Das musst du wissen

  • Bundesparlamentarier mit Amtszeitbeschränkung sind gegen Ende der letzten Legislaturperiode nicht mehr so aktiv.
  • Sie reduzieren eher ihre parlamentarischen Aktivitäten und weichen in Abstimmungen von der Position ihrer Partei ab.
  • Kaum einen Einfluss auf das Verhalten hat die Amtszeitbeschränkung dagegen auf Kantonsebene.

Damit neue, unverbrauchte Personen frischen Wind in die Parlamente bringen können, seien Rotationen nötig, ist ein häufiges Argument für eine Amtszeitbeschränkung. Damit würde der Entstehung eines Politikerfilzes entgegengewirkt, und amtsältere Abgeordnete seien nicht unbedingt besser als neu eintretende. Die Gegner der Amtszeitbeschränkung betonen neben der Kontinuität die Erfahrung und Sachkunde der langjährigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Zudem komme es mit der Amtszeitbeschränkung in den Räten neben der schon bestehenden Rotation zu zusätzlichen personellen Wechseln.

In einigen parlamentarischen Systemen der Schweiz sind bestimmte Amtszeitbeschränkungen vorgeschrieben. Wegen des föderalen Charakters des Landes gelten diese Begrenzungen auf verschiedenen Ebenen und sind von unterschiedlicher Dauer. Gemessen werden sie entweder in Legislaturen, das sind meist drei bis fünf Legislaturperioden oder in Amtsjahren, meist 12 oder 16 Jahre. Auch kantonale Sektionen der Parteien können die Amtszeiten ihrer parlamentarischen Vertreter und Vertreterinnen einschränken. Diese wenden solche Bestimmungen unterschiedlich streng an. Eine solche Amtszeitbeschränkung der SVP Bern war im Vorfeld der Nationalratswahl 2019 im Zusammenhang mit dem langjährigen Nationalrat Adrian Amstutz öffentlich diskutiert worden.

Parlamente während 16 Jahren untersucht

Eine Forschergruppe hat nun das Verhalten von Abgeordneten im National- und Ständerat gemessen – mit und ohne Amtszeitbeschränkung. Analysiert wurden neu zusammengetragene Daten in Form von Reden, Vorstössen und Abstimmungen über insgesamt 16 Jahre. Gleichzeitig erforschte das Team das entsprechende Verhalten in den kantonalen Parlamenten von Basel-Stadt (Grossrat) und Baselland (Landrat). Die Resultate der Studie im SNF-Projekt «Parliamentary Careers in Comparison» wurden im Fachblatt «Legislative Studies Quarterly» veröffentlicht.

Science-Check ✓

Studie: Shirking and Slacking in ParliamentKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Datengrundlage ist sehr umfassend, die Resultate der Studie sind deshalb zuverlässig. Sie kann allerdings nur feststellen, dass sich das Verhalten der Bundesparlamentarier gegen Ende ihrer Amtszeit ändert. Warum sie dies tun, bleibt spekulativ.Mehr Infos zu dieser Studie...

Die Forschenden stiessen auf Bundesebene auf Hinweise, dass Parlamentsmitglieder mit Amtszeitbeschränkung gegen Ende der letzten Legislaturperiode ihr Verhalten ändern, da sie nicht wiedergewählt werden können. Sie weichen in den Abstimmungen eher von der Position ihrer Partei ab. Ebenso reduzieren sie eher ihre parlamentarischen Aktivitäten, beteiligen sich also weniger an Voten und Abstimmungen, enthalten sich öfter der Stimme und reichen auch weniger Vorstösse ein. Kaum einen Einfluss auf das Verhalten hat die Amtszeitbeschränkung dagegen in den beiden untersuchten Kantonen.

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Bund vs Kantone

Solche Unterschiede zwischen Bund und Kanton könnten darauf zurückzuführen sein, dass kantonale Parlamentarierinnen und Parlamentarier nach der letzten Amtszeit noch in den National- oder Ständerat gewählt werden können oder wollen, kommentiert Erstautorin Elena Frech die Ergebnisse der Studie. Sie könnten demnach weniger von der Parteiposition abweichen, um diese Karriereoption nicht zu gefährden. Umgekehrt sei die politische Karriere der Mitglieder von National- und Ständerat mit der letzten Amtszeit meist vorüber, was den Effekt der Beschränkung noch verstärken könnte. «Insgesamt konnten wir zeigen, dass Amtszeitbeschränkungen potenziell auch negative Nebeneffekte haben», so Frech.

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