Das musst du wissen
- Ein Bandwurm verdreifacht die Lebensdauer von Arbeiterinnen der einheimischen Ameisenart Temnothorax nylanderi.
- Die infizierten Ameisen sind jedoch weniger aktiv als gesunde Tiere.
- Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie von einem Specht – dem Endwirten des Bandwurms – gefressen werden.
Man kann seine Lebenszeit um das Dreifache verlängern – zumindest, wenn man eine Ameise ist und ein paar Gäste im Körper duldet. Dieses Phänomen hat ein Team deutscher Biologen entdeckt und im Fachmagazin The Royal Society Open Science veröffentlicht.
Science-Check ✓
Studie: Extreme lifespan extension in tapeworm-infected ant workersKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des Autors Die Ergebnisse basieren auf einem grossen Datenset, was sie sehr zuverlässig macht. Sie gelten jedoch nur für die hier untersuchte Art und lassen sich nicht direkt auf andere Organismen übertragen.Mehr Infos zu dieser Studie...Warum das überraschend ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung jeder Spezies hängt stark von den Genen ab. Doch eine Ameisenart hält sich nicht an dieses Konzept: Arbeiterinnen, die auf ein Leben von nur wenigen Monaten vorprogrammiert sind, können ihre Lebensspanne mehr als verdreifachen – mit Hilfe eines Parasiten.
Bei der in Westeuropa lebenden Ameisenart Temnothorax nylanderi variiert die Lebensspanne je nach hierarchischer Stellung in der Kolonie: von einer Woche für die Männchen bis zu mehreren Jahren für die Königin. Arbeiterinnen hingegen können mit einer Lebenserwartung von bis zu einem Jahr rechnen, wobei sie ihre Rolle je nach Alter wechseln. Ein Jahr ist aber die Lebenserwartung ohne den Einfluss von Anomotaenia brevis, einem parasitären Bandwurm, der sich im Inneren der Arbeiterinnen entwickelt.
Die Ergebnisse der Studie. In der Regel verringert eine Infektion durch einen Parasiten die Lebensspanne oder die Fruchtbarkeit seines Wirts, da er seine Ressourcen buchstäblich «auspumpt». Aber die Autoren haben mit ihrer Studie etwas ganz anderes herausgefunden. Sie beobachteten zwischen 2014 und 2017 mehrere Kolonien von Temnothorax nylanderi und stellten nach diesen drei Jahren fest:
- Keine Arbeiterinnen ohne Parasiten waren noch am Leben.
- Umgekehrt waren rund fünfzig Prozent der parasitierten Arbeiterinnen noch am Leben.
- Die Königinnen weisen eine ähnliche Rate auf, da über fünfzig Prozent nach drei Jahren noch am Leben waren.
- Die Stoffwechsel- und Fettrate der parasitierten Arbeiterinnen waren ähnlich wie die der jungen Arbeiterinnen. Das zeigt, dass ihre Körper jung geblieben waren.
Der Ursprung des Phänomens. Die Autoren vermuten, dass die Infektion durch den Parasiten die Expression der Gene der Ameisen verändert. Dabei werden deren chemische Signale abgeändert und diese locken mehr junge Ameisen an, die eine Rolle als Babysitter haben. Dadurch erhalten die parasitierten Ameisen mehr Pflege, was ihre Lebensdauer verlängert.
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Die Kosten für das Elixier der Jugend. Dies hat jedoch seinen Preis, und zwar nicht den geringsten: Befallene Ameisen sind weniger aktiv und ihr Fluchtverhalten ist im Vergleich zu nicht befallenen Ameisen reduziert. Es sind, sozusagen, träge Zombie-Ameisen, die das Nest nicht mehr verlassen.
Das Ziel der Parasiten? Um seine erwachsene Form zu erreichen, braucht der Parasit die Ameisen als sogenannten Zwischenwirt. Wenn diese von einem Specht gefressen wird, kann er in dessen Magen seine Entwicklung beenden. Für die Autoren ist es sehr wahrscheinlich, dass die Verringerung der Aktivität und die Verlängerung der Lebensdauer des parasitierten Wirts dem Parasiten eine bessere Chance gibt, von einem Specht geschluckt zu werden – und so seinen biologischen Zyklus zu vollenden.
Heidi.news
