Die Automatisierung des schweizerischen Telefonnetzes begann bereits 1917 in Zürich-Hottingen mit der ersten halbautomatischen Zentrale. 1923 folgte in Lausanne die erste vollautomatische Zentrale.

Die Netzautomatisierung der Schweiz hätte innerhalb von 20 Jahren grösstenteils realisiert werden können. Kaum jemand erwartete, dass es dann doch mehr als 30 Jahre dauern würde, bis diese fertiggestellt war.

Das Auswechseln der handbedienten Zentralen gegen automatische Wähler wäre sicher rascher möglich gewesen, doch funktioniert ein automatisches System nur dann zufriedenstellend, wenn die Zentralen durch leistungsfähige und betriebssichere Leitungen vernetzt sind. Das Rückgrat bildet das Fernkabelnetz. Die späte Automation im Unterengadin ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass zuerst die Netzanbindung betriebssicher angelegt werden musste.

Das Netz von Scuol/Schuls

Schuls bekam bereits 1860 Anschluss an das Telegrafennetz und bereits 1894 konnten 17 Abonnenten über eine Handvermittlung das Telefon nutzen. 1911 erfolgte der erste Umbau des Postbüros und eine Erweiterung. Bis 1920 besorgte das Postpersonal beide Dienstzweige. 1921 wurde ein eigenes Telegrafen- und Telefonbüro eröffnet. Die damalige LB-Zentrale wurde 1935 durch eine ZB-Zentrale mit fünf Arbeitsplätzen ersetzt und später noch zweimal erweitert.

Das Netz Scuol vor der Umstellung auf automatischen Betrieb.Technische Mitteilungen PTT 1/1960

Das Netz Scuol vor der Umstellung auf automatischen Betrieb.

Die Netzgruppe Schuls (084) war mit ihren 608 Hauptanschlüssen und mit 1178 Sprechstellen die kleinste der damals 51 Netzgruppen in der Schweiz. Sie umfasste aber ein flächenmässig grösseres Gebiet als einige andere. Die Netzgruppe bediente das Unterengadin von Guarda abwärts mit allen Seitentälern des Inns bis zu den Landesgrenzen nach Österreich (Tirol) und Italien (Etschtal). Zuständig für Bau und Betrieb der Netzgruppe war die Kreistelefondirektion in Chur. Die grossen Entfernungen und die topgrafischen Bedingungen machten die Vernetzung schwierig. Die Distanz zu Chur war mit 80 Kabel- oder 140 Strassenkilometern doch beträchtlich.

Bereits 1934 wurde zwischen St. Moriz und Schuls ein Fernkabel und zwischen Schuls und Ramosch ein Bezirkskabel verlegt. Ardez und Ramosch erhielten schon damals automatische Zentralen, aber nur für den Lokalverkehr. Man hätte auch in Schuls eine automatische Zentrale aufstellen können, einige Gründe führten aber zum Verzicht. Man war der Meinung, die Fortsetzung der Kabelleitung talabwärts zur Landesgrenze könnte bald erfolgen. Der Zweite Weltkrieg und strategisch wichtigere Verlegungen verzögerten das jedoch. Dazu kam noch der Mangel an Blei und Kupfer für die Kabelherstellung. So wurden Kabel zur Mangelware und deren Einsatz musste priorisiert werden. Auch die Angst um den Verlust von Arbeitsplätzen der Telefonistinnen spielte eine Rolle. Nach dem Krieg erforderte die Infrastruktur im Oberengadin mit den olympischen Winterspielen von St. Moritz 1948 einen grossen Aufwand. So blieb das Unterengadin bei den Investitionen zurück.

An das Fernamt Schuls waren drei Endämter angeschlossen. Das eine bediente mit der Zentrale in Ardez die beiden Dörfer westlich von Schuls. Das zweite Endamt in Ramosch die östlichen Dörfer. Das dritte angeschlossene Ortsnetz umfasste die Gemeinde Samnaun mit ihren fünf Weilern. Samnaun erhielt das Telefon erst 1919, also 25 Jahre später als Schuls. Die schwierigen topgrafischen Verhältnisse mit Schluchten und durch Lawinenzüge erschwerten den Leitungsbau nach Samnaun massiv.

LB-Zentrale Compatsch (Samnaun); 1959Museum für Kommunikation

Telefonzentrale Samnaun 1959.

Wählen statt rufen

Der Posthalter von Compatsch und seine Angehörigen bedienten 40 Jahre lang die Zentrale im Samnaun. Obwohl der Aufwand für die 36 Hausanschlüsse unverhältnismässig gross war, wurde das LB-Netz Samnaun am 24. Juni 1959 als vorletztes Netz automatisiert. Eine Hasler Zentrale HS31 übernahm neu die Verbindungen.

Der automatische Verkehr aus den automatischen Netzgruppen nach Scuol war bereits 1945 möglich. In der ZB – Zentrale Scuol erschien die gewünschte Abonnentennummer auf einem Leuchtfeld und die Telefonistin stellte dann ohne Nachfrage durch.

Der Verkehr der Netzgruppe Schuls/Scuol hatte sich seit den 1930-Jahren mehr als verdreifacht.

Mit den geplanten Kraftwerkbauten am Inn wurde eine weitere massive Verkehrszunahme erwartet. Auch der Tourismus verlangte mehr Komfort und dauernde Einsatzbereitschaft der Vermittlung. Es wurde aber zunehmend schwierig, das notwendige Personal zu rekrutieren.

Nachdem schon 16 Jahre immer noch an einem neuen PTT-Betriebsgebäude herumgeplant wurde, konnte nicht mehr auf einen Neubau hingearbeitet werden. Darum wurde eine gebrauchte Automatenausrüstung HS31 im bestehenden Gebäude eingebaut.

Nun war das automatische wählen ab dem 3. Dezember 1959 möglich und die ganze Schweiz war damit automatisch vernetzt.

Gefeiert wurde das Ereignis bereits am Vortag in Bern. Die Generaldirektion der PTT lud die Pioniere des Telefons, Vertreter der Wissenschaft und der Fernmeldeindustrien, die Presse, die internationalen Organisationen und die Nachbarländer, zusammen mit Bundesrat Dr. F.T. Wahlen ein. Der geglückte Abschluss der Automatisierung und der millionste Telefonabonnent wurden gebührend gewürdigt und als internationale Pionierleistung bezeichnet.

Die spätere Zeit

Nach dem Bau des neuen PTT-Betriebsgebäudes von Scuol Anfang der 1960er-Jahre wurde mit einer neuen Zentralenausrüstung HS52 vermittelt. Mit der AXE-Ausrüstung wurde später auf die neue digitale Technik umgerüstet.

Mit dem Einzug der neuen Technologien (Telefon über Internet / All IP) und der damit verbundenen Auflösung der analogen Telefonie, sowie dem starken Anstieg der mobilen Kommunikation, wird es die klassischen Telefonzentralen schon bald nicht mehr geben. Welche wird wohl als letztes stillgelegt?

Dieser Text erschien erstmals im Telephonica-Report, dem Magazin für Mitglieder und Freunde des Telefonmuseums Telephonica in Islikon.
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