Das musst du wissen

  • Während einer Razzia in ganz Europa sind tonnenweise Anabolika beschlagnahmt worden.
  • Anabolika sind Steroidhormone, zu denen auch männliche Sexualhormone wie etwa Testosteron zählen.
  • Sie fördern den Muskelaufbau, haben aber schwere Nebenwirkungen wie Herz-Kreislauf-Probleme oder Unfruchtbarkeit.

Bei der «Operation Viribus» haben die Strafverfolgungsbehörden ganz Europas 3,8 Millionen Doping-Präparate und illegal hergestellte Medikamente sichergestellt – ob sich das auf Anzahl Pillen, Packungen oder sonstigen Einheiten handelt, schreibt Europol nicht. 24 Tonnen Steroid-Pulver hat die Polizei zudem gefunden. Neun illegale Labore sind enttarnt worden. Die Razzia hat das Ausmass des illegalen Anabolika-Handels aufgezeigt. Die wichtigsten Fakten zu Doping und Anabolika:

Wann spricht man von Doping?

Unter Doping versteht man die Einnahme und Verabreichung von unerlaubten Substanzen oder die Nutzung von unerlaubten Methoden zur Steigerung oder zum Erhalt von – meist sportlicher – Leistung.

Zu den weltweit am häufigsten gefundenen Dopingsubstanzen gehören Stimulanzien, Cannabinoide und Anabolika. Letztere zählen zu den jederzeit verbotenen Substanzen, sind also im Gegensatz zu anderen Stoffen nicht nur während des Wettkampfs nicht erlaubt, sondern grundsätzlich verboten. Dies, weil bei deren Einnahme nicht nur die Chancengleichheit an Wettkämpfen aufgehoben wird, sondern auch schwere Gesundheitsschäden drohen. Anabolika sind für die Humanmedizin zur Unterstützung des Muskelaufbaus entwickelt worden – werden aber illegal sowohl im Sport sowie in der Viehzucht angewendet.

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Was sind Anabolika? Was bewirken sie?

Anabolika sind Steroidhormone, zu denen auch männlichen Sexualhormone wie etwa Testosteron zählen. Sie haben eine aufbauende, das heisst anabole Wirkung, fördern also das Wachstum von körpereigenen Geweben wie Muskeln.

Zu den Substanzen mit anaboler Wirkung zählen insbesondere folgende:

  • Selektive Androgenrezeptoren-Modulatoren (Sarms)
    Sarms kommen in Arzneimitteln gegen Muskelschwund und andere Muskelerkrankungen vor, sind aber derzeit nicht als Medikamente zugelassen. Auf dem Schwarzmarkt werden sie trotzdem vertrieben.
  • Anabole Steroide
    Sie zählen zu den am häufigsten verwendeten Dopingsubstanzen und kommen vor allem im Fitness- und Breitensport zum Einsatz.
  • Beta-2-Sympathomimetika
    Diese Substanzen werden in der Medizin zum Beispiel bei einer Asthma-Therapie verschrieben. Sie erweitern die Bronchien und haben zum Teil auch anabole Wirkung. Darum werden Beta-2-Sympathomimetika besonders bei Ausdauersportarten als Dopingmittel missbraucht.
  • Wachstumshormone
    Diese körpereigenen Hormone regen die Zellen zu Teilung und Wachstum an, wirken also auch muskelaufbauend.

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Anabolika bewirken eine vermehrte Talgproduktion und führen so zu Akne auf Gesicht und Rücken sowie zu Haarausfall und verstärktem Haarwachstum am Körper. Dies ist aber nur eine von vielen, zum Teil schweren Nebenwirkungen. So schädigen Anabolika das Herz-Kreislauf-System und die Herzmuskelzellen. Dies führt zu Langzeitschäden wie Herzschwäche, Herzerkrankungen oder gar Herzinfarkt. Auch schrumpfende Hoden, Potenzprobleme sowie Unfruchtbarkeit sind mögliche Folgen. Zudem gibt es zahlreiche weitere Nebenwirkungen: Leberschäden, Prostatakrebs, der Verlust von Hirnzellen und die Verkürzung der Wachstumsphase bei Jugendlichen. Da es sich um Hormone handelt, führen diese bei Männern zudem zum Wachstum der männlichen Brustdrüsen, was irreversibel ist, also nicht rückgängig gemacht werden kann. Auch ein Einfluss auf die Psyche in Form von Reizbarkeit und Aggressivität ist festgestellt worden.

Anabolika können zum Tod führen. So verstarb der Bodybuilder Andreas Münzer 1996 an einem Mulitorganversagen. Sein Herz war zur doppelten Grösse angewachsen, seine Hoden jedoch zur Haselnussgrösse geschrumpft.

Wo und wie werden Anabolika hergestellt?

Anabolika werden synthetisch hergestellt und sind ursprünglich als Medikamente gedacht. Diese werden aber nur gegen Rezept abgegeben. Deshalb floriert der illegale Handel. Nimmt man die am Zoll abgefangenen Pakete als Messlatte, sind Anabolika, wie auch Potenzmitteln wie Viagra, eine der am häufigsten illegal importierten Substanzen in der Schweiz. Rund 500 Pakete gehen dem Zoll pro Jahr ins Netz. Anabolika sind relativ einfach herzustellen – laut Europol kann eine Garage leicht zu einem Anabolika-Labor umgebaut werden. Meist würden diese sogenannten Untergrundlabore von der organisierten Kriminalität in Osteuropa oder Asien betrieben und die Ware auf dem Schwarzmarkt sowohl auf der Strasse oder in Fitness-Studios als auch im Internet verkauft.

Weshalb sind Doping-Präparate verboten?

In der Schweiz ist Doping gesetzlich verboten und steht unter Strafe. Der Bund führt eine Liste mit verbotenen Substanzen, welche die im Betäubungsmittelgesetz aufgeführten illegalen Substanzen ergänzt. Darauf landen Mittel, die ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellen.

In der Welt des Sports gelten zudem die Regeln der Sportverbände. Die Liste der verbotenen Substanzen und Methoden wird jährlich von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) publiziert. Eine Substanz wird verboten, wenn sie zwei von drei Kriterien erfüllt: 1. Sie hat das Potenzial, die Leistung zu steigern. 2. Sie stellt ein Gesundheitsrisiko dar. 3. Ihr Verwendung verletzt den Sportgeist gemäss Wada. Die Kriterien und die Liste ziehen regelmässig Kritik auf sich. So ist Alkohol beispielweise nicht verboten. Auch Koffein war einmal verboten – ist heute aber legal.

Interview mit Matthias Kamber

Ex-Direktor Antidoping Schweiz

Im Kampf gegen Doping erreichte Matthias Kamber 30 Jahre lang grosse Erfolge. Von der Politik fühlte sich der ehemalige Direktor von Antidoping Schweiz aber zu wenig unterstützt. Wir haben ihn vor eineinhalb Jahren interviewt.

Wie werden Anabolika nachgewiesen?

Die meisten Doping-Stoffe werden im Köper verarbeitet und als sogenannte Metaboliten, also Umwandlungsprodukte, wieder ausgeschieden. Diese können sowohl im Urin wie auch im Blut nachgewiesen werden.

Viele Anabolika sind im Urin noch leichter zu finden als andere Doping-Substanzen, da der Körper sie nur wenig verändert wieder ausscheidet.

Für die Analyse werden die Wirkstoffe zunächst chemisch isoliert und stabilisiert (damit sie sich zum Beispiel nicht verflüchtigen). Dann werden sie mittels Massenspektrometrie identifiziert. Das Massenspektrum jeder Substanz, also die Massen ihrer Moleküle, sind einzigartig.

Je konzentrierter eine Substanz vorhanden ist, desto einfacher ist der Nachweis. Die Nachweisgrenzen sind je nach Substanz unterschiedlich.

Gibt es Doping-Präparate, die nicht nachgewiesen werden können?

Besonders schwierig ist der Nachweis von Dopingsubstanzen, die in gleicher chemischer Form im Körper produziert werden. Dies gilt für hormonelle Stoffe wie Testosteron, Wachstumshormone oder Epo. Hier haben sich die Labore lange Zeit mit einem Vergleich begnügen müssen. Bei Testosteron zum Beispiel ist dessen Verhältnis zu einem anderen körpereigenen Hormon, dem Epitestosteron, ein Indiz. Ist aussergewöhnlich viel Testosteron im Urin, besteht ein Verdacht. Bloss: das Verhältnis normalisiert sich nur wenige Stunden nach der Einnahme. Seit 1999 lässt sich künstlich hergestelltes Testosteron mittels der Kohlenstoff-Isotopen-Massenspektrometrie bestimmen.

Extrem schwierig ist der Nachweis des Stoffes Erythropoetin (EPO). Der Stoff ist im Urin nur kurzzeitig nachweisbar – was durch Mikrodosierungen noch erschwert wird. Ausserdem werden zunehmend sogenannte «Biosimilars» verwendet, welche dem natürlichen körpereigenen EPO sehr ähnlich sind. Auch andere Dopingmethoden, wie Eigenblutdoping, sind nur sehr aufwendig im Urin oder Blut erkennbar. Hier helfen nur Langzeitstudien, um sogenannte Biologische Pässe anzulegen.

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