Das musst du wissen

  • Klimatische Bedingungen können einen enormen Einfluss auf gesellschaftliche und soziale Gefüge haben.
  • Im Mittelmeerraum war es in den Jahren 43 und 42 v. Chr. sehr kalt und feucht.
  • Das führte zu Hungersnöten und Krankheitswellen in der Römischen Republik und dem Ägypten der Ptolemäer.

Kleopatra stand 31 vor Christus vor einem Scherbenhaufen: Eingesperrt in die königlichen Gemächer des Palastes in Alexandria, ihr römischer Mann Marcus Antonius tot, das Reich der Ptolemäer bereits verloren. Sie wählte den Freitod. Durch den Biss einer Schlange soll sie einer Pharaonin würdig gestorben sein. Und mit ihr das Ptolemäer Reich. Das machte den Weg frei für Kaiser Augustus und das römische Kaiserreich, das für die nächsten 400 Jahre überdauern sollte.

_____________

📬 Das Neuste und Wichtigste aus der Wissenschaft, jeden Dienstag und Donnerstag per E-Mail:
Abonniere hier unseren Newsletter! ✉️

_____________

So beschrieb Plutarch Kleopatras Tod. Dieser steht für einen Zeitenwechsel in der westlichen Zivilisation, der bereits mit dem Ableben Caesars 13 Jahre zuvor begonnen hatte. Gesellschaftliche Unruhen und politische Wechsel führten schliesslich zum Ende der Römischen Republik. Nun zeigen neuste Forschungen: Auch das Klima hat diesen Umbruch stark beeinflusst: Sonnenverdunklungen, Ernteausfälle, Hungersnöte und Krankheitswellen beschleunigten den Wandel.

Nebensonnen und Kälte

Mithilfe neuster Klimamodelle und chemischer Untersuchungen konnten Forschende der Universität Yale zeigen, dass die Jahre 43 und 42 vor Christus durch Vulkanausbrüche einige absonderliche atmosphärische Phänomene zur Folge hatten und zudem besonders kalt und feucht waren. Diese Resultate haben sie im Fachjournal Pnas (Proceedings of the National Academy of Sciences) publiziert.

Science-Check ✓

Studie: Extreme climate after massive eruption of Alaska’s Okmok volcano in 43 BCE and effects on the late Roman Republic and Ptolemaic KingdomKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie klimawissenschaftlichen Daten der Studie sind verlässlich. Die Verbindung zum Untergang der beiden antiken Weltmächte ist allerdings nur eine Vermutung und definitiv führten vor allem andere Prozesse massgeblich dazu. Das Klima der Zeit könnte diese Prozesse aber beschleunigt haben. Es handelt sich nur um eine korrelative Studie, also kann keine eindeutige Ursache-Wirkung-Beziehung bewiesen werden. Mehr Infos zu dieser Studie...

Die besonderen Ereignisse dieser beiden Jahre sind durch Zeugnisse dokumentiert. Der antike Schriftsteller Plutarch schrieb zum Beispiel, dass nach Caesars Tod 43 v. Chr. im Senat die Sonne nicht nur verschleiert und blass war, sondern auch, dass sie so wenig Wärme abgab, dass die Früchte eher schrumpften als reiften. Aus der gleichen Zeit berichtet der Autor Dio Cassius von mehr als einer Sonne am Himmel oder einem Lichtkranz um die Sonne herum. Diese Lichtphänomene sind heute gut als Folge von Vulkanausbrüchen bekannt. Feinste Partikel, sogenannte Aerosole, die durch einen Vulkanausbruch in die Atmosphäre geschleudert werden, verändern die Reflexion und Brechung des Lichts und führen so entweder zu Verdunkelungen oder sogenannten Nebensonnen und Lichtkränzen. Diese Phänomene können durch einen gut dokumentierten Ausbruch des Ätnas 44 v. Chr auf Sizilien erklärt werden, der seine Asche in die Atmosphäre spie.

Es gab aber auch andere Phänomene: zum Beispiel extreme Kaltphasen.
Cicero erwähnte in zwei Briefen den aussergewöhnlich kalten Winter in Rom im Jahr 43 v. Chr. In Ägypten wiederum blieben die Nilfluten aus. Das führte nicht nur dort, sondern als Konsequenz auch in der Römischen Republik zu Ernteausfällen und Hunger. Der Historiker Appian schrieb um 42 v. Chr.: «Rom war durch eine Hungersnot verwüstet.»

Riesiger Vulkanausbruch

Um genauere Informationen über die Temperatur und Feuchtigkeit in der Zeit der Römischen Republik zu erhalten, untersuchten die Forschenden Funde von temperaturempfindlichen Bäumen in Österreich und Skandinavien. Anhand ihrer chemischen Zusammensetzung und dem Aussehen der Jahresringe konnten sie Rückschlüsse auf die klimatischen Verhältnisse ziehen. Ähnlich analysierten sie Mineralablagerungen aus einer Höhle in China.

Das Ergebnis der Untersuchungen: Die Jahre 43 und 42 v. Chr. gehörten zu den kältesten und feuchtesten Jahren der letzten Jahrtausende. Es war im Sommer und Herbst durchschnittlich bis zu 7 Grad kälter als im vorchristlichen Mittelmeerraum üblich. Das anschliessende Jahrzehnt wurde in der nördlichen Hemisphäre eines der kältesten des Jahrtausends. Zudem regnete es im Herbst fast viermal so viel wie sonst. Die kalten Temperaturen und vermehrten Niederschläge führten dazu, dass vor allem kultivierte Pflanzen eingingen und somit Hungersnöte entstanden. Diese förderten nicht nur Krankheiten, sondern auch politische Instabilität.

Diese massiven Effekte sind allerdings nicht mehr durch den Ausbruch des Ätnas zu erklären. Dieser war dafür viel zu klein. Bei Untersuchungen von Eisbohrkernen aus Grönland fanden die Forschenden aber andere vulkanische Niederschläge. Aufgrund der Eisschichten, die jedes Jahr etwas anders sind, konnten sie sehr genau bestimmen, wann diese Niederschläge entstanden sind und auch wann der dazugehörige Vulkan ausbrach. Resultat: die gefundene Asche stammte vom Okmok Vulkan in Alaska. Der Ausbruch dieses Vulkans um 43 v. Chr. war anscheinend einer der heftigsten, der auf der Erde in den letzten 2500 Jahren aufgetreten ist. So stark, dass er sogar am anderen Ende der Welt Auswirkungen hatte – und so die Weltgeschichte mitprägte.

Die negativen Auswirkungen von natürlichen Katastrophen wie Hungersnöten oder Krankheiten auf die politische Stabilität einer Gesellschaft sind aus der Gegenwart bekannt. Wir sehen heute vor allem in Entwicklungsländern, dass der Klimawandel und dessen natürliche Folgen einen erhöhten Druck auf diese Staaten und ihre Institutionen ausübt. Es gibt Konflikte um Ressourcen, Infrastruktur und Machtgefüge. Diese Konflikte werden durch Naturkatastrophen ausgelöst oder verstärkt. Migration und gewaltsame Auseinandersetzungen waren in den letzten Jahrzehnten keine seltenen Folgen von Fluten, Dürren oder Stürmen.

Es liegt nahe, dass solche natürlichen Notsituationen auch in der Antike zu Instabilität führten. Joseph Manning, einer der Autoren der Studie fasst es so zusammen: «Dieser grosse Vulkanausbruch hatte kaskadenartige Auswirkungen auf das Klimasystem und auf die menschlichen Gesellschaften im Mittelmeerraum während einer verwundbaren Zeitspanne.»

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende