied zu heute betrug nur fünf Grad. Die Welt sah aber dramatisch anders aus.
Solche Veränderungen gehen sehr langsam, also über Tausende von Jahren. Was heute geschieht, ist dagegen superschnell. Und da gibt es nur den Menschen als Erklärung.
Darum versucht die Weltgemeinschaft zum Beispiel mit dem Pariser Abkommen, die weitere Erwärmung auf zwei Grad zu beschränken. Eine Änderung, deren Auswirkung – so hofft man – für die aktuelle Zivilisation noch zu verkraften wäre.
Ich sage bewusst «für die Zivilisation». Denn der Erde ist das gleich. Insofern haben Klimaskeptiker recht. Die Erde hat schon Schlimmeres erlebt als uns Menschen.