Wenn wir von zuhause aus arbeiten, ist es noch schwieriger, gezielt abzuschalten. Weil uns eine räumliche Trennung fehlt, ist jetzt eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Vergnügen umso wichtiger. Ein einfaches Mittel: Gärtnern.
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«Das Gärtnern kann Stress entgegenwirken und Depressionen vermindern», weiss auch Martina Föhn, Gartentherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Grün und Gesundheit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. «Wenn man Pflanzen betrachtet und sich mit ihnen beschäftigt, hat das einen Einfluss auf den Hormonhaushalt, zum Beispiel auf das bekannte Stresshormon Cortisol.» Wenn du also deine Zimmerpflanze umtopfst, tut das nicht nur ihr gut: Eine koreanische Studie zeigte, dass Umtopfen physiologisch und psychologisch gegen Stress hilft: Das vegetative Nervensystem, das bei Stress aktiv wird und den Körper auf eine Flucht vorbereitet, fährt seine Aktivität herunter, ebenso sinkt der Blutdruck. Die Gärtnerin oder der Gärtner fühlt sich angenehm beruhigt.
Beim Arbeiten oder Lernen konzentrieren wir uns mit einer gezielten Aufmerksamkeit. Das ist sehr anstrengend und wir können diese Konzentration nicht unbegrenzt aufrechterhalten. Früher oder später brauchen wir eine Pause. «Wenn man in dieser Pause in die Natur geht, kommt die ungerichtete Aufmerksamkeit zum Zuge. Dabei konzentriert man sich nicht krampfhaft auf etwas, sondern es tritt eine Faszination ein, man erholt sich», führt Föhn weiter aus. Diese Wirkungen haben Psychotherapeuten erkannt und sie in ihre Arbeit integriert: Naturgestützte Therapien wie Wald- oder Gartentherapien sind gefragt.
Therapiestunden im Grünen
Eine typische Gartentherapiestunde gibt es nicht. Der Patient, seine Krankheit und seine Bedürfnisse geben den Rahmen vor. Für einige eignet sich eine aktive Herangehensweise, sie säen, jäten, legen Beete an oder graben sie um. Bei jemanden, der an einem Burnout leidet, ist eher eine passive Therapieform angebracht: Er oder sie soll den Garten erstmal mit allen Sinnen geniessen und so zur Ruhe kommen.
Gartenarbeit eignet sich zum Beispiel für Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS. Diese Kinder brauchen viel Bewegung. Im Garten können sie sich austoben und körperlich werken, dadurch werden sie gelassener. Wenn sich Kinder gemeinsam um Gewächse kümmern, sind sie psychisch stabiler und können sich emotional entwickeln, wie eine experimentelle Studie in Primarschulklassen zeigte. Der Temporallappen, einer der vier Hauptlappen des Gehirns, ist essenziell, wenn es darum geht, Gefühle auszudrücken. Er wird aktiviert, wenn wir Pflanzen betrachten. Das deutet darauf hin, dass Gartenarbeit die emotionale Intelligenz steigert.
Gärtnern verbindet
Bei älteren Menschen kann die Gartenarbeit die physische Gesundheit verbessern. Sie werden kräftiger, flexibler und fitter. Auch die Feinmotorik verbessert sich, denn Gärtnern fördert zum Beispiel die Beweglichkeit in Händen und Fingern. Ausserdem eine willkommene Eigenschaft: Es aktiviert das Kurzzeitgedächtnis und kann dem Abbau von Gedächtnisleistung vorbeugen. Pflanzen pflegen ist also eine Art Gedächtnistraining. Eine gute Nachricht, gerade für Demenz-Patienten oder Menschen, die ein Trauma erlitten haben, was ebenfalls das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigen kann.
Gärtnern entspannt also, hält fit und trainiert das Gedächtnis. Das ist aber noch nicht alles. Die soziale Komponente des Gärtnerns spielt eine ebenso wichtige Rolle. Wenn sich Gärtner in einer Gruppe den Pflanzen widmen, fühlen sie sich weniger einsam und das vermindert eventuelle Depressionen. In gut einem Drittel der Privathaushalte in der Schweiz lebt nur eine Person. Gerade in der Corona-Krise, wo Abstand halten angesagt ist, kann Gärtnern über Balkone hinweg sozialen Austausch schaffen. «Wenn man sich jetzt über den Gartenzaun oder das Balkongeländer mit dem Nachbarn unterhält, über Pflanzen, über Schädlinge, über das Wetter, dann hilft das, die Entsozialisierungsprozesse aufzuheben. Menschen, die den ganzen Tag im Homeoffice arbeiten, profitieren von dieser Gemeinsamkeit, die da entstehen kann», ist Föhn überzeugt. «Das klappt auch von Balkon zu Balkon.»
Eine kühle Oase schaffen
Gerade in der städtischen Umgebung bringt es einen zusätzlichen Vorteil, Pflanzen zu hegen und zu pflegen. Je nach Grösse des Gartens kann dieser nämlich einen mehr oder weniger starken Einfluss auf das örtliche Klima, das Mikroklima, haben.
Pflanzen kühlen ihre Umgebung, weil sie Schatten spenden und weil sie Wasser verdunsten. So fungieren sie nebenbei auch als Luftbefeuchter. In der Regel gilt: Je grösser die Pflanze, desto stärker ihre mikroklimatische Wirkung. Grössere Grünanlagen, wie etwa Stadtpärke, können die Lufttemperatur in ihrem Umland um bis zu 7 Grad Celsius reduzieren, wobei der Effekt stark abhängt von den lokalen Gegebenheiten. Pflanzen sind also nicht nur gegen psychologischen Stress ein effektives Mittel, sondern auch gegen Hitzestress.
Du siehst: Nun bietet sich dir eine gute Gelegenheit, deinen grünen Daumen auszuleben. Die Gartencenter sind ja zum Glück wieder geöffnet.