Das musst du wissen

  • Der Mond ist für uns eine feste Grösse am Firmament.
  • Wenn es ihn nicht gäbe, wäre auf der Erde vieles anders.
  • Ohne ihn wären auch wir nicht da, sagt ein Astrophysiker.

Wie selbstverständlich blickt der Mond auf uns herab. Mal als Sichel, mal als Scheibe – und selbst als fast unsichtbarer Neumond ist er immer noch da. Aus 384 400 Kilometern Entfernung lenkt er auf der Erde etwa den Wechsel zwischen Ebbe und Flut. Was aber wäre, wenn es den Mond nicht gäbe?

Dieses Gedankenexperiment haben wir mithilfe des Astrophysikers und Mond-Experten Ben Moore von der Universität Zürich durchgespielt. Dabei stellte sich heraus: Ein fehlender Mond hätte fatale Folgen für die Erde.

Ben Moore

Ben Moore ist Professor für Astrophysik und Direktor des Zentrums für Theoretische Astrophysik und Kosmologie an der Universität Zürich. Seine Forschung konzentriert sich auf Kosmologie, Gravitation, Astroteilchenphysik und Planetenbildung. Zudem ist er Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Bücher über den Mond und das Universum. Sein neustes Buch «Mond – Eine Biografie» ist kürzlich bei Kein & Aber erschienen.

Ohne Mond wären die Tage länger.

Statt 24 Stunden könnte ein Erdentag Moore zufolge einen ganzen Monat oder länger dauern. «Wie schnell sich unsere Erde dreht, ist vom Mond eingeführt worden», sagt der Astrophysiker. Denn die Entstehung des Mondes – resultierend aus einer Kollision der Erde mit einem anderen Himmelskörper vor 4,5 Milliarden Jahren – hat die Erdrotation stark beschleunigt. «Ohne diesen wuchtigen Einschlag hätte die Erde heute vermutlich eine langsamere Rotation», sagt Moore.

So entstand unser Mond

Zur Entstehung des Erdtrabanten gibt es verschiedene Theorien. Einer der gängigsten zufolge ist der Erdmond aus einer Kollision vor etwa 4,5 Milliarden Jahren hervorgegangen. Gemäss dieser sogenannten Kollisionstheorie soll die damalige Proto-Erde – der Vorgänger unseres Planeten – mit einem ungefähr marsgrossen Himmelskörper namens Theia zusammengestossen sein. Ein Grossteil der abgeschlagenen Bruchstücke beider Körper sammelte sich danach in einer Umlaufbahn um die Erde. Daraus formte sich nach und nach unser Mond.

Ohne Mond wären Ebbe und Flut weniger wahrnehmbar.

Ohne den Mond würde das Ansteigen und Absinken des Ozeanwassers viel geringer ausfallen, da wir ohne Mond nur die Gezeitenkraft der Sonne hätten. Da die Sonne aber so weit entfernt ist, übt sie trotz ihrer immensen Grösse und Anziehungskraft einen viel geringeren Einfluss auf die Gezeiten auf der Erde aus als der Mond. Laut Moore hatte der Mond früher einen stärkeren Gezeiteneinfluss. «Damals, nach der Entstehung des Mondes, war dieser zehnmal näher an der Erde, und die Gezeitenkräfte waren tausendmal so stark. Durch die Nähe wurde die Erde auch stärker von der Anziehungskraft des Mondes verformt. Diese intensive gravitationale Stauchung der Erde hielt das Erdinnere heiss und feuerflüssig, aber sie führte auch zu riesigen Gezeitenwellen in den Ozeanen.»

So entstehen Ebbe und Flut

Ebbe und Flut wechseln sich in einem regelmässigen Rhythmus ab. Diesen Wechsel nennt man Gezeiten. Zwischen einer Flut und der nächsten liegen 12 Stunden und 25 Minuten. Der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser ist nicht an jeder Küste gleich gross. An der Nordsee werden zwei bis drei Meter gemessen, an der Bay of Fundy in Kanada schwankt der Wasserpegel hingegen um bis zu 21 Meter. Verursacht werden die Gezeiten vor allem durch den Mond. Dabei wirken zwei Kräfte: Die Anziehungskraft, die einen Flutberg auf der dem Mond zugewandten Seite verursacht und die Fliehkraft, die auf der anderen Seite der Erde einen etwa gleichhohen Wasseranstieg hervorruft. Auch die Sonne wirkt auf das Wasser. Das merkt man am besten, wenn Sonne und Mond in einer Linie liegen. Dann steigt die Flut höher, weil sich ihre Anziehungskräfte summieren.

Ohne Mond würde sich das Klima viel häufiger ändern.

«Wenn es den Mond nicht gäbe, hätte die Erde unter dramatischen Eiszeiten und Klimaveränderungen zu leiden – in viel kürzeren Zeitintervallen, als dies in der Geschichte unseres Planeten tatsächlich der Fall war», sagt Moore. In der etwa 4.6 Milliarden Jahre alten Erdgeschichte kam es zu insgesamt fünf Eiszeiten. Das Klima ist aber massgeblich von der Neigung der sogenannten Erdrotationsachse abhängig, und hier kommt der Mond ins Spiel.

Wikimedia Commons/Silver Spoon

Die Achse, um die sich die Erde dreht, ist zu ihrer Umlaufbahn um die Sonne geneigt – das ist der Grund für die Jahreszeiten. Ohne unseren Mond würde diese Rotationsachse etwa einmal pro einer Million Jahren chaotisch hin und her kippen. Die Gravitationskraft des Mondes verhindert dies aber und sorgt seit Milliarden von Jahren für ein stabiles Klima auf der Erde.

NASA images by Reto Stöckli

Ohne Mond würde es auch uns nicht geben.

«Das wäre eine der dramatischsten Konsequenzen für das Leben auf der Erde gewesen», sagt Moore. Denn die instabile Rotationsachse hätte auch fundamentale Auswirkungen auf das Leben auf der Erde gehabt. Unter ständigen Klimaschwankungen zwischen Eis- und Warmzeit hätte sich laut Moore die Evolution komplett anders abgespielt. «Für die Entstehung komplexer Lebensformen braucht es stabile Umweltbedingungen, die über Millionen von Jahren andauern», sagt Moore. Durch das wechselhafte Klima ohne stabilisierenden Mond wären die Lebewesen auf der Erde vermutlich in den Ozeanen gefangen geblieben. «Ohne unseren Mond wäre es für das Leben auf der Erde sehr schwierig gewesen, sich vom Stadium des Einzellers aus weiterzuentwickeln», sagt er. «Sicherlich hätte sich das Leben ganz anders entwickelt, und es ist unklar, ob sich unter diesen Umständen komplexe, mobile Lebensformen wie Menschen überhaupt hätten entwickeln können.»

Diesen Beitrag haben wir ursprünglich für nau.ch geschrieben.
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