Das musst du wissen
- Labore gibt es in vier unterschiedlichen biologischen Sicherheitsstufen.
- Die Sicherheitsstufe hängt davon ab, welche Organismen untersucht werden und wie die jeweiligen Experimente aussehen.
- Für einige Experimente mit Sars-CoV-2 arbeiten Forschende unter der höchsten Sicherheitsstufe.
Wie erforscht man ein Virus, das eine Pandemie ausgelöst hat, ohne sich anzustecken – oder gar eine neue Pandemie auszulösen? In biologischen Laboren und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. «Der Weg vom Büroschreibtisch bis ins Labor hinein ist nicht weit, dauert aber trotzdem gut 20 bis 30 Minuten», erzählt Benjamin Weber, der Biosicherheitsbeauftragte des Labors in Spiez. Er arbeitet dort in einem Labor der Sicherheitsstufe vier. Es ist die höchste Stufe – das Labor ähnelt einem Hochsicherheitstrakt.
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Es gibt vier verschiedene Sicherheitsstufen, wenn es um biologische Labore geht. Diese unterscheiden sich sowohl in der Art der Organismen, mit denen darin gearbeitet wird, als auch in den benötigten Schutzmassnahmen.
Stufe Eins: minimales Risiko
In Forschungslaboren der Sicherheitsstufe eins untersuchen Forschende vor allem Organismen, die eigentlich keine Krankheiten hervorrufen und nur ein minimales Risiko für Forschende und die Umwelt darstellen. Um Experimente mit Sars-CoV-2 durchzuführen, reicht diese Sicherheitsstufe nicht aus. Schon beim Testen, ob jemand infiziert ist, schützt sich medizinisches Personal stärker, als es in einem Labor der Sicherheitsstufe eins vorgeschrieben wäre. Die Gesundheitsfachleute tragen Handschuhe, Schutzbrille, Laborkittel und Mundschutz.
Stufe Zwei: nicht leicht übertragbare Krankheiten
Um die Proben dann zu analysieren, empfiehlt das amerikanische Zentrum für Kontrolle und Prävention von Krankheiten ein Labor der Sicherheitsstufe zwei. Die Sicherheitsmassnahmen reichen aus, um mit Organismen zu arbeiten, die zwar Krankheiten hervorrufen, aber nicht so leicht übertragbar sind, zum Beispiel HIV. Hier kann virale RNA identifiziert werden, um nachzuweisen, ob es sich wirklich um einen Covid-19-Fall handelt. Die Virus-RNA wird zudem für genetische Analysen genutzt.
Für diese Arbeiten sind Labormantel und Handschuhe vorgeschrieben. Heisser Dampf desinfiziert den Müll. Arbeiten, bei denen feine Tropfen, sogenannte Aerosole, entstehen könnten, werden nur in abgetrennten Schränken, sogenannten biologische Sicherheitskabinetten, durchgeführt, die mit bestimmten Luftfiltern ausgestattet sind.
Stufe Drei: schwere Krankheiten
Soll aber ein intaktes Virus aus diesen Covid-19 Proben isoliert, ein synthetischer Virusklon erzeugt oder die Effekte des Virus auf Zellkulturen beobachtet werden, dann reichen diese Sicherheitsvorkehrungen nicht mehr aus. Solche Forschung geschieht in Labors der Sicherheitsstufe drei: Hier arbeiten Forschende mit Organismen, die schwere und sogar tödliche Krankheiten hervorrufen können und zudem auch per Luft übertragbar sind. Dazu gehören Gelbfieber oder das West-Nil-Virus. Die Arbeit ist hier strenger kontrolliert und muss immer den jeweiligen Behörden gemeldet werden. Um ein solches Labor betreten zu dürfen, muss man nicht nur eine spezielle Schulung absolvieren, die etwa ein halbes Jahr dauert, sondern auch jedes Mal durch Luftschleusen hindurchgehen. Spezielle Overalls aus dichtem Vliesstoff sowie Atemmasken gehören dazu. All das ist zum Beispiel auch dann nötig, wenn Wissenschaftler die Wirksamkeit von Medikamenten gegen Sars-CoV-2 in Zellkulturen erforschen.
Stufe Vier: hochinfektiös
Das ist aber noch nicht alles. In Laboren der höchsten biologischen Sicherheitsstufe, der Stufe vier, arbeiten Forscher mit Organismen, die hochinfektiös sind und tödliche Krankheiten hervorrufen. Dazu gehören neben Ebola auch das Lassa-Virus oder das Variola-Virus, das Pocken auslöst. Für Sars-Cov-2 ist diese Sicherheitsstufe nicht verpflichtend, aber sinnvoll, wenn die natürlichen Übertragungswege untersucht werden sollen. Dies geschieht meist über Tierversuche, die in solchen Hochsicherheitslaboren stattfinden.
Weltweit gibt es nur etwa 50 Labore, die Versuche auf dieser Sicherheitsstufe durchführen dürfen. Nicht alle davon sind aber vollausgerüstete Hochsicherheitslabore. Die Schweiz zum Beispiel beherbergt drei Labore, die Versuche der Sicherheitsstufe vier abwickeln dürfen. Eines befindet sich in Genf – dort steht aber lediglich eine sogenannte Glovebox zur Verfügung. Die Möglichkeiten sind hier also beschränkt. Das Labor Spiez ist das einzige hierzulande, wo mit Vollschutzanzügen geforscht wird.
Wie arbeitet es sich in einem solchen Hochsicherheitslabor?
«Es beginnt mit der ersten Umkleide-Garderobe, in der man sich vollständig auszieht, um daraufhin laboreigene Kleider anzuziehen. Das heisst: Unterwäsche, Socken und einen speziellen Overall, der ein bisschen an einen Pyjama erinnert», erzählt Benjamin Weber, der Biosicherheitsbeauftragte des Labors in Spiez – und eine der neun Personen, die in dem Labor arbeiten dürfen. Bevor der persönliche Schutzanzug darüber angelegt wird, überprüft ihn Weber, gemeinsam mit seinem Kollegen mit Druckluft auf Löcher. Er geht nämlich niemals alleine durch die Luftschleuse ins Labor.
Für die Laborarbeit gibt es in Spiez ein Zeitlimit von etwa vier Stunden. Das ist laut Weber ein Erfahrungswert und hängt unter anderem damit zusammen, dass man nicht schnell hinaus treten kann, um etwas zu essen, zu trinken, oder um auf die Toilette zu gehen. Auch ist es wichtig, dass die Konzentration im Labor hoch ist, damit keine Fehler passieren.
Wenn Weber das Labor wieder verlässt, muss er durch die chemische Dusche, in der Peressigsäure den Anzug dekontaminiert. In den Garderoben ziehen die Forschenden sowohl den Schutzanzug als auch die Kleidung darunter wieder aus. Der Pyjama wird speziell gereinigt, die Unterwäsche entsorgt. Nach einer normalen Dusche darf man den Labortrakt wieder verlassen.
Gefahr lässt sich nicht vollständig bannen
Diese Sicherheitsmassnahmen können nicht immer alle Unfälle und Versehen vermeiden – wenn sie auch sehr selten vorkommen. In Spiez gab es bisher keine Vorfälle. In China wurden 2019 aber zum Beispiel mehr als 100 Labormitarbeitende und Studierende mit Brucellose, einer durch Bakterien hervorgerufenen Krankheit, infiziert. Aber auch bei Sars ist bekannt, dass nach der eigentlichen Pandemie 2003 das Virus sechs Mal aus asiatischen Laboren entkam und dabei vor allem Forschende und Studenten infizierte.
Für die Behauptung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, Sars-CoV-2 stamme aus einem chinesischen Labor, gibt es allerdings keine Beweise. Auch, wenn im Wuhaner Institut für Virologie mit Coronaviren in Fledermäusen gearbeitet wurde, sprechen die bisherigen genetischen Analysen des Virus gegen ein Ausbrechen aus dem Labor.