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Was bin ich es leid, in der Diskussion über den Klimawandel die immer gleiche Frage wiederzukäuen. Nämlich: Ist der Mensch schuld an der Klimaerwärmung?

Diese Frage bringt nichts, weil sie längst zum Dogma geworden ist. Und vor allem: Es ist die falsche Frage, weil wir sie letztlich nie schlüssig beantworten können.

Viel wichtiger ist die Frage, ob die Menschheit jetzt Massnahmen ergreifen soll, oder nicht.

Um dies zu entscheiden gibt es ein faszinierendes Gedankenexperiment, das der US-Amerikaner Greg Craven schon vor zwölf Jahren entworfen hat, aber leider nie ernsthaft analysiert worden ist. Denn – egal, ob man an den menschengemachten Klimawandel glaubt oder nicht – es gibt nur eine Antwort darauf: Ja, wir müssen jetzt handeln.

Craven hat die Frage mit einem Risikoanalyse-Tool beantwortet. Dazu hat er zwei Unterfragen identifiziert:

Ist die Klimaerwärmung menschengemacht? Ja/Nein
Ist es sinnvoll zu handeln? Ja/Nein

Diese Fragen werden in einer Matrix angeordnet, nach der sich vier Szenarien ergaben:

A: Es gibt keine menschengemachte Klimaerwärmung, also unternehmen wir nichts und schaden so nicht der Wirtschaft.

B: Es gibt eine menschengemachte Klimaerwärmung, aber wir unternehmen nichts, weil wir zu bequem sind. Die globalen Folgen sind katastrophal.

C: Es gibt eine menschengemachte Klimaerwärmung, wir unternehmen etwas und wenden die Krise damit ab.

D: Es gibt keine menschengemachte Klimaerwärmung, aber wir unternehmen trotzdem etwas, verschwenden also Geld.

Besonders interessant ist diese letzte Kombination. Sie ist klassische Risikoanalyse. Dabei geht es darum, das Schlimmste zu vermeiden. Was wäre, wenn wir in fünfzig Jahren feststellen, dass sich die Wissenschaft geirrt hat und es gar keine menschengemachte Klimaerwärmung gibt? Dann hätten wir ohne Grund gehandelt, hätten ohne Not viel Geld für Massnahmen ausgegeben. Das grösste Risiko dabei wäre aber «nur» eine globale Wirtschaftskrise.

Betrachten wir also die vier Szenarien. Völlig unabhängig davon, ob es einen menschengemachten Klimawandel gibt oder nicht: Es gibt zwei Handlungsoptionen.

Ja, etwas unternehmen. Nein, nichts unternehmen. Bei «Ja» ist das grösste Risiko wie gesagt eine Wirtschaftskrise. Bei «Nein» ist das grösste Risiko eine Klimakatastrophe mit überschwemmten oder ausgedorrten Ländern und vielen Flüchtlingen. Die Welt wäre eine andere als heute.

Das bedeutet also, wir müssen das Risiko «Wirtschaftskrise» gegen das Risiko «globale Klimakatastrophe» abwägen.

Und bei dieser Frage werden wohl alle zu demselben Ergebnis kommen: Ja, wir müssen handeln.

Die Idee zu diesem Faktist entstand durch einen Beitrag von Roman Tschäppeler, Kreativproduzent und Mikael Krogerus, «Magazin»-Redaktor; rtmk.ch.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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