Das musst du wissen

  • Fasten hat eine lange Tradition. Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen pflegen das Ritual.
  • Je nach Methode verzichten Fastende mehrere Wochen ganz oder phasenweise auf feste Nahrung.
  • Was solche Kuren aus medizinischer Sicht bringen, dazu gehen die Meinungen von Fachpersonen auseinander.

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Die Schoggihasen in den Läden machen uns gluschtig – und sagen uns gleichzeitig: Stopp – schlemmen ist jetzt noch nicht angesagt. Denn bevor die Hasen das Osterfest versüssen, steht erst die Fastenzeit an. Die vierzig Tage bis Ostersonntag bilden im Christentum den traditionellen Fastenmonat. Verzicht lautet das Gebot der Stunde. Sich einschränken, Süsses und Fettiges weglassen, generell weniger essen oder auch die Zeit am Handy oder vor dem Fernseher reduzieren, heisst das für viele Menschen – nicht nur für Gläubige.

Fasten hat eine jahrtausendealte Tradition. Schon die alten Griechen und Ägypter sollen zeitweise auf bestimmt Nahrungsmittel verzichtet haben – um ihre Sinne zu schärfen oder der Gesundheit zuliebe. Als Konzept der inneren Reinigung kennen viele grosse Weltreligionen spezielle Fastenzeiten und Rituale: Im Christentum sind es die erwähnten vierzig Tage von Aschermittwoch bis Ostern, im Islam der Fastenmonat Ramadan, im Judentum zum Beispiel der Fastentag Jom Kippur. Der Grundgedanke dabei ist: Der Verzicht auf Weltliches soll den Geist empfänglich für anderes machen.

Der Fastenmonat Ramadan findet dieses Jahr vom 1. bis 30. April statt.

Nur trinken – oder nur phasenweise essen

Hierzulande verbreitete Varianten des Fastens sind das Heilfasten und das Intervallfasten. Heilfasten bedeutet, für mehrere Tage oder länger nur Säfte, Suppen und Bouillon zu sich zu nehmen. Eine der bekanntesten Methoden ist das klassische Heilfasten nach dem deutschen Arzt und Naturheilkundler Otto Buchinger (1878 bis 1966). Bei seiner Methode geht es darum, auf Nahrung zu verzichten, um die Selbstheilungskräfte des Körpers zu mobilisieren. Die heilende Wirkung dieser Art des Fastens ist aus medizinischer Sicht jedoch umstritten, demnach auch der Begriff «Heilfasten»: «Es sind keine Erkrankungen bekannt, die durch Fasten geheilt werden können», sagt Bernd Schultes, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie am Stoffwechselzentrum St. Gallen.

Das gilt demnach auch für das Intervallfasten. Anders als beim Heilfasten wird hier trotzdem gegessen – allerdings nur für bestimmte Stunden am Tag. Heisst in der Praxis – zum Beispiel bei der populären 16 zu 8 Variante: 16 Stunden lang ist essen untersagt, danach wieder für acht Stunden erlaubt, dann wieder für 16 Stunden nicht, und so weiter. Bei der 5:2-Methode ernährt man sich fünf Tage pro Woche normal, an zwei Tagen isst man nichts. Das Intervallfasten wird oft als gesundes Mittel zum Abnehmen propagiert – und führt in der Regel tatsächlich zu einer Gewichtsreduktion, da es die Fettreserven anzapft. Ein Fehler, den aber viele Menschen machen: Sie lassen das Frühstück weg und essen vom Mittag an bis in die Abendstunden hinein. «Für den Stoffwechsel ist dieses Muster eher ungünstig», sagt Mediziner Schultes. Dies, weil die Nahrung am Morgen meist deutlich besser als am Abend aufgenommen wird. «Es ist besser, ab dem frühen Nachmittag nichts mehr zu essen», empfiehlt er stattdessen. Doch was geschieht genau in unserem Körper, wenn wir ihm für eine bestimmte Zeit Nahrung verwehren?

Fasten ist auch Stress für den Körper

Wer fastet, schaltet seinen Körper auf Sparflamme. Weil dem Stoffwechsel wichtige Energiequellen und Nährstoffe fehlen, setzt ihn die ausbleibende Nahrung unter Stress. Das spüren wir körperlich und psychisch: Wir sind müde, schlapp und unkonzentriert. Nach einer gewissen Zeit jedoch gehen die Stresshormone zurück, der Körper gewöhnt sich an die neue Situation. Und beginnt, die Energiespeicher anzuzapfen. Als erstes ist Zucker an der Reihe, der sich als Glykogen in der Leber befindet. Diese Zuckerreserven sind nach etwa zwanzig Stunden aufgebraucht. Als nächstes baut der Körper Eiweiss ab, um Energie zu gewinnen. Eiweiss befindet sich zum Beispiel im Darm oder in den Muskeln. Damit sich aber die Muskeln beim Fasten nicht zurückbilden, ist in professionellen Fastenkuren meist eine geringe Menge Kohlenhydrate erlaubt – zum Beispiel in Form von Fruchtsäften. Nach etwa vier Tagen des Fastens schliesslich geht es den Fettpolstern an den Kragen. Dazu spaltet die Leber Fette in sogenannte Ketonkörper auf. Aus diesen können zum Beispiel Nervenzellen im Gehirn Energie gewinnen. Die Ketonkörper haben aber noch andere Eigenschaften – schützende. Nicht zuletzt deswegen schreiben Befürworter des Heilfastens diesem eine ganze Reihe positiver Auswirkungen zu. Dazu gibt es auch Studien – jedoch halten diese die Effekte des Fastens meist im kleineren Rahmen und vor allem nur über einen begrenzten Zeitraum fest.

Gross angelegte klinische Studien, bei denen die Teilnehmenden über Jahre hinweg regelmässig fasten und deren Werte mit einer nicht-fastenden Kontrollgruppe verglichen werden, fehlen grossmehrheitlich. Zwar gibt es über die Wirkung des Buchinger-Heilfastens eine grössere Studie mit mehr als 1400 Fastenden, die über ein Jahr lang beobachtet wurden. Allerdings fehlt auch hier der Vergleich mit einer Kontrollgruppe.

Science-Check ✓

Studie: Safety, health improvement and well-being during a 4 to 21-day fasting period in an observational study including 1422 subjectsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsWie bei den meisten Studien zum Fasten halten die Ergebnisse in erster Linie die kurzfristigen Auswirkungen fest. Auch fehlt der Vergleich mit einer nicht-fastenden Kontrollgruppe. Für Langzeitfolgen von regelmässigem Fasten sind weitere Untersuchungen notwendig.Mehr Infos zu dieser Studie...

Fasten kann Diabetikern helfen – und Schmerzen lindern

Nachgewiesen ist aber, dass Fasten einen Prozess der Zellreinigung in Gang setzt – quasi unser körpereigenes Recyclingsystem, genannt Autophagie. Bei diesem natürlichen Prozess werden innerhalb der Körperzellen alle nicht mehr funktionstüchtigen Bestandteile – quasi der Zellabfall – wie von einem kleinen Müllbeutel umschlossen und anschliessend von Enzymen zerlegt. Die so gewonnenen Rohstoffe verwendet der Körper, um neue Zellstrukturen aufzubauen oder um daraus Energie zu gewinnen – wie es beim Fasten der Fall ist.

Auch Mediziner Bernd Schultes hat ein Beispiel dafür, dass längere Perioden des Fastens zumindest kurzfristig positive gesundheitliche Effekte haben: Dies etwa beim Typ 2 Diabetes mellitus – «insbesondere, wenn eine ausgeprägte Insulinresistenz vorliegt». Er erklärt: «Wenn Betroffene ihre Energiezufuhr deutlich drosseln, kann dies dazu führen, dass sie weniger Insulin brauchen, um den Blutzucker in einem gesunden Bereich zu halten.» Allerdings seien diese Effekte oft nicht nachhaltig, sagt Schultes. «Es ist aber durchaus möglich, durch wiederholtes Fasten die beschriebenen positiven Effekte immer wieder zu nutzen», hält er fest. Weiter wird dem Fasten eine beruhigende Wirkung auf chronische Entzündungen nachgesagt. Dies, weil es im Blut die Entzündungsaktivität der sogenannten Monozyten reduziert, die zu den weissen Blutkörperchen gehören.

Hervorgehoben wird überdies oft, Fasten senke den Bluthochdruck, es helfe bei chronischen Schmerzen – zum Beispiel bei Arthrose – und verbessere die Stimmungslage. Letzteres, weil der Körper beim Fasten verschiedene Hormone ausschüttet, darunter Adrenalin, Cortisol oder das Glückshormon Serotonin. Auch auf die kognitiven Funktionen des Gehirns kann Fasten einen Einfluss haben. Studien haben belegt, dass sich reduzierte Nahrungszufuhr etwa bei Demenzerkrankungen positiv auf den Verlauf auswirken oder gar das Risiko dafür senken kann.

Weil aber viele der genannten Ansätze noch nicht ausreichend erforscht sind, bleibt letztlich umstritten, wie gesund Fasten wirklich ist.

Trinken nicht vergessen! Mindestens 2,5 Liter pro Tag sollte man trotz Fasten zu sich nehmen.

So oder so ist Fasten nicht für alle Personen geeignet: Davon abzuraten ist Menschen, die untergewichtig sind, oder einen Nährstoffmangel aufweisen. Vorsicht geboten ist laut Bernd Schultes auch bei Osteoporose oder Krebs, der mit einer Stoffwechselstörung einhergeht, die zu Abmagerung führt – einer sogenannten Tumorkachexie. Auch Schwangere und stillende Mütter sollten nicht fasten. Und: Fastende sollten stets genug trinken – mindestens 2,5 Liter pro Tag. Wer eine Vorerkrankung hat und unsicher ist, zieht im Zweifel besser eine ärztliche Fachperson bei.

Verzicht kann ein Gewinn sein

Wer also gesund ist, für den kann Fasten eine spannende Erfahrung sein – nicht nur im Sinne einer klassischen Fastenkur. Statt auf Nahrung für eine Weile aufs Handy zu verzichten, auf die Zeit vor dem Fernseher oder auf Konsum ganz generell, lohnt sich: «Verzicht hilft uns, kurzfristige Genüsse wieder mehr wertzuschätzen», sagt Katharina Bernecker, Psychologin an der Universität Zürich. «Denn Überfluss macht uns blind für die schönen Dinge im Leben.» Zudem könne Verzicht helfen, langfristige Ziele zu erreichen oder mehr im Einklang mit unseren persönlichen Werten zu leben – zum Beispiel beim Umweltschutz oder der Gesundheit. Dies wiederum wirke sich positiv auf unser Wohlbefinden aus. «Denn Fortschritte bei Zielen oder Werten zu erreichen, die uns wichtig sind, macht uns glücklich und zufrieden – umgekehrt fühlen wir uns schlecht, wenn erwarteter Fortschritt ausbleibt», führt Bernecker aus. Ist der Erfolg auf Selbstdisziplin zurückzuführen, gibt uns das ein gutes Gefühl – und um diese Selbstdisziplin zu trainieren, kann das bewusste Verzichten ein möglicher Weg sein.

Abzuweichen von unseren täglichen Routinen kann zudem zu einer Horizonterweiterung führen: «Also wenn ich realisiere, dass ich ohne eine bestimmte Sache gut oder auch weniger gut auskomme», veranschaulicht Katharina Bernecker. «Und man lernt zu schätzen, was man hat, oder schafft Raum für neue Dinge.»

Damit der Verzicht im Alltag gelingt, und wir nicht vorschnell in alte Muster zurückfallen, gibt es ein paar einfache Tricks: «Es hilft, sich in anderen Kontexten zu bewegen und sich der situativen Auslöser für ein Verhaltensmuster bewusst zu sein», sagt Katharina Bernecker. «Zum Beispiel fällt der Verzicht auf Alkohol schwerer, wenn ich mich in Situationen begebe, in denen ich sonst auch trinken würde», schildert sie. Sinnvoll sei zudem, das soziale Umfeld in seine Pläne mit einzubeziehen: «Wenn andere Personen mitmachen beim Verzicht, kann man sich gegenseitig bestärken und in schwierigen Momenten unterstützen.» Und: «Wenn unsere Mitmenschen Bescheid wissen, können sie Rücksicht auf unser Vorhaben nehmen und uns das Verzichten nicht unwissentlich schwerer machen.» Ein soziales Commitment helfe auch, da wir vor anderen gerne zu unserem Wort stehen – und nicht Schwächen unserer Selbstdisziplin zeigen möchten.

Und wenn wir nach dieser Auszeit wieder in den Alltag zurückkehren? Was macht das mit uns – und können wir aus einer solchen Erfahrung etwas mitnehmen? «Das kommt auf den Erfolg des Verzichts an und darauf, ob man diese Dinge wirklich vermisst hat», sagt Katharina Bernecker. «Manche Dinge werden sich vielleicht wieder besonders gut anfühlen bei erneutem Konsum. Andere hingegen nicht oder man stellt fest, dass man ohne sie ganz gut ausgekommen ist oder sogar glücklicher war.» So oder so könne man aus der Erfahrung Rückschlüsse darauf ziehen, worauf man womöglich dauerhaft im Alltag verzichten könne und möchte.

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