Das musst du wissen

  • In hungrigem Zustand geben wir uns mit weniger zufrieden – und das nicht nur, wenn es ums Essen geht.
  • Wenn wir Hunger haben, entscheiden wir uns eher für zehn Franken sofort als zwanzig Franken in einer Woche.
  • Das zeigt eine neue Studie, die fünfzig Teilnehmende in sattem und hungrigem Zustand miteinander verglichen hat.

Wenn wir hungrig sind, begnügen wir uns mit weniger Essen, wenn es dafür früher kommt. Dass wir so unseren Hunger kurzfristig stillen ist nichts Neues. Aber dieses Verhalten schwappt auch auf Entscheidungen über, die unabhängig vom Hunger sind: Auch wenn es um Geld oder Musik-Downloads geht, geben sich Hungrige mit weniger zufrieden. Das zeigt eine Studie der britischen Universität Dundee, die im Fachmagazin Psychonomic Bulletin & Review veröffentlicht worden ist. Die Studie ergänzt ein Phänomen, das im Internet für Unterhaltung sorgt.

Science-Check ✓

Studie: Hunger increases delay discounting of food and non-food rewardsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie bestätigt bestehende Erkenntnisse und Studien, die zeigen, dass Hunger das Verhalten des Menschen auf verschiedene Weisen beeinflusst.Mehr Infos zu dieser Studie...

Auf Youtube ist er ein Klassiker: der Marshmallow-Test. Die Kinder erhalten ein Marshmallow und werden eine Weile alleine gelassen, mit dem Versprechen, dass sie noch ein zweites Marshmallow bekommen, wenn sie das vor ihnen liegende nicht essen.

Der Marshmallow-Test: Bei Vierjährigen sieht der innere Kampf um den Wert von Marshmallows erstmal süss aus.

Die meisten der Kinder kämpfen mit sich selbst, denn einerseits wollen sie sich das Marshmallow in den Mund stopfen, andererseits wollen sie ein zweites Marshmallow. Was süss und unterhaltsam zu sehen ist, greift ein psychologisches Phänomen auf: Die Kinder, die das Marshmallow sofort verschlingen, verzichten bewusst auf ein Zweites. Denn die unverzügliche Befriedigung ist ihnen mehr wert als das zweite Marshmallow, das sie nie bekommen werden. Der Fachbegriff hierfür heisst Delay Discounting. Für den Belohnten sinkt der Wert einer Belohnung, je weiter sie in der Zukunft liegt. Im Beispiel mit den Kindern sind die zwei Marshmallows schon nach ein paar Minuten weniger wert als das eine Marshmallow sofort.

Graph, der das Phänomen des Delay Discounting anhand von 100 Dollar darstellt. Eisenberg et al./Wikimedia

Das Phänomen des Delay Discounting lässt sich auch bei Erwachsenen beobachten. 100 Dollar auf der Stelle wollen alle sofort. Anders schaut es aus, wenn man einige Wochen auf das Geld warten soll.

Wie die neue Studie jetzt zeigt, geben wir uns im hungrigen Zustand nicht nur beim Essen mit weniger zufrieden, sondern allgemein. Bei fünfzig Probandinnen und Probanden haben die Forschenden zwei Testreihen durchgeführt: Einmal mit vollem Magen und einmal nach zehnstündigem Fasten. Die Studienteilnehmenden mussten jeweils entscheiden, ob sie lieber zehn britische Pfund sofort oder zwanzig in zwei Tagen hätten. Auch für Esswaren und Musik-Downloads wurden solche Fragen gestellt. Und es zeigte sich: Die Teilnehmenden, die gefastet hatten, wollten Geld oder Downloads sofort, auch wenn sie deswegen weniger bekamen. Diese planten langfristiger und entschieden sich dementsprechend öfter für mehr Geld oder Musik. Dafür waren sie auch bereit, zu warten. Dasselbe Muster zog sich durch die Fragen über Geld, Essen und Musik-Downloads, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Es handelte sich übrigens nur um hypothetische Entscheidungen, die Teilnehmenden erhielten nichts.

Entscheidungen zu fällen, wenn man hungrig ist, scheint also nicht die beste Idee zu sein. Vor allem dann, wenn aus der kurzfristigen Befriedigung langfristig ein Nachteil entsteht. Also: vor der Lohnverhandlung oder dem Verkaufsgespräch darauf achten, dass der Magen voll oder zumindest nicht leer ist.

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende