Das musst du wissen

  • Die Eisschmelze auf dem arktischen Ozean war 2019 die zweitgrösste, die durch Satelliten je registriert wurde.
  • Allein durch die Schmelze auf Grönland ist der Meeresspiegel zwischen 1992 und 2018 um rund einen Zentimeter gestiegen
  • Doch auch ein arktisches Meer ganz ohne Eis würde immer noch zur Kühlung der Erde beitragen, sagen Forschende.

Die Arktis, wie wir sie heute kennen, ist kaum mehr zu retten. Keine andere Region der Erde erwärmt sich derzeit so schnell. In den vergangen zehn Jahren ist sie um 0,75 Grad wärmer geworden – das ist ungefähr gleich viel wie die globale Temperatur seit dem Beginn des industriellen Zeitalters gestiegen ist. Auch dieses Jahr war ein aussergewöhnlich warmes in der Nordpolregion. Das führt zur unaufhaltsamen Eisschmelze: Immer mehr Eis schmilzt im Sommer weg – und kommt im Winter in kleinerer Menge zurück.

Auf einen Kaffee mit higgs

Wir brauchen deine Unterstützung!

Es freut uns sehr, dass du higgs nutzt. Das zeigt uns, dass es einen Informationskanal wie den unseren braucht. Aber vom Zuspruch allein können wir nicht leben. Wir sind auf Spenden angewiesen. Dürfen wir dir vorschlagen, pro Monat einen Kaffee auf higgs auszugeben? Das wären fünf Franken pro Monat. Nur mit dir kann higgs weiterbestehen. Vielen Dank ❤️

Dass die Eisschilde, die Land und Meer bedecken, verschwinden, hat viele Probleme zur Folge. Einerseits steigt der Meeresspiegel: Allein durch das Schmelzen des grönländischen Eisschilds ist der Meeresspiegel seit 1992 um elf Millimeter angestiegen, wie eine neue Studie zeigt. Zweitens wird durch die Schmelze das Treibhausgas CO₂ aus dem Permafrost freigesetzt, wodurch sich die Atmosphäre schneller und immer mehr erwärmt. Drittens wird die Sonneneinstrahlung ohne Eisschild nicht mehr zurück ins All reflektiert, was ebenfalls zur Klimaerwärmung beiträgt. Die nackten Böden aus Erde und Felsen werden die Energie der Sonne aufnehmen. Wenn das Eis in der Arktis schmilzt, löst das also eine ganze Reihe von Kettenreaktionen aus.

Selbst wenn die Welt das Ziel erreichen sollte, die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten steigen zu lassen, wird sich die Arktis verändern. Wissenschaftler suchen nun nach Wegen, die Erde anderweitig zu kühlen – das nennt sich Geoengineering. Ein Vorschlag besteht darin, Partikel in die Stratosphäre zu streuen, welche die Sonneneinstrahlung zurück ins All reflektieren. Andere plädieren dafür, die Schmelze aufzuhalten, in dem Meereswasser hinaufgepumpt und auf Oberfläche der Eisschilde aufzusprühen, damit das Eis dicker wird.

Eine neue Studie diskutiert nun die unkonventionelle Variante, das arktische Meer – ist die Lage nicht mehr zu retten – lieber komplett eisfrei zu halten. Die Forschenden des International Institute for Applied Systems Analysis gehen von Klimamodellen aus, die besagen, dass eine Eisschicht auf das Meerwasser wie eine Isolierschicht wirkt. So kann die Wärme aus den Ozeanen nur schlecht entweichen. Ohne Eis aber würden die Ozeane ihre Wärme an die kalte, arktische Atmosphäre abgeben, von wo aus sie ins All ausgestrahlt würden. Berechnungen zeigen laut Autoren, dass die eisfreien Meere mittels langwelliger Ausstrahlung leicht mehr Wärme ins All abgäben, als die kurzwellige Sonneneinstrahlung das Meer erwärmen würde. Die Meere würden kühler, die Atmosphäre in der Arktis würde aber wärmer. Eisfreie, arktische Meere würden netto die Erde jedoch eher kühlen als von Eis bedeckte.

Science-Check ✓

Studie: Cooling down the world oceans and the earth by enhancing the North Atlantic Ocean current KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie dreht sich vor allem um die technischen Machbarkeiten, das arktische Meer eisfrei zu halten. Die Folgen, welche dies zum Beispiel auf die Eisschmelze an Land hätte, werden nicht thematisiert. Sie basiert auf der Annahme, dass die arktischen Meere mehr Wärme abstrahlen als sie durch die Einstrahlung erhitzt würden – diese Annahme ist aber nicht bewiesen. Es handelt sich um ein Modell, das als Gedankenexperiment zu verstehen ist. Eine realistische Lösung ist dies nicht. Die Studie bringt wenig Evidenz, zeigt durch ihre Absurdität aber wie komplex die Thematik ist.Mehr Infos zu dieser Studie...

Die Ozeane würden gekühlt und ihre Masse würde sich somit weniger stark ausdehnen – was ein zweiter Grund für den Anstieg des Meeresspiegels wäre. Auch bedroht die Erwärmung der Meere verschiedenste Ökosysteme. Nur: Bis der Kühleffekt einsetzen würde, dauerte es hunderte, wenn nicht tausende von Jahren. Die Autoren sehen aber auch andere Vorteile, die mit sofortiger Wirkung einträten: Schiffe könnten eine eisfreie Arktis das ganze Jahr hindurch passieren, wodurch sich die Transportwege für Güter reduzierten würden. Auch würde die Temperatur in den arktischen Regionen steigen, was zu geringeren Heizkosten führen würde. Und ein eisfreies arktisches Meer könnte zusätzlich CO₂ absorbieren und es so der Atmosphäre entziehen.

Doch wie soll das Meer eisfrei bleiben? Die Forschenden stellen verschiedene Methoden vor, mit denen der Salzgehalt der arktischen Meere erhöht würde. Dies würde eine Wasserzirkulation zwischen dem wärmeren nordatlantischen Meer und dem arktischen Meer erzeugen. Dadurch würde das arktische Meer wärmer – und eisfreier. Der Salzgehalt würde dadurch erhöht, dass der Zufluss von Süsswasser eingeschränkt und zudem die vertikale Durchmischen des Meereswassers gefördert würde.

Das Gedankenexperiment der Forschenden scheitert aber schliesslich an der Komplexität des globalen Klimas, wie sie selber einräumen: Es sei schwierig, den Effekt eines eisfreien arktischen Meers auf die globale Klimaerwärmung genau zu beziffern. Auch was mit den Eisschilden auf dem Festland passieren würde und ob diese mit oder ohne Eis sinnvoller wären, wird nicht geklärt. Die Autoren erwähnen lediglich, dass das grönländische Eisschild durch ein wärmeres arktisches Meer wohl ebenfalls schneller schmelzen würde. Auch die ökologischen Folgen kommen nicht zur Sprache. Kurz: Die Studie wirft mehr Fragen auf, als sie klärt und trägt eine grosse Portion Absurdität in sich. «Wir sollten aber trotzdem darüber nachdenken, wie wir die Umwelt den neuen Gegebenheiten des Klimawandels anpassen könnten», sagt Studienautor Julian Hunt in einer Mitteilung. Weitere Forschung in diese Richtung sei angebracht. Eines aber zeigt die Studie: Die lange Reihe von Kettenreaktionen, welche der Klimawandel mit sich bringt, lässt sich nicht leicht durchbrechen.

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende