Das musst du wissen
- Mit einem neuen ökologischen Ansatz haben Forschende die als Schwarzer Tod bekannte Pestwelle in Europa rekonstruiert.
- Erstmals konnten sie so historische Quellen mit naturwissenschaftlichen Daten belegen.
- Aber: Gewisse Hypothesen wurden klar widerlegt.
Zwischen 1347 und 1352 grassierte in Europa die Pest – nahezu die Hälfe der gesamten Bevölkerung starb, so Schätzungen. Doch gerade über die räumliche Ausbreitung des Schwarzen Todes gab es bisher widersprüchliche Quellen. Nun zeigt eine neue im Fachmagazin Nature Ecology and Evolution erschienene Studie: Die Seuche wütete regional ganz unterschiedlich stark – gewisse Orte blieben sogar komplett verschont.
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Studie: Palaeoecological data indicates land-use changes across Europe linked to spatial heterogeneity in mortality during the Black Death pandemicKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie schätzt den Effekt der als Schwarzer Tod bekannten Pestwelle ab, die von 1347 bis 1352 grassierte. Die Proben stammen aber aus dem Zeitraum von 1250 und 1450. Die Pest trat innerhalb der untersuchten Zeiträume in mehreren Regionen erneut auf. Es ist möglich, dass einige Wiederholungen, insbesondere die so genannte pestis secunda der späten 1350er- und frühen 1360er-Jahre, in einigen der untersuchten Regionen verheerender waren als der Schwarze Tod. Ein Teil des festgestellten Rückgangs der Ackerflächen könnte damit sowohl auf den Schwarzen Tod als auch auf frühe Wiederholungen der zweiten Epidemie zurückzuführen sein. Das würde den hier gefundenen demografischen Tribut des Schwarzen Todes in Frage stellen. In diesem Sinne muss weitere Forschung diese Ergebnisse erst bestätigen.Mehr Infos zu dieser Studie...Zu diesem Ergebnis kam ein internationales Team von Forschenden, indem sie mehr als 1600 Proben von Pollen aus ganz Europa untersuchten. Die Pollenkörner und Sporen stammen von Pflanzen, die einst auf Wiesen und Feldern wuchsen und sich dann in Seen und Feuchtgebieten ablagerten. So konnten die Forschenden frühere Landschaften rekonstruieren, also ob es sich um Ackerland, Weideland oder Wald handelte und wie sich die Flächen veränderten. Was das alles mit der Pest zu tun hat? Ganz einfach: Starben in einer Region viele Menschen an der Pest, blieben viele Felder in der Folge unbewirtschaftet. Ackerland wurde dann vermehrt als Weideland genutzt oder verwilderte sogar. Blieben aber viele Menschen am Leben, blieben auch die Ackerflächen bestehen. Wie sich die Zusammensetzung der Pollen über die Jahre änderte, widerspiegelt damit also auch die Veränderung der landwirtschaftlichen Aktivität.
Die Pollenanalyse bestätigt: In einigen Regionen hatte der Schwarze Tod verheerende Auswirkungen. So etwa in Skandinavien, Frankreich, Westdeutschland, Griechenland und Mittelitalien. Hier ging die landwirtschaftliche Aktivität besonders stark zurück. Das korreliert mit dem, was aus mittelalterlichen Quellen bereits bekannt war. Aber: Andere Länder scheinen nur wenig oder gar nicht von der Pestwelle getroffen worden zu sein. Dazu gehörten beispielsweise Ungarn, Polen sowie mehrere Regionen Westeuropas, insbesondere in Irland und Iberien. Hier fanden die Forschenden Hinweise auf ununterbrochenes landwirtschaftliches Wachstum.
Dies entkräfte den Forschenden zufolge jene Geschichten über den Schwarzen Tod, die davon ausgehen, dass das Pestbakterium in ganz Europa gleichmässig oder nahezu gleichmässig verbreitet war und dass die Pandemie überall verheerende demografische Auswirkungen hatte. Vielmehr kann die empirische Forschung nun das Bild eines heterogenen Verlaufs des Schwarzen Tods bestätigen, wie es in anderen Quellen dargestellt wird. Pandemien seien komplexe Phänomene, die jedoch auch immer regionale und lokal unterschiedliche Ausprägungen aufweisen, sagt der Historiker Adam Izdebski vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in einer Mitteilung. «Was wir schon während der Covid-19-Pandemie erlebten, konnten wir nun auch für die damaligen Pestausbrüche zeigen.»
Die genauen Gründe für diese grossen Unterschiede bleiben aber weiterhin im Dunkeln. Hier dürfte aber ein ganzer Strauss verschiedener Faktoren eine Rolle gespielt haben: kulturelle, wirtschaftliche, gesellschaftliche, aber auch klimatische und ökologische – genau wie in der aktuellen Corona-Pandemie.