«Ich erzähle keine einstudierten Witze», sagt Sonja Heintz. Wieso das relevant ist? Nun: Die Psychologin beschäftigt sich professionell mit Humor. Sie ist Oberassistentin im Bereich Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich – und will dem Humor wissenschaftlich auf die Schliche kommen.

Abschlussarbeiten Wissenschaftsjournalismus


higgs unterstützt Ausbildung. Deshalb bringen wir hier in einer Serie die diesjährigen Abschlussarbeiten des CAS Wissenschaftsjournalismus der Schweizer Journalistenschule MAZ. Hier findest du die Ausschreibung des nächsten Kurses.

Humor ist eng mit unserem Wohlbefinden verknüpft und darum eine zentrale Komponente der positiven Psychologie. Im Gegensatz zur klinischen Psychologie interessiert hier in erster Linie, was einen gesunden Menschen gesund erhält und was ein gutes Leben ausmacht – und nicht, wie einem kranken Menschen geholfen werden kann. Die moderne Humorforschung begann so in den 1970er Jahren.
_____________

📬 Das Neuste und Wichtigste aus der Wissenschaft, jeden Dienstag und Donnerstag per E-Mail:
Abonniere hier unseren Newsletter! ✉️

_____________

Heintz interessiert sich dafür, welche Stile Menschen anwenden, um Humor auszudrücken und welche Funktionen diese Stile erfüllen. Während die eine es eher rauh und kritisch mag, ist der andere darauf bedacht, lustig zu sein, aber niemanden zu verletzen.

Acht verschiedene Humorstile

Die Forscherin kann heute insgesamt acht Stile eindeutig identifizieren. Die erste Beschreibung dieser Stile beruht auf Arbeiten des Literaturwissenschaftlers Wolfgang Schmidt-Hidding in den 1960er Jahren. Dieser untersuchte, auf welche Arten Autoren und Autorinnen Humor in ihren Werken darstellen. Heintz gelang es, mit einer Forschungsgruppe zu allen acht Stilen von Schmidt-Hidding sogenannte Marker zu definieren. Darunter versteht sie Aussagen, welche die verschiedenen Humorstile definieren. Heintz konnte zudem nachweisen, dass die Stile sich tatsächlich voneinander unterscheiden und nicht etwa Teile eines übergeordneten Stils sind.

Heintz unterscheidet grob zwischen bösartigen – Ironie, Satire, Sarkasmus und Zynismus – und liebevollen – wohlwollender Humor, Nonsense, Witz und Spass – Humorstilen. Es fällt auf, dass Humor sowohl ein konkreter Stil als auch der Überbegriff aller Stile ist. Laut Heintz ist dies eine sprachliche Ungenauigkeit: Dort wo die Forschung ihre Wurzeln hat, in der Literaturwissenschaft und im englischsprachigen Raum, ist Komik der Überbegriff für alles Lustige und Humor ist eine Art von Komik. In der Psychologie und im Deutschen spricht man von Humor als Überbegriff.

Für ihre Forschung hat sich Heintz an die historische Terminologie gehalten, findet es aber im Alltag und besonders für Deutschsprachige einfacher die Bezeichnungen «wohlwollender Humor» für den Stil und «Humor» als Überbegriff zu verwenden.

Klicke auf die verschiedenen Stile unten, um mehr darüber zu erfahren und jeweils ein passendes Beispiel zu sehen:

In den Beispielen wird klar: «Die acht Stile, die wir in der Forschung beschreiben, finden sich in der Realität selten isoliert.» Menschen benutzen meist Elemente aus mehreren Stilen und verknüpfen diese, um Humor auszudrücken. Dazu setzen sie auch weitere Methoden wie Aussprache, Musik oder Gestik ein, um die Wirkung zu verstärken. Heintz vermutet, dass es noch mehr Stile gibt, etwa im Bereich Galgenhumor – das ist Gegenstand ihrer aktuellen Forschung und noch liegen keine publizierten Ergebnisse vor.

Mit dem richtigen Humorstil Kritik besser anbringen

Humorforschung und die Kenntnis der Humorstile können uns in unterschiedlichsten Situationen helfen: Humor ist etwa eine wichtige Komponente des Sozialverhaltens. Während liebevolle Humorstile helfen, Beziehungen aufzubauen oder zu erhalten, kann unter anderem Zynismus Personen abschrecken, eine Beziehung verschlechtern oder verhindern, dass sie überhaupt entsteht. Als Vehikel für Kritik eignet sich etwa Satire besonders gut. Durch die humorvolle Verpackung kann die kritisierte Person – oder sogar eine ganze Gruppe von Personen – die Botschaft eher akzeptieren und sie besser aufnehmen.

Genau diese Erkenntnisse können sich auch Humortrainings zunutze machen. Diese verhelfen Einzelpersonen oder Teams Humor im Alltag einzusetzen, für widrige Lebensumstände gewappnet zu sein, den Zusammenhalt zu stärken und insgesamt das Wohlbefinden zu verbessern. «Ich vermute, dass die Trainings noch individueller und effektiver sind, wenn sich verschiedene Humorstile und Präferenzen voneinander abgrenzen lassen», sagt Heintz. Wenn eine Person ihre bevorzugten Stile kennt und weiss, wie diese auf ihre Umgebung wirken, kann sie sie bewusster steuern.

Wie Humorstil und Persönlichkeit zusammenhängen

Nicht nur im Umgang mit anderen ist es interessant, die eigenen Stile zu kennen. Die Präferenzen lassen auch Rückschlüsse auf die eigene Persönlichkeit zu. Dazu bestimmte Heintz die Korrelation der acht Humorstile mit den fünf grossen Persönlichkeitsmerkmalen der Psychologie: Extraversion, Soziale Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität und Offenheit für Erfahrungen. Jedes dieser Merkmale ist bei einem Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Sagen Psychologen von einer Person, dass deren Extraversion stark ausgeprägt sei, meinen sie damit, dass es sich um eine gesellige Person handelt. Wäre die Extraversion schwach ausgeprägt, dann ist die Person eher zurückhaltend.
 

 

Die fünf Persönlichkeitsmerkmale sind bei jedem Menschen verschieden stark ausgeprägt.

Besonders fallen folgende Korrelationen auf: Die Humorstile Sarkasmus und Zynismus gehen mit tiefer sozialer Verträglichkeit und wenig Gewissenhaftigkeit einher. Menschen mit einer Vorliebe für wohlwollenden Humor sind hingegen sozial sehr verträglich. Und statistisch gesehen auch extrovertiert – ebenso solche, die Spass und Witz mögen.

Datawrapper; Frontiers in Psychology - Broadening Humor: Comic Styles Differentially Tap into Temperament, Character, and Ability

Von besonders extrovertiert bis sozial unverträglich – welchen Humorstil man präferiert, sagt statistisch gesehen auch etwas über die eigene Persönlichkeit aus.

Weitere Zusammenhänge entdeckte Heintz zwischen Charakterstärken und Humorstilen. Die Psychologie kennt 24 einzelne Charakterstärken, die sich zu fünf übergeordneten Kategorien zusammenfassen lassen. Dabei handelt es sich um emotionale Stärken, zwischenmenschliche Stärken, Stärken der Mässigung, intellektuelle Stärken und transzendente Stärken.
 

 
Es zeigt sich, dass Menschen, die Sarkasmus und Zynismus schätzen, bei den zwischenmenschlichen Stärken unterdurchschnittlich abschneiden. Und Vorliebe für Spass deutet darauf hin, dass die Stärken der Mässigung wenig ausgeprägt sind. Dafür stechen bei Menschen, die Spass aber auch Witz und wohlwollenden Humor schätzen, die emotionalen Stärken hervor.

Datawrapper; Frontiers in Psychology - Broadening Humor: Comic Styles Differentially Tap into Temperament, Character, and Ability

Leute mit Sinn für Witz sind emotional stark – Humorstile sind mit Charakterstärken verknüpft.

Schliesslich wollte Heintz wissen, ob die Ausprägung eines Humorstils Rückschlüsse auf die Intelligenz der Person zulässt. Und sie erkannte: Eigen- und Fremdeinschätzung klaffen hier auseinander: Personen, die laut Fragebogen in den Humorstilen Witz, Humor, Satire, Ironie und Nonsens hohe Werte erreichten, schätzten auch ihre Intelligenz überdurchschnittlich ein. Tatsächlich messbar war dieser Effekt aber nur in einem Fall: Der Komikstil Witz korreliert schwach mit einer erhöhten verbalen Intelligenz. Nach heutigem Wissen sind Humor und Intelligenz also kaum gekoppelt, auch wenn die Probanden dies im individuellen Fall anders einschätzen.

Neugierig geworden? Finde im Humorstil-Fragebogen von Sonja Heintz heraus, welches dein präferierter Humorstil ist

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende