Das musst du wissen
- Fast die Hälfte der Bevölkerung in der Schweiz glaubt laut einer Befragung des Bundes an Heiler oder Hellseher.
- Mögliche Erklärungen für paranormale Erlebnisse sind Halluzinationen, die jeder Mensch erleben kann.
- Auch äussere Einflüsse, zum Beispiel giftiger Schimmel, könnten zu unerklärlichen Wahrnehmungen führen.
Der Glaube an übernatürliche Phänomene lebt. In der Schweiz glauben rund 45 Prozent der Bevölkerung, dass es Personen gibt, die über die Gabe des Heilens oder Hellsehens verfügen, wie eine Befragung des Bundesamtes für Statistik 2019 ergab. Etwa zwanzig Prozent halten es für möglich, mit Geistern Kontakt aufzunehmen. Eigene unerklärliche Erfahrungen könnten dabei eine Rolle spielen. In einer deutschen Umfrage von 2005 gab über die Hälfte der Teilnehmenden an, bereits einmal ein übernatürliches Erlebnis gehabt zu haben. Doch sind solche Phänomene wissenschaftlich zu erklären? Ja, das sind sie zumindest teilweise.
Wer eher paranormale Erlebnisse hat
Grundsätzlich gilt: Wer bereits an Geister glaubt, berichtet eher von paranormalen Erfahrungen. Das zeigt eine Studie, die geisterhafte Erlebnisse von selbsterklärten Spiritualisten und Medien mit denen von anderen Probanden verglich. Fast die Hälfte der Medien und Spiritualisten gab aber an, dass ihr erstes paranormales Erlebnis stattgefunden hatte, bevor sie mit der Spiritualisten-Bewegung in Kontakt kamen. Zudem zeigte diese Gruppe eine grössere Absorptionsfähigkeit, das heisst, die Offenheit für das Erleben emotionaler und geistiger Veränderungen ist grösser.
Ausserdem erreichten die Spiritualisten und Medien höhere Werte auf der Revised Hallucinations Scale, einem in der Psychologie angewendeten Fragebogen zur Messung der Anfälligkeit auf akustische Halluzinationen. Dies könnte darauf hinweisen, dass Menschen mit gewissen Eigenschaften eher zu paranormalen Erlebnisse neigen – unabhängig vom Glauben an Geister. Allerdings basieren die Ergebnisse lediglich auf Umfragen und sind daher mit Vorsicht zu geniessen.
Science-Check ✓
Studie: When spirits speak: absorption, attribution, and identity among spiritualists who report “clairaudient” voice experiencesKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsMit 208 Testpersonen stützt sich die Studie auf eine nicht besonders grosse Stichprobe. Obwohl die Daten mit anerkannten wissenschaftlichen Methoden erhoben wurden, sind sie dennoch subjektive Aussagen, die sich nicht überprüfen lassen. Daher sind die Studienergebnisse mit Vorsicht zu geniessen.Mehr Infos zu dieser Studie...Warum wir alle halluzinieren können
Eine mögliche Erklärung für Erlebnisse mit Geistern sind Halluzinationen. Diese können auf allen Sinnesebenen auftreten, also optisch, akustisch aber auch taktil oder sogar beim Geschmackssinn. Halluzinationen können ein Symptom verschiedener psychischer Erkrankungen wie Angststörungen, Schizophrenie oder Zwangsstörungen sein. Allerdings können sie auch bei psychisch gesunden Personen auftreten. Zum Beispiel als sogenannte Präsenz-Halluzinationen.
«Eine Präsenz-Halluzination ist das starke Gefühl, dass eine Person hinter dir steht, die dich weder berührt noch mit dir spricht. Das Gefühl kann so intensiv sein, dass du den Drang hast, dich umzudrehen und nachzusehen, aber wenn du dich umdrehst, ist niemand da», erklärt Fosco Bernasconi, Neurowissenschaftler an der EPFL (Eidgenössische technische Hochschule Lausanne). Präsenz-Halluzinationen können
von jedem Individuum erlebt werden, besonders in extremen Situationen, beispielsweise beim Bergsteigen. Aber sie sind häufiger bei älteren Menschen. «Oftmals fühlen sie die Präsenz eines verstorbenen Partners – meist in Zeiten der Trauer», erklärt Bernasconi. Zudem sind diese Halluzinationen auffällige Merkmale bei Krankheiten wie Demenz und Parkinson. Bis zu siebzig Prozent dieser Patienten erleben solche Halluzinationen.
Das Labor, in dem Bernasconi arbeitet, setzt sich mit dem menschlichen Bewusstsein auseinander und untersucht verschiedene psychologische und neurologische Phänomene. In diesem Rahmen versuchten die Forschenden, das Gefühl einer Präsenz-Halluzination künstlich zu reproduzieren – mit Erfolg. Testpersonen, die nicht wussten, worum es im Experiment geht, bewegten mit verbundenen Augen ihre Hand vor sich. Hinter ihnen mimte ein Roboter die Bewegungen nach und berührte sie dabei am Rücken. Wenn der Roboter mit einer kurzen zeitlichen Verzögerung die Bewegung nachahmte, entstand bei den Testpersonen das Gefühl, jemand stehe hinter ihnen. Und das, obwohl sie eigentlich wussten, dass der Roboter sie von hinten berührte. Dies berichteten mehrere Testpersonen nach dem Experiment.
Das Gehör und die unheimlichste Frequenz
Es gibt etliche Umwelteinflüsse, welche ebenfalls für geisterhafte Phänomene verantwortlich sein könnten. Zum Beispiel Töne. Das menschliche Gehör kann Frequenzen zwischen etwa 16 und 20 000 Hertz wahrnehmen. Nicht alle davon aber hören wir bewusst. Töne unter 16 Hertz, die so tief sind, dass wir sie nicht hören können, nennt man Infraschall. Dieser wird sowohl von natürlichen Phänomenen wie Wind, Donner oder Vulkanausbrüchen, als auch von menschengemachten Maschinen wie Düsenjets oder Windkraftwerken verursacht. Obwohl Infraschall für uns Menschen nicht hörbar ist, hat er einen Einfluss auf unseren Körper. In welcher Form sich dieser zeigt, ist allerdings umstritten.
Immer wieder wird Infraschall mit unheimlichen, geisterhaften Gefühlen in Zusammenhang gebracht. Grund dafür ist ein gross angelegtes Experiment aus dem Jahr 2003. Bei diesem beschallten zwei Psychologen eine Gruppe von 750 Konzertbesuchern unwissentlich während einigen Musikstücken mit Infraschall. Bei der anschliessenden Befragung sollen 22 Prozent der Testpersonen von ungewöhnlichen Erlebnissen berichtet haben. Dazu gehörten ein seltsames Gefühl im Magen, eine erhöhte Herzfrequenz, das Gefühl von grosser Angst und plötzliche Erinnerungen an einen emotionalen Verlust. Nur: Die Daten aus dem Experiment wurden nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Die Aussage über 22 Prozent mehr ungewöhnliche Erfahrungen bei Infraschall taucht aber immer wieder auf.
Dies heisst nicht, dass Infraschall nicht für ein ungutes Gefühl, das Geisterpräsenz wähnen lässt, verantwortlich sein kann. Dieses Gebiet muss aber noch genauer erforscht werden.
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In Geisterhäusern spukt der Schimmel
Allerdings ist der Infraschall nicht der einzige äussere Einfluss, der für unerwartete Geistererlebnisse verantwortlich sein könnte. Ein Beispiel: Oftmals werden paranormale Erlebnisse in alten, unheimlichen Häusern vermutet oder gar von ihnen berichtet. Solche Gebäude entsprechen nicht nur unserem Bild eines klassischen Geisterhauses, sie bieten auch oft den perfekten Nährboden für Schimmelpilze. Veraltete Lüftungssysteme, schlecht isolierte Wände und Dächer sowie frühere Überflutungen sorgen für eine hohe Luftfeuchtigkeit. Bei dieser gedeiht der Schimmel besonders gut. Eine Studie mit finnischen Hebammen, die in einem mit toxischem Schimmel befallenen Spital arbeiteten, zeigte, dass Schimmel zu neurologischen Problemen führen kann. 62 Prozent der Testpersonen erlebten Symptome wie Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme sowie Sprachschwierigkeiten.
Viele Theorien, die paranormale Erlebnisse erklären sollen, basieren auf nicht ausreichenden Daten, um allgemeingültige Schlüsse zu ziehen. Einzelne Erlebnisse können nur durch eine subjektive Linse betrachtet werden, da solche Erfahrungen nicht reproduzierbar sind. Halluzinationen, sowohl bei gesunden als auch bei psychisch oder physisch kranken Menschen sind noch immer relativ wenig erforscht, besonders in der Neurologie. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich seriöse Wissenschaftler oft davor scheuen, Forschung zu paranormalen Ereignissen zu betreiben. Denn «Ghost Busters» sind in dieser Szene nicht gerade angesehen.