Das musst du wissen

  • Obwohl sie nur entfernt verwandt sind, entwickeln Schmetterlings-Spezies in Peru und Costa Rica ähnliche Flügelmuster.
  • Laut einer neuen Studie gelangen sie auf unterschiedlichen genetischen Wegen zu diesem gleichen Muster.
  • Dies könnte bedeuten, dass Zufall in der Evolution eine entscheidende Rolle spielt.

Wie kann es sein, dass Schmetterlinge, die nur sehr entfernt verwandt sind, die gleichen Muster auf den Flügeln haben? Genau dieses Phänomen lässt sich beim Schmetterling des Genus Heliconius beobachten. Es gibt der Wissenschaft ein Rätsel auf.

Ein Forschungsteam des Smithsonian Tropical Research Institute ist diesem Rätsel nun auf den Grund gegangen. In einer neuen Studie, die im Fachjournal Current Biology erschienen ist, kommen die Forschenden zum Schluss, dass die verschiedenen Spezies auf unterschiedliche Weise zum gleichen Resultat gelangt sind. «Stellen Sie sich zwei Teams vor, die mit den gleichen Legosteinen ein identisches Gebäude bauen müssen», schreibt Arnaud Martin, Mitautor der Studie, in einer Mitteilung. «Die Teams gehen anders vor, schlussendlich ist das Resultat aber dasselbe.»

Science-Check ✓

Studie: Interplay between Developmental Flexibility and Determinism in the Evolution of Mimetic Heliconius Wing PatternsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studienresultate sind markant und durch die grosse Stichprobe zuverlässig. Allerdings lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, was sie bedeuten – die Evolution erklärt sich noch nicht.Mehr Infos zu dieser Studie...

Neun verschiedene Unterarten von Heliconius aus Costa Rica und Peru wurden untersucht – jeweils in Paaren, die fast gleich aussehen, aber nur entfernt verwandt sind. Pro Paar ist jeweils eine Art giftig, die andere nicht. Die ungiftigen Schmetterlinge haben über Jahrmillionen ihr Muster demjenigen der giftigen Falter angepasst, um sich vor Fressfeinden zu schützen.

Mithilfe der Gentechnologie Crispr/Cas 9 deaktivierten die Biologen bei den Larven des Genus Heliconius ein Gen, welches das Flügelmuster mitprägt. Bei allen Schmetterlingen veränderte sich das Flügelmuster durch die Genveränderung – doch bei den verschiedenen Spezies veränderte es sich unterschiedlich.

Links sind von den Spezies H. erato demophoon und H. melpomene rosina jeweils die Flügelmuster zu sehen, die in freier Wildbahn auftauchen (WT). Die rechte Seite zeigt die Variante mit ausgeschaltetem WntA-Gen (WntA mKO).C. Concha et al., Current Biology

Links sind von den Spezies H. erato demophoon und H. melpomene rosina jeweils die Flügelmuster zu sehen, die in freier Wildbahn auftauchen (WT). Die rechte Seite zeigt die Variante mit ausgeschaltetem WntA-Gen (WntA mKO).

Diese unterschiedlichen Resultate desselben Eingriffs sehen die Forschenden als Zeichen, dass die beiden Spezies auf unterschiedliche Art und Weise zu ihrem Muster gekommen sind. Denn sonst hätten sie auch nach der Genmanipulation gleich aussehen müssen. Das betroffene Gen kommt demnach zwar bei beiden vor, hat aber eine andere Funktion. Und diese ist unvorhersehbar. Wie ein Gen in einem Organismus benutzt wird, ist also zufällig.

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Für die Studienautoren ist das ein Hinweis auf die sogenannte Kontingenztheorie. Diese besagt, dass die Evolution vor allem auf Zufällen beruht und anders abliefe, würde «das Band zurückgedreht».

Auch für Andrea Grill, Evolutionsbiologin an der Universität Bern, bestärken die Studienresultate die Kontingenztheorie: «Die Resultate veranschaulichen die Theorie sehr schön. Doch einen Beweis liefern sie nicht. Leider gibt es die Erde nur einmal, weshalb wir nicht simulieren können, welche anderen Wege die Evolution hätte einschlagen können.»

Denn die Resultate der Studie könnten auch genau umgekehrt interpretiert werden, nämlich als Hinweis auf die Konvergenztheorie. Laut dieser sind Spezies gezwungen, gewisse Entwicklungen durchzumachen, um ihr Überleben zu sichern. Beispielsweise haben viele Fische einen ähnlichen, stromlinienförmigen Körperbau, um besser und schneller schwimmen zu können. «Und auch zwischen Fledermäusen und Störchen gibt es gewisse Ähnlichkeiten im Bau der Flügel, obwohl sie evolutionär gesehen nicht sehr nahe verwandt sind», sagt Andrea Grill. Im Fall der Schmetterlinge würde das bedeuten, dass Heliconius von Anfang an gar keine andere Wahl hatte, als dieses spezifische Flügelmuster zu entwickeln. Die Konvergenztheorie sage also, dass gewisse Entwicklungen zwangsläufig zustande kommen mussten, und deshalb auf verschiedenen Wegen entstanden sind.

Laut Grill schlagen die Studienautoren einen Mittelweg zwischen den beiden Theorien ein. «Nämlich, dass Lebewesen unter Adaptationsdruck schon gewisse ähnliche Baupläne entwickeln, aber die Wege dahin verschieden sein können, also der Zufall eine beträchtliche Rolle spielt.»

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