Das musst du wissen

  • Aerosole sind kleinste Tröpfchen, die wir ausstossen und die in geschlossenen Räumen rund 15 Minuten schweben bleiben.
  • Jede Stunde oder sogar jede halbe Stunde zu lüften, ist deshalb in Pandemie-Zeiten zentral.
  • Luftreiniger sind nur bedingt eine Lösung, da sie nur an Ort und Stelle wirken und so nicht den ganzen Raum abdecken.
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Mit jedem Ausatmen stossen wir Aerosole aus. Das sind kleinste Tröpfchen, welche Viren in sich tragen können und so potenziell verbreiten. Masken verringern den Ausstoss. Wo in Innenräumen keine Maske getragen wird, reichern sich Aerosole in der Luft an – und mit ihnen potentiell auch Viren. Eine Studie hat ergeben, dass Aerosole in einem Raum ohne Luftzirkulation bis zu eine Viertelstunde lang schweben bleiben und mehrere Meter weit gelangen können. Wie zentral dieser Übertragungsweg in der Pandemie ist, ist unter Forschenden noch strittig. Jüngst warnten jedoch 239 Wissenschaftler davor, dass die Aerosole unterschätzt würden. Dass die Übertragung über Aerosole aber passiert und eine Gefahr darstellt, ist mittlerweile aber unbestritten. Wie sich also davor schützen?

Lüften mit CO₂-Messgerät

Die alte Luft gegen frische Luft auszutauschen ist zentral. «Die Raumluft ist nicht nur potentiell mit Viren belastet sondern auch mit Staub, Gerüchen und Emissionen von Baumaterialien», sagt Heinrich Huber, Professor am Institut für Gebäudetechnik und Energie der Hochschule Luzern (HSLU). In einem typischen Büro mit etwa zehn Quadratmetern Bodenfläche pro Person empfiehlt Huber, jede Stunde einmal kurz kräftig zu lüften. In voll belegten Schul- und Sitzungszimmern jede halbe Stunde. Man solle sich aber nicht in falscher Sicherheit wiegen: «Wenn eine Person krank ist, nützt es vielleicht. Wenn aber drei krank sind, stecken sich die nebendran wahrscheinlich trotzdem an.» Ein Ersatz für Abstand halten ist Lüften also nicht.

Sinnvoll kann es sein, sich ein CO₂-Messgerät anzuschaffen. «CO₂ ist ein sehr guter Indikator für die Raumluftqualität, wenn die Luftbelastung vorwiegend von Personen stammt. Das gilt für Schulzimmer, Versammlungsräume und meistens auch für Büros», sagt Huber. In Corona-Zeiten empfehle es sich spätestens dann zu lüften, wenn der CO₂-Gehalt 1400 ppm (parts per million) erreicht habe. Die Geräte seien aber unterschiedlich zuverlässig. Viele günstige Geräte messen zum Beispiel flüchtige Kohlenwasserstoffe (VOC) und schliessen damit auf den CO₂-Gehalt. «Bei einer dichten Personenbelegung, zum Beispiel in Schulzimmern, halte ich den echten CO₂-Gehalt für aussagekräftiger», sagt Huber. Damit die Geräte zudem nicht nach kurzer Zeit schon ungenau messen, empfiehlt der Gebäudetechniker, nicht die billigsten Geräte zu kaufen. «Mit 200 Franken muss man schon rechnen.»

Wenn man die Fenster dann öffnet, ist eine Querlüftung am optimalsten, also wenn in gegenüberliegenden Zimmern ebenfalls die Fenster geöffnet werden und so ein Luftzug entsteht. Will man sicher gehen, dass Viren von einem Zimmer nicht die Personen im anderen Zimmer anstecken, mag eine gemeinsame Luftaktion angebracht sein, in der alle Personen die Räume verlassen. Problematisch ist eine Querlüftung, wenn statt einem Fenster eine Tür in einen anderen Raum geöffnet wird – dann ziehen die Aerosole einfach dorthin weiter.

Ansonsten ist eine Stosslüftung, also das Lüften durch ein oder mehrere Fenster in einem Raum, ebenfalls eine gute Lösung. Fünf bis zehn Minuten reichen. «Es macht keinen Sinn, über Stunden alle Fenster offen zu lassen», sagt Huber. «Ab gewisser Luftverdünnung bringt Lüften nichts mehr. Und zudem wird es im Winter durch das Lüften in den Innenräumen dann sehr trocken.» Auf mehrere Tage führt trockene Luft zu juckenden Augen, juckender Haut und gereizten Schleimhäuten. Letzteres könnte die Folge haben, dass wir anfälliger sind auf Infektionen. Als Richtwert empfiehlt Huber, die Luftfeuchtigkeit nur kurzzeitig unter 30 Prozent sinken zu lassen.

Luftbefeuchter und Luftreiniger im Prüfstand

Gegen zu trockene Luft hilft ein Luftbefeuchter. Doch vor allem Versprüher sind problematisch, denn sie können zur Keimschleuder werden. Verdampfer brauchen wiederum viel Energie. Verdunster sind deshalb die beste Lösung – hier muss aber darauf geachtet werden, mindestens alle zwei Tage das Wasser zu wechseln und den Behälter gut zu spülen, um Schimmel vorzubeugen.

Und wie sieht es mit Luftreinigern aus? «Luftreiniger sind höchstens die zweitbeste Lösung», sagt Huber. Wenn immer möglich, sei es besser, die Fenster regelmässig zu öffnen. Er gibt zu bedenken, dass bei Luftreinigern die Filter regelmässig ausgetauscht werden müssen – und der Geräuschpegel relativ hoch sein kann.

«Luftreiniger sind besser als nichts», sagt Heinz Burtscher, emeritierter Professor für Sensorik und Elektronik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Er forscht zu Reinigung kontaminierter Luft von Nanopartikeln und Viren. Ein Luftreiniger könne die Luft zu 99 Prozent von Viren säubern – wenn ein Hepa-Filter integriert sei. Das Problem ist allerdings, dass ein solches Gerät die Luft nur gerade dort filtert, wo es steht. Am anderen Ende des Zimmers bleibt die Luft, je nach Luftstrom, allenfalls kontaminiert. Um eine gute Wirkung zu erzielen, sollten die Reiniger zudem so viel Durchsatz haben, dass das Raumluftvolumen etwa vier Mal in der Stunde umgewälzt wird. «Bei einem Raum von 80 Kubikmetern reicht eine Umwälzung von 100 Kubikmetern in der Stunde nicht», sagt Burtscher. Auch sollten die Luftreiniger nicht an der Wand stehen, sondern möglichst frei im Raum.

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Die Filterung der Viren ist also eigentlich das kleinere Problem. Das grössere: Wie die Luft durch den Raum führen, damit sie auf ihrem Weg nicht alle Anwesenden streift und potentiell infiziert? Burtscher ist mit Fachkollegen der Universität Fribourg, der Lungenliga und mit finanzieller Hilfe des Bundesamts für Umwelt nun deshalb daran, ein Filtersystem für Räume zu entwickeln, in denen die Luft vertikal nach oben abgesogen wird. Er hat mit seinen Kollegen hierfür die Firma NanoCleanAir gegründet.

Der erste Teil des Projektes ist bereits abgeschlossen. Darin testeten Burtscher und seine Kollegen, wie gut ein früher entwickelter Filter gegen kleinste Russpartikel nun auch Viren filtert. Denn Viren sind mit 0,03 bis 0,3 Mikrometern ähnlich klein wie Schadstoffemissionen. Die Tests bestätigten: Viren – hier getestet an Bakteriophagen – werden fast zu 100 Prozent herausgefiltert.

«Der nächste Schritt ist jetzt die Anwendung zu testen in der Raumbelüftung», erklärt Burtscher. Hierfür erstellten die Forschenden Strömungssimulationen. Sie berechneten also, wie schnell die Luftströmung sein muss, damit sie von Objekten oder Menschen im Raum nicht abgelenkt wird. Nun sollen diese Resultate in der Praxis verifiziert werden. Bereits sind Pilotanlagen in Planung und sollen noch vor Weihnachten in Betrieb genommen werden. Potentielle Kunden wie Metzgereien oder Zahnarztpraxen sind im Boot.

Wenn die Resultate positiv sind, könnte ein entsprechendes Nanofiltersystem im Frühling einsatzbereit sein. Dieses filtert die Luft in Räumen mit Umluft von Viren – im ÖV zum Beispiel wird Aussen- und Umluft gemischt und in den Klimageräten aufbereitet. Das Raumvolumen der Zugabteile in SBB-Zügen zum Beispiel wird sechs bis zehn Mal pro Stunde erneuert. Filter könnten den ÖV jedoch noch sicherer machen. Bis dahin bleiben uns nur die Masken. Und zu Hause Luftreiniger, CO₂-Messgeräte und offene Fenster.

higgs-Chefredaktor Beat Glogger hat bei unseren Kollegen von Radio 1 über das korrekte Lüften geredet. Hier kannst du dir den Beitrag noch einmal anhören:
 

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