Das Fotografieren war neben dem Klettern schon während der Schulzeit die Lieblingsbeschäftigung von Walter Mittelholzer, der 1894 als Sohn eines Bäckers in St. Gallen geboren wurde. «Er kletterte und fotografierte frühmorgens, und um 8 Uhr sass er als folgsamer Schüler auf der Schulbank», schreibt Erich Meier in einer Biografie über den Flugpionier. Nach einer Lehre als Fotograf wurde Mittelholzer im Militär zur Fliegertruppe eingeteilt und zum Piloten ausgebildet. In dieser Zeit schoss er erste Bilder aus der Luft und bewies dabei «ein aussergewöhnliches Orientierungsvermögen, einen fabelhaften Bildsinn und eine urwüchsige Naturfreude», wie ein Zeitgenosse festhielt. Nach dem Krieg gründete Mittelholzer zusammen mit seinem ehemaligen Fluglehrer die Fluggesellschaft Ad Astra Aero und startete immer wieder zu aussergewöhnlichen Flugabenteuern.

Früheste Flugaufnahme von Rapperswil, 1919.Walter Mittelholzer

Früheste Flugaufnahme von Rapperswil, 1919.

1926 hob er mit einem Wasserflugzeug in Zürich-Tiefenbrunnen ab Richtung Afrika. Als erster Pilot überquerte er den gesamten schwarzen Kontinent in Nord-Süd-Richtung und landete zweieinhalb Monate später in Kapstadt.

Vier Jahre später war Walter Mittelholzer auch der Erste, der den Kilimandscharo überflog. Um eine maximale Flughöhe erreichen zu können, durfte seine Fokker namens Switzerland «nur so leicht als möglich beladen sein, ohne Reserveteile, ohne Notproviant und ohne Wasser», wie er später in einem Buch berichtet. Er verzichtet aber nicht auf einen Begleiter, «weil ich alleine nur wenige photographische Aufnahmen machen könnte. Es erscheint mir wichtiger, soviel gute Bilder und Filme wie möglich nach Hause zu bringen, als bloss die Tatsache einer Erstüberfliegung zu melden.»

Alpenquai in Zürich, 1929.ETH-Bildarchiv / Walter Mittelholzer

Alpenquai in Zürich, 1929.

Damit die Switzerland «eine so abnormale Höhe von 6000 Metern» erreicht, nutzt Mittelholzer den Aufwind an der breiten Nordfront des Berges. Trotz Kopfschmerzen und erhöhtem Pulsschlag gelingen ihm gestochen scharfe Bilder, die noch heute faszinieren.

Kibo-Krater im Massiv des Kilimandscharo.ETH-Bildarchiv / Walter Mittelholzer

Kibo-Krater im Massiv des Kilimandscharo.

Auf Druck des Eidgenössischen Luftamts kam es 1931 zu einer Fusion von Mittelholzers Fluggesellschaft mit der Konkurrenzfirma Balair, die vom Piloten Balz Zimmermann geleitet wurde: Die Swissair war geboren. Im jungen Unternehmen wurde Zimmermann zum Luftstrategen im Hintergrund, Mittelholzer zum Aushängeschild. Er sei in den 1930er-Jahren der populärste Schweizer gewesen – vor Auguste Piccard, Gottlieb Duttweiler oder Bundesrat Minger, schreibt Biograf Meier. Mit seinen vielen Auslandflügen und den spektakulären Luftaufnahmen machte der Chefpilot die Swissair weltberühmt.

Eine Fokker "F.VIIb-3 m" der Swissair, geflogen von Mittelholzer in Kassala (Sudan), im Februar 1934.ETH-Bildarchiv / Walter Mittelholzer

Eine Fokker „F.VIIb-3 m“ der Swissair, geflogen von Mittelholzer in Kassala (Sudan), im Februar 1934.

Besondere Beachtung fanden auch die Bilder, die der fliegende Fotograf von Kaiser Haile Selassie machte, als er ihm 1934 persönlich ein Flugzeug nach Äthiopien lieferte.

Kaiser Haile Selassie, fotografiert von Walter Mittelholzer in Abessinien (1934).ETH-Bildarchiv / Walter Mittelholzer

Kaiser Haile Selassie, fotografiert von Walter Mittelholzer in Abessinien (1934).

Beim Fliegen hatte der waghalsige Pilot das Glück mehrfach auf seiner Seite. So überlebte er 1922 einen Flugzeugabsturz in den Alpen mit einem Beinbruch. Beim Klettern jedoch ereilte ihn das Schicksal: 1937 stürzte er im Alter von nur 43 Jahren in der Steiermark zu Tode.

Dieses Porträt stammt aus dem Buch «Zürcher Pioniergeist» (2014). Es porträtiert 60 Zürcherinnen und Zürcher, die mit Ideen und Initiative Neues wagten und so Innovationen schufen. Das Buch kann hier bestellt werden.
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