Das musst du wissen
- Forschende verglichen betrügerische und nicht betrügerische Firmen in den USA zur Zeit der Finanzkrise 2008.
- Unter den Betrügern fanden sich häufiger grosse und angesehene statt kleine und finanziell angeschlagene Firmen.
- Ein höheres Risiko für Betrug hatten auch jene Firmen, denen ein starkes Wachstum vorausgesagt wurde.
Schaut man sich die Liste der grössten Bilanzskandale der 2000-er Jahre an, finden sich lauter grosse Namen: Toshiba, Enron und jüngst Wirecard. Ist Wirtschaftsbetrug also nur ein Problem der grossen Fische im Teich? Tatsächlich scheinen bekannte Unternehmen häufiger in Finanzbetrug verwickelt zu sein als kleinere Firmen. Zu diesem Schluss kommt eine amerikanische Studie, die im Fachmagazin Justice Quarterly veröffentlicht wurde.
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Studie: Financial Prominence and Financial Conditions: Risk Factors for 21st Century Corporate Financial Securities Fraud in the United StatesKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie basiert auf einer offiziellen Liste der US-Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde. Dadurch steht den Forschenden eine sehr umfangreiche Datenbank zur Verfügung. Diese könnte aber verzerrt sein, da prominente Firmen möglicherweise genauer unter die Lupe genommen werden als kleinere Firmen. Weitere Studien müssen diese Resultate also erst bestätigen.Mehr Infos zu dieser Studie...Für die Studie untersuchten Soziologen mehr als 250 US-amerikanische Aktiengesellschaften, die zwischen 2005 und 2013 – also im Zeitraum der globalen Finanzkrise 2008 – an Wertpapierbetrügereien beteiligt waren. Diese verglichen sie mit über 500 zufällig ausgewählten US-Firmen mit einer, nach allem was bekannt ist, reinen Weste. Sie suchten nach einem Muster: Welche Unternehmen neigen eher dazu, Finanzmärkte zu manipulieren, also beispielsweise Zahlen zu fälschen oder Investoren zu belügen?
Was ihre Analyse zeigte, hat die Forschenden selbst erstaunt: «Wir dachten, dass es Unternehmen sein würden, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, die kurz vor dem Bankrott stehen», sagte Jennifer Schwartz, Soziologin und Erstautorin der Studie, in einer Mitteilung. Doch genau das Gegenteil war der Fall: Ein grosses Betrugsrisiko hatten Unternehmen, die in den Fortune 500 gelistet waren. Das ist eine Liste der amerikanischen Zeitschrift Fortune, die die 500 umsatzstärksten US-Unternehmen aufführt. Darauf aufgeführte Firmen waren insgesamt fast viermal so häufig unter den Betrügern vertreten als in der Kontrollgruppe. Betrügerischer agierten auch Firmen, die an der New Yorker Börse gehandelt wurden und von denen erwartet wurde, dass sie in Zukunft stark wachsen. Also Firmen, die unter grossem finanziellen Leistungsdruck standen.
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Doch nicht nur Sichtbarkeit, Reputation und Erwartungen, sondern auch die interne Firmenstruktur kann Gesetzesbrüche begünstigen: So trat Betrug häufiger da auf, wo der CEO gleichzeitig Verwaltungsratspräsident war. Eine solche Konstellation ist in den USA, aber beispielsweise auch in der Schweiz, erlaubt. Doch da solche CEOs in Doppelfunktion weniger unter externer Kontrolle stehen, haben sie womöglich ein leichteres Spiel, Betrügereien durchzuziehen. Diesen Aspekt wollen die Forschenden zukünftig genauer untersuchen, weil sich hier ein möglicher Hebel bietet, um Wirtschaftskriminellen den Riegel zu schieben: Beispielsweise mit einem Gesetz, das Aktiengesellschaften die Unabhängigkeit zwischen Vorstand und Management vorschreibt.