Der Dodo gilt als trauriges Paradebeispiel für eine vom Menschen ausgerottete Tierart. Weltweit gibt es kein komplett erhaltenes Skelett des einst auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean beheimateten flugunfähigen Vogels. Umso bedeutender sind die Dodo-Überreste im Besitz des Naturhistorischen Museums Oxford. Vorhanden sind nur ein Kopf und ein Fuss. Dennoch ist der «Oxford-Dodo» das am besten erhaltene Exemplar des ausgestorbenen Vogels, denn es ist weltweit das einzige mit Geweberesten und DNA-Spuren. Diese halfen beispielsweise dabei, die in Südostasien heimische Kragentaube als nächsten lebenden Verwandten des Dodos zu bestimmen.

Der Dodo, auch Dronte genannt, war ein etwa ein Meter grosser flugunfähiger Vogel. Forscher gehen davon aus, dass er gegen Ende des 17. Jahrhunderts ausstarb – nur wenige Jahrzehnte nach seiner Entdeckung durch niederländische Seefahrer. Zum Verhängnis wurden den Taubenvögeln eingeschleppte Tierarten, die ihre Gelege zerstörten. Ursprünglich hatten sie auf der Insel keine Fressfeinde und somit auch keinen Fluchtinstinkt. Ihre Flugunfähigkeit tat ihr Übriges und machte die Vögel zu leichter Beute für den Menschen. Die Ausrottung des Dodos wurde lange Zeit kaum beachtet. Erst als ihn Lewis Carroll im Jahr 1865 – wohl durch den Oxford-Dodo inspiriert – in seinem Kinderbuch «Alice im Wunderland» erwähnte, wurde ein breiteres Publikum auf den seltsam anmutenden Vogel aufmerksam.
Der Dodo-Schädel wird durchleuchtet, in einem Computertomografen an der Universität Warwick. Oxford Museum of Natural History

Der Dodo-Schädel wird durchleuchtet, in einem Computertomografen an der Universität Warwick.

Die Geschichte des Oxford-Dodo schien lange Zeit klar: Er wurde um 1638 von seiner Heimatinsel Mauritius im Indischen Ozean nach London gebracht und als lebendiges Museumsexponat und Geldquelle gehalten, bis er im Jahr 1656 eines natürlichen Todes starb. Auch die spätere Übergabe der sterblichen Überreste an den Oxforder Regierungsbeamten Elias Ashmole ist dokumentiert. Doch neueste Untersuchungen offenbaren nun eine völlig andere Version zum Ableben des Vogels: Der Dodo wurde erschossen. Das berichten Forschende der University of Warwick. Mit einer Analyse der Überreste im Computertomografen wollten sie neue Hinweise auf Anatomie und Lebensweise des Vogels finden und entdeckten dabei zu ihrer Überraschung kleinste Schrotreste in den Knochen.

«Das zeigt, dass der Dodo definitiv nicht eines natürlichen Todes gestorben ist», sagt Untersuchungsleiter Mark Williams. Vielmehr sei der Vogel durch Schüsse in den Hinterkopf und Hals zu Tode gekommen. Die Schädelknochen des Dodos waren zwar so dick, dass die Bleimunition nicht ins Gehirn eindringen konnte. «Trotzdem gehen wir davon aus, dass der Schuss sofort tödlich war», sagt Williams, «da mehr als 20 Schrotkugeln gleichzeitig den Kopf des Vogels getroffen haben.»

Der Fall wird noch rätselhafter

Der Schädel des «Oxford-Dodo»: Im Hinterkopf fanden sich Schrotreste. Oxford Museum of Natural History

Der Schädel des «Oxford-Dodo»: Im Hinterkopf fanden sich Schrotreste.

Mit der Klärung der Todesursache werde die Geschichte des Dodos allerdings noch mysteriöser als zuvor, sagt Paul Smith, Direktor des Naturhistorischen Museums Oxford. Wenn es sich um denselben Vogel handelt, von dem 1638 in London berichtet wurde, warum sollte jemand diesen Dodo erschiessen? Falls er wiederum schon auf Mauritius geschossen wurde, stellt sich die Frage, wie er ohne die heute gängigen Konservierungsmethoden mitsamt erhaltenen Weichteilen nach London gebracht werden konnte. Denn Federn und Haut waren noch intakt. Eine Analyse der Munition soll nun diese Frage klären, sagt Mark Williams. «Wir wollen die Isotope des verwendeten Bleis entschlüsseln, um herauszufinden, wo es abgebaut wurde.» Das könnte dann darauf hinweisen, wer den Dodo auf dem Gewissen hat.

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