Das musst du wissen

  • Kurz vor Vollmond gingen Teilnehmer einer neuen Studie später ins Bett und schliefen insgesamt weniger lang.
  • Auch der weibliche Zyklus scheint bei manchen Frauen zumindest zeitweise synchron mit dem Mond zu verlaufen.
  • Keine Beweise gibt es bisher dafür, dass Menschen bei Vollmond aggressiver, gewalttätiger oder depressiver sind.
Den Text vorlesen lassen:

Schon Shakespeares Othello wusste: «Der Mond ist der Erde zu nahegekommen und hat die Menschen in den Wahnsinn getrieben.» Dem volkstümlichen Glauben nach beeinflusst der Mond aber noch viel mehr als nur unsere psychische Gesundheit: Auch gewalttätiges Verhalten, Menstruationszyklen, Verkehrsunfälle und nächtlicher Schlaf sollen unter dem Einfluss des Gestirns stehen. Alles nur Aberglaube? Diese Frage kann die Wissenschaft bisher nicht eindeutig beantworten. Bei zwei Themen häufen sich nun aber die Hinweise, dass der Mond tatsächlich einen Einfluss hat.

Weniger Schlaf vor Vollmond

Amerikanische und argentinische Wissenschaftler haben kürzlich herausgefunden, dass sich der Erdtrabant auf unsere Schlafenszeit und die Dauer unseres nächtlichen Schlafes auswirken könnte. Für ihre Studie, die sie im Fachmagazin Science Advances veröffentlichten, untersuchten sie das Schlafmuster von knapp hundert indigenen Einwohnerinnen und Einwohnern anhand von Schlafsensoren am Handgelenk. Die Probanden stammten aus drei argentinischen Dörfern, wobei es in einem der Dörfer keinen Strom und damit kein künstliches Licht gab und in einem anderen nur wenig. Das dritte Dorf war beleuchtet. Die Ergebnisse zeigen: In den drei bis fünf Tagen vor Vollmond gingen die Probanden im Schnitt eine viertel Stunde später ins Bett und schliefen rund zwanzig Minuten weniger lang. Dieser Effekt zeigte sich in allen drei Dörfern, war in jenem ohne Strom aber am meisten ausgeprägt. Das gleiche Muster fanden die Forschenden auch in Schlafdaten von mehr als 460 Studentinnen und Studenten aus Seattle.

Science-Check ✓

Studie: Moonstruck sleep: Synchronization of human sleep with the moon cycle under field conditionsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie arbeitet mit Schlafdaten, die von Sensoren stammen, was diese verglichen mit Tagebüchern sehr zuverlässig macht. Zudem wurden die Probanden über ein bis zwei Mondphasen beobachtet, womit die Schwankungen in individuellem Schlafverhalten teilweise herausgefiltert werden konnten. Ganz ausschliessen lassen sich andere Einflüsse wie beispielsweise Geräusche aber nicht, da die Probanden zuhause in ihren eigenen Betten und nicht unter kontrollierten Bedingungen in einem Schlaflabor schliefen.Mehr Infos zu dieser Studie...

Wie lässt sich das erklären? An den Abenden vor dem Vollmond, an denen die Teilnehmer am spätesten ins Bett gingen und am wenigsten schliefen, stand nach der Abenddämmerung mehr natürliches Licht zur Verfügung. Je mehr der Mond zunimmt, desto heller wird er. Kurz vor Vollmond geht er zudem in der Regel bereits am späten Nachmittag oder frühen Abend auf, sodass er nach Sonnenuntergang hoch am Himmel steht. Anders beim abnehmenden Mond: Dieser geht erst spät am Abend auf und scheint deshalb erst mitten in der Nacht hell. Daher vermuten die Forschenden, dass das beobachtete Verhaltensmuster der Probanden eine angeborene Anpassung darstellt, die es unseren Vorfahren ermöglichte, diese natürliche Quelle des Abendlichts zu nutzen, wie sie in einer Mitteilung schreiben.

Die gleiche Anpassung beobachteten Schlafforscher der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel in einer Laborstudie bereits 2013: Probanden brauchten an Abenden um Vollmond durchschnittlich fünf Minuten länger zum Einschlafen. Und: Sie schliefen zwanzig Minuten weniger, hatten eine um dreissig Prozent kürzere Tiefschlafphase und weniger Melatonin – also Schlafhormone – im Speichel. Zudem hatten die Probenden selber das Gefühl, sie hätten bei Vollmond schlechter geschlafen, obwohl sie weder wussten, dass Vollmond war – weil sie im Schlaflabor ohne Fenster und Zeitgefühl schliefen – noch, dass die Daten für eine Studie über den Zusammenhang zwischen Schlaf und Mondphasen genutzt wurden. Dies macht die Ergebnisse relativ zuverlässig, obwohl insgesamt lediglich 33 Personen an der Studie teilnahmen. Auch die Basler Forscher vermuten, dass es sich beim beobachteten Mondrhythmus um ein Relikt aus der Vergangenheit handelt, als das menschliche Verhalten noch vom Mond beeinflusst war.

Eindeutig ist die Studienlage punkto Schlafqualität aber nicht. So fanden verschiedene andere Studien aus Deutschland und der Schweiz sowie eine Studie mit Kindern aus über zehn Ländern weltweit keinen Zusammenhang.

Zyklus von Mond und Menstruation vorübergehend synchron

Ungeklärt war bisher auch die Frage, ob die Menstruation im Gleichklang mit dem Mondzyklus verläuft. Einer neuen Studie zufolge lautet die Antwort ja und nein. Das bedeutet: Nicht bei allen Frauen und auch nur für eine gewisse Zeit. Diese Schlussfolgerung zogen die Forschenden aus Menstruationstagebüchern, die 22 Frauen durchschnittlich während 15 Jahren führten – einige sogar über dreissig Jahre lang. Wie sich zeigte, waren die Zyklen in jungen Jahren insgesamt eher synchron zum Mond als im Alter. Bei Nachteulen, die bis spät am Abend im Lampenschein sassen, hatte der Mond keinen Einfluss. Dies deutet darauf hin, dass insbesondere das Mondlicht den Takt angibt. Doch auch die Schwerkraft könnte eine Rolle spielen, wie die Chronobiologen vermuten. Denn, während der Mond die Erde umrundet, ist er nicht immer gleich weit von ihr entfernt, wodurch sich die Anziehungskraft zwischen Erde und Mond verändert. Einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Mond und dem weiblichen Zyklus kann aber auch diese Studie nicht herstellen – bewiesen ist damit also noch nichts.

_____________

📬 Das Neuste und Wichtigste aus der Wissenschaft, jeden Dienstag und Donnerstag per E-Mail:
Abonniere hier unseren Newsletter! ✉️

_____________

Effekt auf unsere Psyche wenig wahrscheinlich

Bisher keine Belege hat man indes dafür gefunden, dass bei Voll- oder Leermond mehr Menschen psychisch erkranken oder häufiger Suizide begangen werden. Auch ein Zusammenhang zwischen dem Mond und schweren Verletzungen durch Unfälle sowie mit dem Auftreten von Verbrechen konnte nicht gezeigt werden.

Doch die Forschung geht weiter. Klar scheint bisher nur: Die Wirkung des Erdtrabanten auf unseren Geist und Körper ist wohl weniger stark als einst angenommen.

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende