Das musst du wissen

  • Long Covid zeigt sich über Symptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen oder Kurzatmigkeit.
  • Langzeitfolgen können bei jedem auftreten, auch bei Personen, die die Infektion asymptomatisch durchgemacht haben.
  • Wie viele der Infizierten betroffen sind, ist noch unklar.
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Nach einer überstandenen Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 fühlen sich längst nicht alle Patientinnen und Patienten wieder gesund. Das Phänomen wird mittlerweile als Long Covid oder auch als Post-Covid-Syndrom bezeichnet. Wer ist betroffen und was weiss die Forschung darüber? Wir beantworten die wichtigsten Fragen über die Langzeitfolgen nach einer Sars-CoV-2-Infektion.

Welche Symptome haben Long-Covid-Patienten?

Die Einschränkungen, von denen Long-Covid-Patienten berichten, können ganz unterschiedlich sein. Eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 kann zum Beispiel die Lungenfunktion noch einige Monate nach der Erkrankung beeinträchtigen, wie eine Studie aus der Schweiz zeigt. Die Betroffenen verspüren als Folge etwa Atemnot bei geringen körperlichen Anstrengungen.

Zudem könnte das Coronavirus das Herz langfristig in Mitleidenschaft ziehen, wie eine Studie an genesenen Patienten zeigt. Mindestens 64 Tage nach der Covid-19-Diagnose, zeigten sich bei sechzig von hundert deutschen Patientinnen und Patienten noch Anomalien am Herzen wie zum Beispiel Herzmuskelentzündungen. Allerdings sind Forschende unsicher, wie häufig solche Herzmuskelentzündungen sind und welche Folgen tatsächlich für das Herz entstehen können.

Auch neurologische Langzeitfolgen können nach einer Covid-19-Erkrankung auftreten. Dazu gehört etwa der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns, der gemäss neuesten Erkenntnissen mehr als fünf Monate anhalten kann.

Und auch die Psyche ist in einigen Fällen langfristig betroffen. Manche Long-Covid-Patienten entwickeln zum Beispiel Depressionen oder Angstzustände, wie eine Studie, in der die Daten von über 62 000 Patienten analysiert wurden, zeigte. Betroffene berichten zudem von Fatigue, einer lähmenden Müdigkeit, die sie nicht zu ihrem ursprünglichen Alltag zurückkehren lässt.

Welche sind die häufigsten Symptome?

Da das Coronavirus noch recht jung ist, gibt es noch nicht viele wissenschaftliche Untersuchungen zu Long Covid. Eine besonders umfangreiche Studie wurde im chinesischen Wuhan durchgeführt. Forschende haben Daten von 1733 Personen ausgewertet, die aufgrund einer Covid-19-Erkrankung im Spital behandelt wurden. Die Wissenschaftler befragten und untersuchten die Teilnehmenden im Zeitraum von sechs Monaten nach der Entlassung aus dem Spital mehrfach. Das Ergebnis: 76 Prozent der Patienten gaben auch nach einem halben Jahr noch an, unter gesundheitlichen Einschränkungen zu leiden. Am häufigsten klagten sie über starke Müdigkeit und Kraftlosigkeit (63 Prozent), Schlafstörungen (26 Prozent), Haarausfall (22 Prozent), Angststörungen oder Depressionen (22 Prozent) und Geruchsstörungen (11 Prozent).

In einer Meta-Analyse, die noch nicht von Fachkollegen überprüft wurde, haben Forschende 15 wissenschaftliche Studien darauf untersucht, welche Langzeitfolgen bei Covid-19-Patienten festgestellt wurden. Insgesamt ermittelten sie 55 Long-Covid-Symptome. Am häufigsten trat Fatigue auf (58 Prozent), gefolgt von Kopfschmerzen (44 Prozent) und Konzentrationsstörungen (27 Prozent). Vertreten waren aber auch Langzeitfolgen wie Hörverlust oder Tinnitus (15 Prozent), Verdauungsprobleme (12 Prozent) oder Diabetes (4 Prozent).

Science-Check ✓

Studie: 6-month consequences of COVID-19 in patients discharged from hospital: a cohort studyKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsForschende haben hospitalisierte Covid-19-Patienten während sechs Monaten nach ihrer Entlassung aus dem Spital beobachtet. Die Probandengruppe ist nicht riesig und sie ist sehr homogen, da es sich rein um Leute aus Wuhan handelt. Die Studienergebnisse können also nicht ohne weiteres verallgemeinert werden, sie müssen von weiteren Studien bestätigt werden. Die Forschenden hatten zudem keine Ausgangsdaten über die Lungenfunktion und die Ausdauer der Patienten vor ihrer Erkrankung. Auch wurden Patienten mit milden Symptomen nicht eingeschlossen.Mehr Infos zu dieser Studie...

Kann Covid-19 das chronische Fatigue-Syndrom auslösen?

Lähmende Müdigkeit ist ein Langzeitsymptom, das Long-Covid-Patienten besonders häufig nennen. Handelt es sich dabei gar um das chronische Fatigue-Syndrom? Betroffene leiden dabei mindestens sechs Monate, oft aber mehrere Jahre oder sogar ihr Leben lang unter ständiger bleierner Müdigkeit und Erschöpfung. Bekannt ist, dass andere Viruserkrankungen wie zum Beispiel Sars das Erschöpfungssyndrom auslösen können. Ob auch Sars-CoV-2 ein chronisches Fatigue-Syndrom verursachen kann, ist noch unklar, da die Beobachtungszeiträume oft noch nicht lang genug sind. Forschende der Charité Berlin haben aber eine erste Preprint-Studie veröffentlicht, die Hinweise darauf gibt, dass Sars-CoV-2 den chronischen Erschöpfungszustand auslösen kann. Die Studie ist allerdings noch nicht von Fachkollegen überprüft worden.

Welche Syndrome werden unter dem Begriff Long Covid zusammengefasst?

Beim Post-Covid-Syndrom kann man verschiedene Syndrome unterscheiden, wie das nationale Institut für Gesundheitsforschung in Grossbritannien schreibt. Dazu gehört neben dem postviralen Fatigue-Syndrom zum Beispiel das Post-Intensivpflege-Syndrom. Viele Covid-19-Patienten, die auf der Intensivstation behandelt wurden, kämpfen nach ihrer Genesung mit gesundheitlichen Problemen. Auch andere Patienten, die aus anderen Gründen als Corona intensivmedizinisch behandelt wurden, fühlen sich oft noch einige Wochen oder Monate nach dem Spitalaufenthalt gesundheitlich eingeschränkt. Das Unispital Basel bietet eine spezielle Sprechstunde für Betroffene an.

Wie lange halten die Long-Covid-Symptome an?

Wie lange Long-Covid-Symptome auftreten können, ist noch unklar. Forschende der Universität Washington haben in einer Studie 177 Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatten, bis zu neun Monate lang beobachtet. Auch in diesem langen Zeitraum traten gesundheitliche Einschränkungen auf.

Wer bekommt das Post-Covid-Syndrom?

Grundsätzlich kann es jede erkrankte Person treffen. Forschende haben in verschiedenen Studien bisher vor allem Langzeitfolgen bei Covid-19-Patienten untersucht, die mittelschwere bis schwere Krankheitsverläufe hatten. Andere Studien haben auch Covid-Patienten eingeschlossen, die milde oder sogar asymptomatische Verläufe hatten. Das Resultat: Auch bei ihnen kann es zu Langzeitfolgen kommen. Eine Studie, die noch nicht peer-reviewed wurde, gibt sogar Hinweise darauf, dass auch Kinder Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion erleben können.

Manche Risikofaktoren scheinen die Langzeitfolgen wahrscheinlicher zu machen. Dazu gehören laut einer Studie des King’s College London, die noch nicht begutachtet wurde, Krankheitsverläufe mit mehr als fünf Symptomen in der ersten Krankheitswoche, Vorerkrankungen wie zum Beispiel Übergewicht und das weibliche Geschlecht.

Grundsätzlich aber ist die Gruppe der Betroffenen sehr heterogen. «Typische Long-Covid-Patienten gibt es nicht», sagt Hans-Werner Duchna, Chefarzt Pneumologie an der Hochgebirgsklinik in Davos im Gespräch. Zu ihm kommen Genesene, die sich auch nach zwei oder drei Monaten noch immer kraftlos fühlen. Duchna behandelt hier sowohl Patientinnen und Patienten, die auf der Intensivstation beatmet wurden, als auch Menschen, die ihre Covid-19-Erkrankung zu Hause auskurieren konnten. «Die meisten meiner Patienten hätten sich nie vorstellen können, dass die Erkrankung bei ihnen solch starke Folgen haben würde», sagt Duchna.

Kann Long Covid diagnostiziert werden, obwohl nie eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde?

Wer sich ohne diagnostizierte Sars-CoV-2-Infektion auf einmal ungewöhnlich ermattet fühlt oder andere Post-Covid-Symptome spürt, könnte womöglich unter Long Covid leiden, ohne die eigentliche Virusinfektion bemerkt zu haben. Das Problem daran: Bei milden oder asymptomatischen Krankheitsverläufen sind Antikörper in manchen Fällen schon kurz nach der Infektion nicht mehr feststellbar. «Die Infektion kann dann nachträglich nicht mehr diagnostiziert werden», sagt Volker Thiel, Professor für Virologie an der Universität Bern. Es sei zwar denkbar, dass Langzeitfolgen auch in solch einem Fall auftreten. Doch der Virologe gibt zu bedenken: «Unter diesen Umständen ist es nicht möglich festzustellen, ob die Person an Long Covid leidet. Denn die Post-Covid-Symptome sind nicht eindeutig genug, um sie zweifelsfrei einer Corona-Infektion zuzuordnen.»

Wie oft tritt Long Covid bei genesenen Patientinnen und Patienten auf?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schreibt, dass eine von zehn Personen nach zwölf Wochen noch gesundheitliche Einschränkungen verspürt. Doch wissenschaftliche Untersuchungen liefern noch keine eindeutigen Ergebnisse.

Studien, die nur oder vor allem in Spitälern behandelte Patienten einschlossen, weisen höhere Long-Covid-Fallzahlen auf als Studien, die auch Patienten mit milden Verläufen einbezogen: Eine umfangreiche Studie aus China mit hospitalisierten Patienten kam zum Ergebnis, dass 76 Prozent der Hospitalisierten Langzeitfolgen entwickeln.

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Milo Puhan, Professor für Epidemiologie und Public Health in Zürich, hat im Rahmen der Zürcher Kohortenstudie auch Personen mit asymptomatischen oder milden Verläufen untersucht. Zwischen Ende Februar und Anfang August 2020 nahmen über 400 Personen aus dem Raum Zürich an der Studie teil, die noch nicht peer-reviewed wurde. Die meisten hatten mittelschwere bis schwere Krankheitsverläufe, zwanzig Prozent der Teilnehmenden wurden aufgrund ihrer Covid-19-Erkrankung im Spital behandelt und 16 Prozent hatten leichte Symptome. Das Ergebnis: Nach rund sechs Monaten hatten 26 Prozent der Teilnehmenden ihren normalen Gesundheitszustand noch nicht wieder erreicht.

Wieder anders sehen die Ergebnisse der britischen Covid Symptom Study aus, die noch nicht von Experten überprüft wurde. Über eine App sammeln Forschende der britischen Gesundheitsbehörden laufend Daten von rund vier Millionen Personen, die sich infiziert haben. Die Forschenden haben bisher die Angaben von über 4000 Nutzerinnen und Nutzern ausgewertet. Resultat: 2,3 Prozent von ihnen fühlten sich zwölf Wochen nach der Infektion noch immer gesundheitlich eingeschränkt.

Lassen sich die Langzeitfolgen therapieren?

Die Hochgebirgsklinik Davos hat ein spezielles Post-Covid-Rehabilitationsprogramm entwickelt, bei dem alle Long Covid-Patienten zunächst die drei Stationen Pneumologie, Kardiologie und Psychosomatik durchlaufen, bevor sie ein individuelles Programm erhalten.
Um die körperliche Fitness wiederzuerlangen, trainieren die Betroffenen ihre Muskeln im Kraftraum und ihre Ausdauer auf dem Velo. Physiotherapie und Massagen sollen helfen, die Atmung zu verbessern. In der Abteilung Psychosomatik finden Betroffene Hilfe, die zum Beispiel unter Depressionen und Angstzuständen leiden. Das geschieht unter anderem mit Hilfe von Gesprächstherapien. Hier wird auch starke Erschöpfung oder Müdigkeit behandelt, die sich nicht auf körperliche Folgeschäden zurückführen lässt.

«Unser Ziel ist, dass die Patienten zu Hause wieder allein für sich sorgen können und arbeitsfähig werden», sagt Hans-Werner Duchna, Chefarzt Pneumologie an der Hochgebirgsklinik Davos und fügt hinzu: «Am Ende der Behandlung verbessert sich der Zustand all unserer Patienten. Aber viele haben bei der Entlassung noch Defizite. Ich bin mir nicht sicher, ob sie diese Einschränkungen ganz überwinden können.»

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