Es ist eine bekannte Tatsache: Die Welt hat ein Plastikproblem. Im Pazifik, zwischen Kalifornien und Hawaii, schwimmt eine Plastikinsel, die grösser ist als Deutschland, Österreich, Frankreich und Spanien zusammen.
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Der erste vollsynthetische Kunststoff entstand am Anfang des 20. Jahrhunderts und gilt bis heute als Wundermittel. Er ist nicht nur leicht, sondern lässt sich auch gut formen, leitet nicht und ist daher vielseitig einsetzbar. Zudem ist es ein sehr beständiges Material. Doch dieser Vorteil ist zugleich auch ein gewichtiger Nachteil, denn auf natürliche Weise zersetzt sich Plastik kaum. Über mehrere hundert Jahre wird er immer kleiner, bis er zum biologisch nicht weiter zersetzbaren Mikroplastik wird, des sich in den Ökosystemen ansammelt. Ausserdem wird er aus Erdöl gewonnen, das zwar heute noch verfügbar ist, in absehbarer Zukunft allerdings knapp werden wird. Das sind die Gründe, die für ein effizientes Plastikrecycling sprechen.
Was aus altem Plastik entstehen kann
Vorstellungen davon, wie sich gebrauchter Plastik sinnvoll einsetzen lässt, gibt es länderübergreifend genug. In Zwolle, den Niederlanden, besteht ein 30 Meter langer Radweg aus recyceltem Plastik. Die Erfinder der Plastikstrasse wollten damit gleich zwei Umweltproblemen die Stirn bieten: Einerseits der Plastikentsorgung und andererseits der CO₂-emittierenden Asphaltproduktion.
Verschiedene grosse und kleine Modehäuser werben mit Kleidung aus recycelten PET-Flaschen. Aus gebrauchtem PET stellen sie Polyesterfasern her. Das kann entweder chemisch oder mechanisch geschehen. Die Flaschen werden zu Flocken zerkleinert, gereinigt, getrocknet und anschliessend geschmolzen und zu Garn gesponnen.
Auch die spanische Firma Ecoalf mischt auf dem Markt der nachhaltigen Mode mit. Aus Fischernetzen und Getränkeflaschen, die als Abfall im Ozean treiben, produziert sie Polymergarn und aus diesem wiederum T-Shirts, Schuhe, Rucksäcke und Acceçoires. Was einfach klingt, ist in Realität aber schwierig: Mehrere Jahre verweilt der Plastik unter Umständen im Meer, bevor er herausgefischt wird. Wasser, Salz und Sand greifen ihn während dieser Zeit permanent an, wodurch die Qualität sinkt. Das Resultat: Garn aus zerstörtem Plastik ist instabil. Um dieses Problem zu umgehen, wird der gesammelte Plastik sortiert, gelagert, in Flocken und Pellets verwandelt, gereinigt und gesponnen. Ein Prozess, der bis zu einem Jahr dauern kann.
Das Recycling spart, je nach Art der Verarbeitung, 40 bis 85 Prozent nicht-erneuerbare Energie. Garn aus recyceltem PET trägt zudem 25 bis 75 Prozent weniger zur Erderwärmung bei als neu hergestelltes Polyestergarn. Wie stark die Umwelt allerdings tatsächlich profitiert, ist umstritten. Denn die Herstellung von Polyestergarn ist immer noch energieaufwändiger als die Produktion von Hanf, Wolle oder Baumwolle. Zudem erfordert die Bearbeitung von recyceltem PET oft ebenfalls Energie, Wasser und Chemikalien, so zum Beispiel das Färben des Garns. Und auch beim Waschen von Polyesterkleidung aus recyceltem PET gelangen Hunderttausende Plastikmikrofasern mit dem Abwasser in die Umwelt.
Trotzdem sammeln wir Verpackungsplastik nicht
Geht es um PET- und Kunststoff-Flaschen, ist die Schweiz ein Musterschüler: 80 Prozent werden hier rezykliert. Doch: PET macht nur etwa einen Viertel des gesamten inländischen Plastikabfalls aus. Einen gelben Sack wie in Deutschland, in dem Verpackungsplastik in jedem Haushalt separat entsorgt wird, kennen wir hier nicht. Die Schweiz hat dabei offiziell schlechtere Recyclingraten als zum Beispiel Italien oder Spanien. In einigen Kantonen bietenprivate Unternehmen eine solche separate Sammlung an. Die heutige Situation zeigt aber, dass nur rund die Hälfte der gesammelten Kunststoffe stofflich auch tatsächlich verwertet werden kann. Die andere Hälfte landet in Zementwerken oder Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA), wo sie verbrannt und so energetisch verwertet wird. In Deutschland ist das übrigens nicht anders: Die offiziellen Recyclingquoten lagen im Jahr 2016 bei 45 Prozent. Diese Zahl aber entspricht nur der Menge an Plastik, die beim Recyclingunternehmen eintrifft. Ob dieser Plastik dann auch tatsächlich vollständig recycelt wird, spielt bei der Berechnung keine Rolle. Laut einer Studie des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Heinrich-Böll-Stiftung entspricht die wahre Recyclingrate etwa 15,6 Prozent. In einer Studie der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) wurde von 2015 bis 2017 getestet, wie gross das Potential für einen gelben Sack in der Schweiz ist. Fazit: Eine Recyclingquote von 70 Prozent, wie sie das Bundesamt für Umwelt vorgibt, erreichen die erfassten Plastikrecyclingquoten nicht. Die durchschnittliche Recyclingquote lag bei 47 Prozent. Die Wertstoffanteile lassen eine Umsetzung dieses Ziels aber grundsätzlich zu. Das Sammelmaterial bestand zu 77 Prozent aus Wertstoffen und zu 23 Prozent aus nicht verwertbaren Stoffen wie Flüssigkeiten oder Etiketten. Bei einem Wertstoffanteil von 77 Prozent wurden somit 61 Prozent der im Sammelmaterial enthaltenen Wertstoffe zurückgewonnen. 75 Prozent des gesamten Plastikmaterials, das sich im Umlauf befindet, liesse sich technisch rezyklieren. Doch das Bundesamt für Umwelt ist vom Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht überzeugt.
Das liegt daran, dass es «den» Plastik nicht gibt. Zu den Kunststoffen zählen verschiedenste Materialien, was eine Rückgewinnung der reinen Ausgangsstoffe erschwert. Salatschalen oder Fleisch- und Käseverpackungen sind oft aus Verbundverpackungen, eben einem Gemisch unterschiedlicher Kunststoffe. Ein Umweg über energieaufwändige Abfalltrennungsanlagen, an dessen Ende für einen grossen Teil des Materials doch wieder die Kehrichtverbrennungsanlage steht, lohnt sich finanziell und ökologisch nicht. Zu diesem Schluss kam 2017 eine Studie, die vom Bund und verschiedenen Kantonen in Auftrag gegeben wurde. Der Nutzen für die Umwelt sei etwa gleich gross, wie wenn eine Einzelperson im Jahr 30 Kilometer weniger Auto fahren würde oder ein Steak weniger ässe, schreiben die Forschenden darin. Das Recycling von Kunststoffen sei nur marginal besser, als deren Verbrennung in einer Kehrichtverbrennungsanlage. Dieser ökologische Nutzen würde aber mit sehr viel Geld erkauft und dieses Geld wäre an anderer Stelle im Umweltbereich mit etwa zehnmal höherem Nutzen besser eingesetzt, so die Studie.
Das heisst, der Plastik, den wir in den Abfall werfen, belastet unweigerlich die Umwelt. Da hilft am ehesten: kompostierbares Einweggeschirr – oder das eigene Znüniböxli.
Dieser Artikel wurde aufgrund einer Leserrückmeldung nachträglich ergänzt.