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Gegen 100 000 Menschen waren am Wochenende in Bern an der Klimademo.
In vielen Städten rund um den Globus sah es ähnlich aus. Millionen haben protestiert für griffige Massnahmen zum Schutz des Klimas.
Zu verdanken ist das in erster Linie Greta Thunberg. Die junge Schwedin mobilisiert – und sie polarisiert. Bei nicht wenigen löst sie regelrechte Hass-Attacken aus.
So braucht der Zürcher Kantonsrat Claudio Schmid das Wort «Greta» als Synonym für Psychiatrie-Patienten.
Übrigens
Im Nachbardorf #Embrach laufen auch ganz viele #Greta|s herum. Alle werden von Pflegerinnen und Pflegern betreut. Diese Klinik ging kürzlich in die Integrierte Psychiatrie Winterthur (#ipw) auf. Als Kinder riefen wir jeweils: Achtung: S'gääle Wägeli chunt dii go holä!
— Claudio Schmid (@schmid_claudio) September 26, 2019
Der St. Galler SVP-Nationalrat und -Ständeratskandidat Roland Rino Büchel nennt Greta eine «Marionette». Die NZZ warnt davor, dass Greta die Jugend radikalisiere.
Warum so viel Kritik, Häme und Hass gegen die Klimaaktivistin? Warum wird immer ihr Alter betont, ihre Zöpfe, ihre Körpergrösse, ihr Asperger?
Oder anders gefragt, warum ist nicht in jedem Pressebericht das Alter von Donald Trump genannt, um zu suggerieren, er sei nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte? Warum wird nicht in jedem Bericht seine Haarspray-Frisur erwähnt, nur um anzutönen, dass er irgendwie schräg sein könnte? Und warum nennt man SVP-Präsident Albert Rösti nicht eine Marionette? Er macht Klimapolitik und ist Präsident von Swissoil. Das ist die Lobbyorganisation, die ein handfestes Interesse daran hat, dass wir weiter Erdöl verbrauchen.
Die Antwort bei Greta ist einfach. Man drischt auf Äusserlichkeiten ein, um sich nicht mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen.
Denn Greta hat in der Sache recht. Dabei sagt sie ja gar nichts Neues. Ganz unbescheiden kann ich ein Buch nennen, das ich vor 27 Jahren publiziert habe. Da stand genau dasselbe drin: Besteuerung von Flugbenzin, Abkehr von Kohlekraftwerken, Ausbau von erneuerbaren Energien. Okay: Glogger ist nicht Greta. Aber auch der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore hat es versucht mit zwei aufwühlenden Filmen. Einer davon wurde mit einem Oscar ausgezeichnet. Aber er hat keine Massenmobilisierung hingekriegt. Greta schafft das.
Immerhin anerkennt mittlerweile auch die NZZ, dass die Klimapolitik nur sehr zögerlich vorwärts ging. Ermahnt aber gleichzeitig die Eltern der bewegten Klimajugendlichen, man solle den Kindern klarmachen, dass es nicht so schnell gehe. Mit Verlaub: Diese Eltern waren selbst noch Teenager, als die ersten Warnungen vor dem Klimawandel laut wurden. Und die Politiker, die heute finden, so schnell könne die Energiewende dann doch nicht gehen, waren damals noch Jungspunde, hätten also die Kraft gehabt, etwas zu verändern.
Wer Gretas Zöpfe kritisiert, zeigt damit vor allem eines: dass er es 30 Jahre lang verpasst hat, alte Zöpfe abzuschneiden.
Der Faktist
