Das musst du wissen

  • Elektronische Geräte werden heute kaum noch repariert, denn Ersatzteile sind nicht verfügbar und die Reparatur zu teuer.
  • Auch sind ihre Bauteile so massgeschneidert, dass manchmal die Zuverlässigkeit leidet.
  • Hauptgrund dafür ist der Kostendruck und der rasante technische Wandel, der immer neue Herausforderungen stellt.

Brauchst du auch bald wieder ein neues Smartphone? Oder einen neuen Laptop? Oder einen neuen Drucker? Ärgern sich deine Eltern, weil ihr Radio seit den 60er Jahren «tipptopp» funktioniert – aber mit der Umstellung auf digitales Radio bald unbrauchbar werden könnte? Dass Geräte ein geplantes Ablaufdatum haben, ist nicht neu, aber kommt immer häufiger vor. In der Ökonomie nennt sich das «geplante Obsoleszenz»: Hersteller produzieren Gegenstände bewusst so, dass wir etwas bald wieder ersetzen müssen.

Angefangen hat das unter anderem mit Thomas Edison. Denn: Seine Glühbirnen waren so gut, dass sie kaum einmal ersetzt werden mussten. Heisst: Die Glühbirnenhersteller verkauften nichts mehr. Sie sprachen sich deshalb ab, bildeten also ein Kartell, und machten die Produkte weniger langlebig. Statt 2500 Stunden hielten die Glühbirnen nun also 1000 Stunden. Brannte eine Lampe drei Stunden am Tag, hielt sie also ein Jahr. Heutige LED-Lampen geben nach Angaben der Hersteller erst nach ungefähr 15 Jahren den Geist auf.

Nicht reparierbar

Der Trend geht aber in die andere Richtung. Ob Firmen bewusst ein Ablaufdatum einbauen, ist ungewiss. Während es viel Forschungsliteratur dazu gibt, welche die ökonomischen Vorteile von geplanter Obsoleszenz lobt, lässt sich diese an den Geräten selber schwer beweisen. In wenigen Fällen sind Hersteller aufgeflogen. So musste Apple im Jahr 2017 unter anderen vor einem französischen Gericht erklären, wieso es ältere iPhones durch Updates langsamer machte. Frankreich ist das einzige Land in Europa, das ein Gesetz gegen geplante Obsoleszenz kennt. Das Schweizer Gesetz verlangt, dass Produkte zwei Jahre halten. Über die AGBs kann diese Zeitspanne aber verkürzt werden. Viele Produkte haben nur ein Jahr Garantie.

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«Hinter der oft kurzen Lebensdauer der Produkte steckt selten böser Wille», sagt Peter Jacob, Experte bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. Dort untersucht er Geräte akribisch auf Fehler. Das Problem sei heute, dass Handys oder Fernseher nicht mehr ohne weiteres repariert werden könnten: «Geräte bestehen heute nicht mehr aus Standardteilen, sondern aus Komponenten mit speziell für diese entwickelter Elektronik.» Heute würden die meisten Elektronik-Chips nur für ein ganz bestimmtes Gerät und nur für sehr kurze Zeit produziert. Da die Hersteller alle zwei Jahre eine neue Generation produzierten, seien die Ersatzteile schon nach kurzer Zeit nicht mehr verfügbar. Und selbst wenn: Für einen neuen Fernseher blättert der Kunde heute in einer Spar-Aktion läppische 150 Franken hin. Ein Mechaniker, der repariert, kostet allein für eine Stunde mehr. Früher hingegen war ein Fernseher eine Anschaffung – bis zu zwei Monatslöhne gingen dafür drauf. Die rund 130 Repair-Cafés, die es in der Schweiz gibt, sind da nur ein Tropfen auf den heissen Stein. In diesen kann jeder, der an seinen Geräten hängt, diese mit Hilfe von Fachleuten reparieren – oft sehr günstig.

Schuld daran, dass wir unsere Geräte so schnell wechseln, ist aber auch der rasante technische Fortschritt. «Hardware wird für eine bestimmte Software konstruiert. Wenn dann aber plötzlich eine viel grössere Datenmenge viel schneller fliesst, stösst die alte Hardware schnell an ihre Grenzen», sagt Jacob.

Technik weniger zuverlässig

Natürlich gäbe es Lösungen. Man könnte so bauen, dass sich Komponenten austauschen liessen, es also verbindliche Normen für diese Austauschbarkeit gäbe. Auch ist ein Bedürfnis da, wie Umfragen zeigen. So ergab eine Umfrage in der EU 2014, dass 77 Prozent der EU-Bürger lieber reparieren als neu kaufen würden. Doch: «Der Gesetzgeber verschläft das», sagt Jacob. Ein Beispiel sei die E-Mobilität: Vom Elektroauto bis zum Elektrovelo benutzt jeder Hersteller eigene Batterien, denn das führt zu unfreiwilliger Loyalität. «Es wäre wichtig, die Batterien zu normen, damit wir an der Tankstelle einfach die Batterie wechseln könnten und nur den Strom zahlen», sagt Jacob. Doch davon ist die Branche noch weit entfernt.

Dass Bauteile zudem heute bis ins Detail massgeschneidert werden, hat noch andere Nachteile. «Manche konstruktive Aspekte schränken die Zuverlässigkeit mancher Geräte ein», sagt Jacob. LED-Lampen seien ein Beispiel: Laut Herstellern hätten sie eine Lebensspanne von mindestens 20 000 Stunden. Doch ihre Elektronik muss in die kleinen Fassungen passen. Dies kann bei den sogenannten Kondensatoren zum Problem werden: Selbst bei normalen Schwankungen der Netzspannung können sie leicht kaputt gehen. Dann bleibt die Lampe dunkel, obwohl die LEDs noch in Ordnung wären. Und so kommt es laut Jacob, dass so manch eine LED-Lampe nicht länger als 1000 Stunden brennt.

Wieso tun die Hersteller das? «Bei Millionenstückzahlen zählt jeder Cent», sagt Jacob. Der Preisdruck und der Konkurrenzkampf führen also zu Produkten, die nicht gemacht sind, um ewig zu halten. Der Ladenpreis des Geräts spielt dabei laut Jacob keine Rolle, teure Ware sei meist nicht langlebiger als billigere.

Züge sollten 40 Jahre halten

Für Konsumenten ist das ein Ärgernis. Für andere, die Firmen, den Staat, ist dies ein riesiges Problem. Denn nicht nur Alltagsgeräte werden immer kurzlebiger, sondern auch grosse Maschinen wie Flugzeuge, Züge und Trams. «Die Zürcher Mirage-Trams, die jetzt ausrangiert wurden, hatten eine Lebensdauer von 40 Jahren», sagt Jacob. Das würde nun auch von den neuen erwartet. «Da kommen die Lieferanten langsam an ihre Grenzen, denn die verbaute Elektronik ist schnell veraltet», sagt der Professor. «Es gab Extremfälle, da mussten ganze Cockpits neu konstruiert werden, um ein Tram zu reparieren.» Es gebe mittlerweile Firmen, die nur darauf spezialisiert seien, Ersatzteile über Jahrzehnte zu lagern.

Besserung ist nicht in Sicht. Wenn das Internet der Dinge kommt, wird das Problem noch grösser. Denn wo Software involviert ist, gibt es Updates. Und wo es Updates gibt, ist die Hardware bald Schnee von gestern.

Diesen Beitrag haben wir ursprünglich für nau.ch geschrieben.
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