Sand, Kalk und Natriumkarbonat, oft Soda genannt – das sind die grundlegenden Zutaten, um Glas herzustellen. Keine dieser natürlichen Ressourcen scheint auf den ersten Blick problematisch zu sein. Denn Sand und Mineralien gibt es, nun ja, wie Sand am Meer eben. Doch die Lage ist kompliziert. Tatsächlich ist Sand laut Schätzungen der Uno eine der meistgebrauchten Ressourcen. 50 Milliarden Tonnen Sand werden weltweit jedes Jahr benötigt. Der Löwenanteil des abgebauten Sandes wird zu Beton verarbeitet.

Der Sandabbau ist in den letzten Jahren in Verruf geraten. Von «Sand-Kriegen» war sogar die Rede. Denn Wüstensand, der in rauen Mengen vorhanden ist, eignet sich für die meisten Anwendungen im Bau nicht, weil seine Körner zu fein und glatt sind. So wird das wertvolle Gut von Flussbetten, Stränden und Ozeanböden abgegraben, teils mit schweren Folgen für die Ökosysteme.

Vom Sandkorn zur Flasche

Um Glas herzustellen, braucht es einen bestimmten Sand: Quarzsand. Dieser ist in der Natur sehr häufig – auch in der Schweiz. Sand und Kies gehören tatsächlich zu den wenigen Rohstoffen, die hierzulande reichlich vorkommen. Die Gruben befinden sich hauptsächlich im Mittelland und im Kanton Schaffhausen, wo das Material durch die nacheiszeitlichen Flüsse als 20 bis 30 Meter hohe Schicht abgelagert wurde. In der Innerschweiz wird es vor allem aus Flüssen und Seen gewonnen, zum Beispiel durch die Sand + Kies AG Luzern am Vierwaldstättersee. Beides zusammen genügt, um den Grossteil des hiesigen Sandbedarfs zu decken.

Laut dem europäischen Verband der Glasverpackungshersteller wird allerdings nur etwa ein Prozent allen Sandes, der insgesamt jährlich gewonnen wird, zu Verpackungsglas. Glas hat nämlich einen entscheidenden Vorteil: Es kann theoretisch endlos recyclet werden. Heute besteht eine Glasflasche im Schnitt zur Hälfte aus wiederverwertetem Glas, wie die Hersteller sagen.

Die Schweizerinnen und Schweizer gelten als mustergültige Glasrecycler: Über 90 Prozent des jährlich in Umlauf gebrachten Verpackungsglases findet seinen Weg zurück zu den Glasproduzenten. So sammelfreudig wir hier aber auch sind, einiges gehört nicht ins Altglas: Fensterglas und Spiegel müssen zur Schuttmulde gebracht werden. Sie haben eine andere chemische Zusammensetzung und höhere Schmelztemperaturen als Verpackungsglas und können deshalb nicht mit ihm verarbeitet werden. Auch Keramik schmilzt erst bei höheren Temperaturen. Trinkgläser und Blumenvasen enthalten oft Blei, das in Verpackungen aus gesundheitlichen Gründen nur in winzigen Mengen vorkommen darf. Ebenso wenig gehören Energiesparlampen und Glühbirnen ins Altglas.

Der inländische Glasverpackungshersteller Vetropack verwendet nach eigenen Angaben 55 bis 80 Prozent Altglas. Und spart dabei nicht nur natürliches Ausgangsmaterial, sondern auch Energie, da dieses bei geringeren Temperaturen zu schmelzen beginnt. Denn die Energie wird bei der Glasherstellung vor allem benötigt, um den Ofen aufzuheizen. Die neuen Rohstoffe – Quarzsand und die Mineralien Soda, Kalk, Dolomit und Feldspat – schmelzen erst bei fast 1600 Grad Celsius. Die Schmelztemperatur sinkt, wenn den Rohstoffen Glasscherben zugesetzt werden, und mit ihr der Energiebedarf. Die Masse lässt sich anschliessend mit Druckluft in jede beliebige Form bringen, zum Beispiel wieder in die einer Flasche.

Weniger Energie verbrauchen Mehrwegflaschen mit Pfand. Sie müssen nicht zerkleinert und geschmolzen, sondern lediglich zum Waschen zum Getränkehersteller zurückgebracht werden, damit aus ihnen wieder brauchbare Verpackungen werden. Bis zu 80 mal kann sie der Produzent wieder auffüllen. Im Gegensatz zu unserem grossen nördlichen Nachbarn gibt es in der Schweiz allerdings wenige Flaschen mit Depot. Nur 15 Prozent der Bierflaschen können gegen Erlös zum Hersteller zurückgebracht werden, in Deutschland sind es 80 Prozent.

Von der Flasche zurück zum Sandkorn

Doch nicht alles, was gesammelt wird, kann auch wiederverwertet werden. Rund ein Viertel des Altglases, das im Glascontainer landet, wird nicht recyclet und landet auf Mülldeponien. In anderen Ländern ist dieser Anteil noch wesentlich grösser. Die Ressourcen gehen verloren, obwohl sie theoretisch weiter genutzt werden könnten – wenn auch in anderen Industrien. Technisch ist die Umwandlung von Glas zu Sand für die Beton- und Asphaltproduktion machbar. Eine neuseeländische Brauerei hat gar eine Maschine entwickelt, mit der eine Bierflasche in wenigen Sekunden zu 200 Gramm Sand wird. Doch die Methode ist noch zu teuer im Vergleich zum herkömmlichen Abbau von Sand. Wenn die Kosten allerdings sinken, könnte sich Altglas als Sandquelle etablieren.

Was also tun mit dem Altglas, das nicht wieder zur Flasche wird und auch noch nicht für Beton geeignet ist? Zum Beispiel Strände renaturieren. In Florida wurde mit einer Studie geprüft, ob sich Sand aus recyceltem Glas dazu eignet, die erodierten Strände aufzufüllen. Das Ergebnis: Der Glassand hat den Test bestanden und gezeigt, dass Pflanzen auf ihm sogar besser gedeihen als auf natürlichem Sand.

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