Das musst du wissen

  • Es gibt verschiedene Gründe, wieso sich Frauen sterilisieren lassen wollen – immer häufiger auch die Umwelt.
  • Frauen unter 30 Jahren haben es aber eher schwer, eine medizinische Fachperson zu finden, die den Eingriff durchführt.
  • Am Universitätsspital von Lausanne gibt es darum nun ein Komitee für klinische Ethik, das Empfehlungen formuliert hat.

Warum das Fragen aufwirft. Die Sterilisation ist eine Verhütungsmethode, die laut dem Bundesamt für Statistik rund 5% der Schweizer Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. Diese endgültige Verhütungsmethode wird von Frauen gewählt, die keine Kinder wollen und oftmals mit der hormonellen Verhütung Schluss machen möchten. Neu sind ökologische Motive. Auf Seiten der Ärzte ist Zurückhaltung die Norm.

Worum es geht. Die Sterilisation ist ein besonders wirksamer und risikoarmer chirurgischer Eingriff bei dem die Eileiter unter Narkose unterbunden oder mit Ringen versehen werden.

Es handelt sich dabei um eine endgültige Empfängnisverhütung. Patrice Mathevet, Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie am Universitätsspital in Lausanne (CHUV) und Professor an der Universität Lausanne, erklärt:

«Es gibt Methoden, um die Eileiter wieder durchlässig zu machen und die Möglichkeit, durch In-vitro-Fertilisation ein Kind zu bekommen, aber dies ist sehr teuer und die Wirksamkeit ist nicht gesichert.»

Die Kosten für die Operation belaufen sich auf etwa 2500 Franken, und auf weniger, wenn sie mit einem anderen Eingriff wie einem Kaiserschnitt verbunden ist, wie es bei den meisten Sterilisationen in der Schweiz der Fall ist.

Warum will man sich sterilisieren lassen? Es gibt verschiedene Gründe, sich für diese endgültige Verhütungsmethode zu entscheiden. In erster Linie ist es der Wunsch, keine Kinder mehr zu bekommen. Fachleute stellen bei jungen Patientinnen eine gewisse Frustration fest, wenn ihr Wunsch nach Sterilisation nicht erfüllt wird, obwohl sie ihn schon seit ihrer Kindheit hegen.

Chloé, eine 21-jährige Studentin aus dem Jura, liess sich 2020 sterilisieren, um eine Schwangerschaft zu verhindern:

«Ich wusste schon immer, dass ich nicht Mutter sein wollte. Die einfache Tatsache, dass eine Frauen keine Kinder haben will, wird nicht ausreichend anerkannt. Es gibt aber keinen Zwang dazu und das allein sollte ausreichen, um eine Sterilisation zu rechtfertigen.»

Der Wunsch, mit der hormonellen Verhütung aufzuhören, ist eine der häufig genannten Motivationen. Die Ärztin Leen Aerts ist Gynäkologin und Geburtshelferin am Universitätsspital Genf (HUG) erläutert:

«In meiner Sprechstunde sehe ich immer mehr Patientinnen, die unter den Nebenwirkungen der Pille leiden. Zahlreiche Studien belegen, dass Hormone das Risiko für Depressionen und Angststörungen erhöhen.»

Sie bedauert, dass es den Frauen an Alternativen mangelt: Neben der Kupferspirale, die viele Patientinnen nicht vertragen, und den hormonellen Methoden bleibt die einzige Verhütungsmöglichkeit das Kondom oder das Diaphragma.

Eine weitere bemerkenswerte Tatsache ist, dass ökologische Gründe eine immer grössere Rolle beim Wunsch nach Kinderlosigkeit spielen. Patrice Mathevet vom CHUV sagt:

«Diese Beweggründe sind neu. Ich habe das in meinen mehr als 35 Berufsjahren noch nie erlebt.»

Hinzu kommt der wachsende Wunsch der Frauen, selbst über ihren Körper und ihre Mutterschaft zu entscheiden, ohne Einmischung von Dritten. Die Studentin Chloé meint:

«Viele Menschen nehmen sich das Recht heraus, mir ihre Meinung über meinen Körper zu sagen. Wir müssen lernen, die Entscheidungen anderer zu respektieren. Wenn ich meine Entscheidung eines Tages bereuen sollte, ist das meine Sache.»

Die Vorbehalte der Fachleute. Der Fall dieser jungen Frau ist nicht banal. In der Tat wird die Sterilisation normalerweise von Frauen über 35 Jahren gewählt, die bereits Kinder bekommen haben. Die Ärzte stellen jedoch fest, dass die Nachfrage bei jungen und kinderlosen Frauen deutlich zunimmt. Dennoch führen diese Anfragen nur selten zu einer tatsächlichen Operation, was ein Zeichen dafür ist, dass die Ärzteschaft immer noch sehr zurückhaltend ist.

Aus rechtlicher Sicht ist eine endgültige Empfängnisverhütung bei jeder volljährigen, urteilsfähigen und zustimmenden Person möglich.

In der Praxis scheint der Zugang zur Sterilisation schwieriger zu sein, insbesondere wenn es sich um eine junge, kinderlose Frau handelt. Bis 2020 ging das CHUV nie auf derartige Anträge ein. Um sie zu klären, holten die Fachleute jedoch die Meinung des klinischen Ethikkomitees des Krankenhauses ein. Der Gynäkologe Patrice Mathevet vom CHUV erklärt:

«Wir stützen uns auf einen Bericht zu diesem Thema und nehmen uns das Recht heraus, junge Frauen zu operieren, wenn es den Empfehlungen des Komitees entspricht. Für die Ärzte ist es ethisch schwierig, diesen Schritt zu tun. Aber wenn er für die Patientin von Vorteil ist, ist es unsere Pflicht als Krankenhauseinrichtung, es zu machen, und zwar auch dann, wenn wir damit nicht einverstanden sind.»

Es steht einem Arzt frei, sich zu weigern, eine Massnahme durchzuführen, die gegen seine Werte verstösst, solange die Patientin an einen anderen Spezialisten überwiesen wird.

Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in der Schweiz kein spezifisches und einheitliches Verfahren für diese endgültige Empfängnisverhütung. Die einzige Voraussetzung für den Eingriff ist die Bestätigung der Urteilsfähigkeit der Patientin. Die meisten Westschweizer Spitaleinrichtungen empfehlen zudem eine Bedenkzeit von unterschiedlicher Dauer, eine gründliche Kenntnis der Gründe für die Handlung sowie eine umfassende Information über das Verfahren, seine Irreversibilität und andere mögliche Verhütungsmethoden.

Die Anfragen besser betreuen. Allein die Zahl der Gruppen, die sich in sozialen Netzwerken mit diesem Thema beschäftigen, zeigt, dass dies notwendig ist. Frauen, die sich sterilisieren lassen wollen, tauschen dort ihre Erfahrungen und Kontakte zu Fachleuten aus, die bereit sind, ihren Wunsch zu erfüllen, und versuchen so, den Mangel an Informationen und Anerkennung zu beheben.

Chloé berichtet ihrerseits von einer lückenhaften und stigmatisierenden medizinischen Versorgung:

«Mein Gynäkologe lehnte meinen Antrag ab, ohne mich nach meinen Beweggründen zu fragen, und stimmte dann widerwillig einer Operation zu, nachdem ich die Zustimmung eines Psychiaters erhalten hatte. Er hat mich kaum über das Thema informiert und seine Missbilligung auf sehr verletzende Weise zum Ausdruck gebracht.»

In einer Instagram-Gruppe fand die junge Frau die Informationen und die Unterstützung, die sie für ihren Schritt brauchte. «Dieses Thema verdient mehr Visibilität. Nur so kann es normalisiert und von Gynäkologen akzeptiert werden», meint sie.

Ist das Paternalismus? Der Hauptgrund für die Ablehnung durch Fachleute ist die Sorge, dass Frauen, die sich für diese endgültige Lösung entschieden haben, dies später bereuen könnten.

Eine berechtigte Sorge, denn Studien zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Bereuens von etwa fünf Prozent und dem jungen Alter der Frau zum Zeitpunkt der Entscheidung. Auch das Durchschnittsalter des ersten Kindes einer Schweizer Frau von 32 Jahren scheint diese Sorge zu rechtfertigen, wenn der Schritt vor 30 Jahren vollzogen wird.

Andere Studien deuten jedoch darauf hin, dass diese Reue selten ist und eher durch einen Partnerwechsel als durch das junge Alter der Patientin zum Zeitpunkt des Eingriffs verursacht wird. Das Komitee für klinische Ethik des CHUV, das sich mit dieser Frage befasst, macht auch auf die schwerwiegenden psychologischen Probleme aufmerksam, die sich aus einer ungewollten Schwangerschaft ergeben, bevor es zu folgendem Schluss kommt:

«Es könnte auch einer ungerechtfertigten herablassenden oder paternalistischen Haltung entspringen, wenn der Zugang zur Sterilisation zu Verhütungszwecken aufgrund eines Alters unter 30 Jahren verboten würde.»

Der Verdacht auf Gender Bias. Derselbe Ausschuss weist auch auf einen unbegründeten Gender Bias – also auf eine geschlechtsbezogene Wahrnehmungsverzerrung – bei der Bearbeitung eines Antrags hin. Denn obwohl der gesetzliche Rahmen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede macht, ist der Zugang zur Sterilisation für Männer gleich welchen Alters einfacher.

Diese Tatsache wird häufig damit begründet, dass die Vasektomie zwar ebenfalls irreversibel ist, die vorherige Konservierung von Spermien jedoch einfacher und kostengünstiger ist als die von Eizellen. Für die Ärztin Leen Aerts ist diese Ungleichbehandlung auch auf eine immer noch vorherrschende männliche Wahrnehmung im medizinischen Bereich zurückzuführen:

«Dieser Gender Bias ist auf eine alte Sakralisierung der weiblichen Fruchtbarkeit zurückzuführen. In meiner Zeit als Assistenzärztin war es zum Beispiel undenkbar, dass eine Frau, die noch nicht geboren hatte, sich über eine Sterilisation Gedanken machte.»

Eine Situation, die sich laut der Ärztin im Wandel befindet:

«Die Fachärztinnen und -ärzte hören ihren Patientinnen insgesamt besser zu, was ich für sehr wichtig halte. Das hängt aber immer noch sehr stark von der jeweiligen Fachperson ab.»

Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Er wurde von Corinne Goetschel aus dem Französischen übersetzt.

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Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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