Das musst du wissen

  • Heute werden wir weniger mit dem Tod konfrontiert als früher, deshalb fällt es uns schwer darüber zu reden.
  • Eine zunehmend alte Bevölkerung und die aktuelle Pandemie zwingen uns zu einer erneuten Auseinandersetzung mit dem Tod.
  • Eine Studie zeigt, dass, wer sich aktiv mit dem Sterben beschäftigt, einen positiveren Umgang damit findet.
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Noch vor nicht einmal 150 Jahren hatte ein zwanzigjähriger Schweizer nur eine etwa fünfzigprozentige Chance, seinen sechzigsten Geburtstag zu erleben. Im Jahr 2019 hingegen waren über sechzig Prozent der Verstorbenen achtzig Jahre alt oder sogar älter. Unser Leben wird im Schnitt also immer länger, der Tod immer weiter entfernt. Dass wir so selten mit unserer Sterblichkeit konfrontiert werden, hindert uns daran, den Tod als natürlichen Prozess zu sehen. Das ist aber nur einer der Gründe, weshalb wir zunehmend Schwierigkeiten bekommen, mit dem Tod umzugehen.

Warum wir verlernt haben, über den Tod zu sprechen

Ein weiterer Grund ist die Art, wie wir über das Sterben sprechen. Sätze wie «Sie hat den Kampf gegen den Krebs verloren» oder «Er ist dem Tod um ein Haar entkommen» deuten darauf hin, dass der Tod etwas Vermeidbares ist. Der Tod, so wird suggeriert, ist auf das Versagen von Personen oder Technologien zurückzuführen. Zwar ist eine solche Sicht auch verbunden mit Hoffnung und diese gibt vielen Betroffenen Mut. Eine übersteigerte Hoffnung kann aber auch hinderlich dabei sein, Patienten oder Angehörige auf den Tod vorzubereiten.

Ausserdem hat sich der Kontext, in dem wir den Tod erleben stark verändert. Lange Zeit starben die meisten Menschen in ihrem eigenen Zuhause, oft umgeben von Familie und Gemeinschaft. Dadurch machten Menschen schon früh Erfahrungen mit dem Tod, die sie auch mit Angehörigen teilten.

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Erst gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts verschob sich der Tod ins Spital oder in Pflegeinstitutionen, wo heute etwa 85 Prozent der Menschen sterben. Dort sind seltener Familienmitglieder dabei, wenn der Tod eintritt. Eine schwedische Studie ermittelte, dass bei weniger als der Hälfte der Verstorbenen auf einer Intensivstation Angehörige zum Sterbezeitpunkt anwesend waren. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass uns der Tod heutzutage sehr fremd ist. Doch die zunehmende Alterung unserer Bevölkerung und Ausnahmesituationen wie die gegenwärtige Pandemie rücken den Tod wieder in den Vordergrund des gesellschaftlichen Bewusstseins. Wie also sollen wir damit umgehen und darüber reden?

Über das Sterben zu sprechen, bringt Frieden

Eine Gruppe australischer Forschender ging genau dieser Frage nach. Die im Fachmagazin Plos One publizierte Studie basiert auf der These, dass, wer offen mit anderen über den Tod redet, einen positiven oder zumindest neutralen Umgang damit findet. Um dies zu validieren, untersuchten die Forschenden Umfragen von Teilnehmenden eines kostenlosen Online-Kurses rund um die Themen Tod und Sterben. Der Kurs beschäftigte sich mit folgenden Fragen: Wie setzt sich unsere Gesellschaft mit dem Tod auseinander und wie reden wir darüber? Wie wird der Tod in den Medien dargestellt? Ist es die Aufgabe der Medizin, das Problem des Sterbens zu lösen? Was bedeutet der Tod im digitalen Zeitalter?

Science-Check ✓

Studie: Words describing feelings about death: A comparison of sentiment for self and others and changes over timeKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsMit 1491 Testpersonen ist die Stichprobe der Studie relativ gross. Allerdings ähneln sich die Probanden sehr stark. Die meisten waren Frauen, die zum Zeitpunkt der Umfrage in Australien lebten und in einem Gesundheitsberuf arbeiteten. Daher können die Ergebnisse nicht als allgemein gültig gesehen werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

Vor und nach dem Kurs füllten die Teilnehmenden einen Fragebogen aus. Dafür mussten sie mit drei Worten beschreiben, wie sie sich gegenüber dem Tod und dem Sterben fühlen. Zudem mussten sie beschreiben, wie ihrer Meinung nach die Gesellschaft zu diesen Themen steht. Die Ergebnisse zeigten, dass vor Abschluss des Kurses die Worte «Angst» und «Trauer» oft mit dem Tod in Verbindung gebracht wurden. Besonders wenn es um die Ansichten der Gesellschaft ging. Nach dem Kurs verwendeten über 35 Prozent der Teilnehmenden die Worte «Frieden» oder «friedlich», um ihre eigenen Gefühle zum Sterben zu beschreiben. Mehr als doppelt so viele, wie vor dem Kurs. Das am meisten verwendete Wort zur Beschreibung der eigenen Gefühle war sowohl vor als auch nach dem Kurs «unvermeidbar».

Kurz gesagt: Die Teilnehmenden beschrieben ihre Gefühle gegenüber dem Tod eher als neutral oder sogar positiv, nachdem sie sich ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt hatten. Die Autorinnen und Autoren der Studie sehen dies als starkes Argument dafür, dass uns das Sprechen über den Tod guttut. Zudem heben sie hervor, dass Teilnehmende oft das Gefühl hatten, dass die Gesellschaft als Ganzes den Tod negativer sehe als sie selbst. Reden wir also nicht über das Sterben aus Angst, andere mit dem Thema aufzuwühlen? Das wäre ein Thema für eine weitere Studie, doch eines ist klar: Über den Tod, seine vielfältigen Facetten und unsere Gefühle rund um das Thema zu sprechen, ist wichtig. Und zwar bevor ein tragischer Vorfall uns dazu zwingt.

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