Es war vorbei: Der Erste Weltkrieg, der ungefähr 17 Millionen Menschenleben gefordert hat, wurde am 11. November 1918 für beendet erklärt. Doch Ruhe sollte in Deutschland deswegen noch lange nicht einkehren. Auf den Strassen tobte nämlich eine Revolution. Überall fanden Streiks, Aufstände und Putschversuche statt, die in den sogenannten Berliner Märzkämpfen vom 3. bis 16. März 1919 gipfeln sollten. Über 1200 Todesopfer waren am Ende dieser Krise zu beklagen. Aber der Reihe nach.
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Alles fing damit an, dass sich eine Gruppe von Matrosen kurz vor dem Ende des Krieges weigerte, noch ein letztes Mal gegen die Engländer auszulaufen. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich schon klar, dass der Krieg verloren war. Die Matrosen sahen deshalb nicht ein, warum sie ihr Leben noch einmal aufs Spiel setzen sollten. Sie entschlossen sich, zu meutern, was die Revolution auslöste, die als die Novemberrevolution von 1918/19 in die Geschichte eingehen sollte. Viele Menschen schlossen sich dieser Meuterei an, weil sie genug hatten vom Krieg. Sie verlangten, dass Kaiser Wilhelm II., der sie in diesen Krieg geführt hatte, abdanken sollte – was auch geschah. Kurz darauf übernahm die SPD die Macht. Damit hätte die Geschichte enden können. Tat sie aber nicht, denn die SPD bestand damals aus zwei Gruppen: der Mehrheitssozialdemokratischen Partei Deutschlands (MSPD) und der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD).

Beide Gruppen wollten zwar eine Republik gründen, hatten aber jeweils eine völlig andere Vorstellung davon. Weil sich die Gruppen nicht einigen konnten, kam es im Januar 1919 zu einem Generalstreik, der sogenannte Spartakusaufstand, der von der Berliner USPD-Führung in die Wege geleitet wurde. Der Generalstreik dauerte aber nur wenige Tage, vom 5. bis zum 12. Januar, denn die MSPD schlug ihn blutig nieder. Über hundert Revolutionäre und Zivilisten wurden getötet. Am 15. Januar wurden auch die Anführer der USPD – Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg – ermordet. Daraufhin fanden am 19. Januar Wahlen statt, an denen erstmals auch Frauen teilnehmen durften.

Willkürliche Hinrichtungen

Aus diesen Wahlen ging die MSPD – die erst ab 1922 wieder unter dem Namen SPD firmieren sollte – als Siegerin hervor. Da sie aber nicht die absolute Mehrheit erreicht hatte, war sie auf Koalitionspartner angewiesen, die sie in der Zentrumspartei und in der Deutschen Demokratischen Partei auch fand. Hier hätte die Geschichte erneut enden können, was sie abermals nicht tat – denn im März sollten die Kämpfe wieder auflodern.

Artillerie eines Regierungstreuen Verbandes in Berlin am 11.März 1919.U.S. National Archives and Records Administration / Underwood & Underwood

Artillerie eines regierungstreuen Verbandes in Berlin am 11.März 1919.

Schon im Februar zeichnete sich ab, dass es wieder zur Konfrontation kommen würde. Denn Anhänger der USPD waren über den Verlauf der Dinge überhaupt nicht erfreut. Ihre Lebenslage hatte sich nicht gebessert, weshalb sie anfingen zu streiken. Der 3. März war der Beginn des Generalstreiks, der die Kämpfe einläutete, die bis zum 16. März andauern und als Berliner Märzkämpfe von 1919 in die Geschichte eingehen sollten. Plünderungen waren jetzt an der Tagesordnung, Polizeireviere wurden ebenfalls überfallen. Das veranlasste das preussische Staatsministerium dazu, den Belagerungszustand über Berlin zu verhängen.

Dass die Situation letztlich eskalierte, war aber einer Falschmeldung zu verdanken. Es wurde behauptet, dass die Aufrührer 60 Kriminalbeamte und weitere Gefangene im Berliner Stadtbezirk Lichtenberg brutal ermordet hätten. Die Zeitungen griffen die Geschichte sofort auf. Überall wurde über den vermeintlichen Vorfall berichtet. Diese Sache konnte die deutsche Regierung nicht auf sich sitzen lassen. Sie veranlasste, dass jede bewaffnete Person in Berlin erschossen werden durfte. Zudem verlangte sie, dass jedes Gebäude durchsucht wurde. Wer also eine Waffe zu Hause hatte, musste ebenfalls damit rechnen, erschossen zu werden. Die Regierung öffnete so der willkürlichen Hinrichtung Tür und Tor. Rund 1200 Personen sollen auf diese Weise ums Leben gekommen sein.

Schwarzweissbild: von Regierungstruppen standrechtlich erschossene revolutionäre Soldaten.Bundesarchiv, Bild 102-00539 / Groß, Alfred / CC-BY-SA 3.0

Von Regierungstruppen standrechtlich erschossene revolutionäre Soldaten im März 1919.

Zwar räumten die Verantwortlichen später Fehler ein, aber zur Verantwortung wurde niemand gezogen. Nach diesem Vorfall kehrte schliesslich Ruhe ein. Am 11. August wurde die neue, demokratische Reichsverfassung verabschiedet, mit der die Novemberrevolution von 1918/19 formell ihren Abschluss fand.

Dieser Beitrag erschien erstmals im doppelpunkt.
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