Was wäre, wenn wir eine Arbeit tun könnten, die uns selbst sinnvoll erscheint und die zugleich der Gesellschaft nützt? Welchen Job würden wir wählen, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Stellen wir uns einmal vor, wir müssten nicht mehr tagein, tagaus einen möglichst lukrativen Job ausüben, um Miete, Lebensmittel oder die Krankenkasse zu bezahlen. Wir hätten sogar ein Recht darauf, so viel oder wenig wie wir wollen zu arbeiten, um diese Grundbedürfnisse zu decken. Das klingt zu schön, um wahr zu sein? Noch. Aber es gibt jemanden, der bereits an den rechtlichen Grundlagen dafür forscht.

Nicolas Bueno

Nicolas Bueno ist Assistenzprofessor für internationales und europäisches Recht an der FernUni Schweiz.

Erarbeitet wird ein Recht auf mehr Freiheit von der Arbeit

Nicolas Bueno ist Assistenzprofessor für internationales und europäisches Recht an der FernUni Schweiz und ist überzeugt: Der Mensch ist gut. Doch er sagt auch: «Im jetzigen Wirtschaftssystem haben die Menschen keine Chance, all ihre guten Seiten zu zeigen.»

Deshalb arbeitet der Rechtswissenschaftler an einer Lösung. Genauer gesagt, an einem Recht auf mehr Freiheit von der Arbeit, das uns von der Notwendigkeit befreien soll, aus wirtschaftlichen Gründen arbeiten zu müssen.

Mit seiner Forschung stellt der Jurist auch unser marktwirtschaftliches System und sogar die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Frage. Darin heisst es nämlich in Artikel 23: «Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit.» Zwar gibt es, wie wir alle es aus unseren Arbeitsverträgen kennen, auch ein Recht auf Freizeit und Erholung von der Arbeit, aber das reicht Nicolas Bueno nicht. «Wir brauchen ein Recht auf Freiheit von der Arbeit, das die wirtschaftliche Notwendigkeit, zu arbeiten, für jeden Einzelnen und die gesamte Gesellschaft reduziert», fordert er.

Wie das gehen soll?

Durch mehr Effizienz, ist Nicolas Bueno überzeugt, aber nicht durch die wirtschaftliche Effizienz, wie wir sie kennen. Er nennt ein Beispiel aus der Landwirtschaft. Die Erfindung des Traktors habe die Arbeit auf dem Feld ertragreicher gemacht. Der Traktor reduziert also unseren Arbeitsdruck. Etwas anders sei das bei Pestiziden: «Sie machen die Landwirtschaft auf den ersten Blick auch effizienter, aber sie belasten Umwelt und Gesundheit», sagt der Wissenschaftler und fügt hinzu: «Um diese Schäden zu bereinigen, müssen an anderer Stelle wiederum Menschen arbeiten.» Denn im jetzigen System sei manchmal Arbeit nötig, um die negativen Folgen anderer Arbeit zu bereinigen. Solch eine Arbeit sollte man sich sparen, meint Nicolas Bueno.

Unser System müsste also Tätigkeiten und Erfindungen fördern, die unseren Arbeitsdruck reduzieren. Im Rahmen der bisherigen Marktwirtschaft ist dieses Ziel laut Nicolas Bueno kaum zu erreichen: «Momentan wird zum Beispiel die Produktion von Pestiziden belohnt. Es gibt einen Markt dafür, es lässt sich Geld damit verdienen», erklärt er und fordert deshalb einen Wandel zu einer humanen Wirtschaft: «Eine menschliche Wirtschaft definiert den Wert von Arbeit völlig neu. Es geht nicht mehr darum, dem Markt zu dienen. Es geht um die Frage: Ist meine Arbeit für mich und andere sinnvoll und hilft, allgemein freier von Arbeit zu werden?» In diesem Modell könnten Pestizide laut Nicolas Bueno stärker besteuert werden, wenn sie zusätzliche Arbeit verursachen, um Gewässer und Boden rein zu halten.

Aber was ist, wenn wir durch immer stärkere Effizienz um unsere Jobs fürchten müssen?

In der Erklärung der Menschenrechte heisst es auch, jeder Mensch habe das Recht auf «Schutz vor Arbeitslosigkeit». Nicolas Bueno sieht hier keine Gefahr. «Das Recht auf Arbeit soll weiterhin garantieren, dass jeder Mensch Zugang zu einem Einkommen haben kann», sagt er. Aber: «Das Recht auf Freiheit von der Arbeit soll zugleich sicherstellen, dass wir aus wirtschaftlichen Gründen weniger arbeiten müssen.» Die frei gewordene Arbeitszeit sei nicht zu verwechseln mit Arbeitslosigkeit.

Der Rechtswissenschaftler vermutet, dass der Wandel von der Gesellschaft und den Unternehmen selbst kommen wird – und beobachtet bereits die Anfänge: «Es gibt immer mehr Firmen und Menschen, die nicht nur Geld verdienen wollen, sondern eine sinnvolle Arbeit tun möchten», sagt er. Im Rahmen der humanen Wirtschaft könnten Tätigkeiten gezielt gefördert werden, die unverzichtbar für die Gesellschaft sind, bisher aber zu wenig wertgeschätzt werden.

Bis es soweit ist, forscht Nicolas Bueno weiter an den juristischen Grundlagen dafür. Und tut damit etwas, das er sinnvoll findet und das der Gesellschaft nützen soll.

Kontakt: Prof. Dr. Nicolas Bueno, Assistenzprofessor in Recht, FernUni Schweiz. Weitere Informationen zum Thema finden sich in dieser Studie. Das Projekt wird durch das SNF-Ambizione 179971 finanziert.

FernUni Schweiz

Hier präsentiert die FernUni Schweiz Geschichten aus der Forschung. Als akkreditiertes universitäres Institut bietet sie seit dreissig Jahren Fernstudiengänge an. Die Bachelor- und Master-Studiengänge sowie die Weiterbildungsangebote in den Bereichen Recht, Wirtschaft, Geschichte, künstliche Intelligenz, Mathematik und Psychologie sind über die Schweiz hinaus anerkannt und international gestützt.
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