Das musst du wissen
- Bauern könnten mit nachhaltiger Landwirtschaft 10,2 Milliarden Menschen weltweit ernähren.
- Um nachhaltig zu werden, müssten aber gewisse landwirtschaftliche Gebiete aufgegeben werden.
- Auch müsste die Essensverschwendung reduziert werden – und wir müssten weniger Fleisch und tierische Produkte essen.
Acht Milliarden Menschen bevölkern die Erde, bis im Jahr 2050 sollen es knapp zehn Milliarden sein. Gleichzeitig haben sich grosse Teile der Weltgemeinschaft dem Zwei-Grad-Ziel verschrieben: Das Pariser Abkommen fordert, dass sich die Erde bis 2050 nicht über zwei Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten erwärmen sollte. Um das zu erreichen, müssen wir auf Nachhaltigkeit umsteigen. Zum Beispiel in der Landwirtschaft.
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Aber: Geht das überhaupt? Das geht theoretisch, sagt eine neue Studie, die unter Leitung deutscher Forschenden entstanden ist. Die Umsetzung ist allerdings schwierig – denn es braucht etliche Umstellungen und vor allem Verzicht.
Science-Check ✓
Studie: Feeding ten billion people is possible within four terrestrial planetary boundariesKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie berechnet rein mathematisch das Produktionspotential der globalen Landwirtschaft unter Berücksichtigung der planetaren Grenzen. Handelsströme wurden dabei nicht berücksichtigt. Das Konzept der planetaren Grenzen und wie diese bestimmt werden ist umstritten. Es handelt sich hier demnach um eine hypothetische Möglichkeitsberechnung, deren Umsetzung fraglich ist.Mehr Infos zu dieser Studie...Die Studie hat berechnet, wie viel Nahrung auf der Erde produziert werden könnte, wenn vier sogenannte planetare Grenzen berücksichtigt werden: So muss die Biosphäre intakt bleiben, die Natur muss also geschützt und das Artensterben eingedämmt werden. Die Wälder dieser Erde, welche das Klima im Gleichgewicht halten, sollten nicht zu sehr schrumpfen, die Gewässer dürfen nicht so stark angezapft werden, dass die Flüsse vertrocknen. Ausserdem darf der Düngereinsatz nicht zu einer Stickstoffanreicherung in der Natur führen. Diese Massnahmen führen theoretisch zunächst zu einer Abnahme der Nahrungsproduktion: Würden diese Grenzen strikt eingehalten – ohne dass andere Massnahmen zur Wahrung der Nahrungsmittelsicherheit eingesetzt würden – dann könnten so nur 3,4 Milliarden Menschen davon leben. «50 Prozent unserer Nahrungsmittelproduktion geschieht also auf Kosten der Umwelt», sagt Dieter Gerten, Forschender am Potsdam-Institut für Klimaforschung und Hauptautor der Studie.
Doch dieser Verlust liesse sich durch effizienteres Produzieren, weniger Verschwendung und reduzierten Konsum wett machen. Und nicht nur das. Die Produktion könnte so sogar über das heutige Niveau steigen und für 10,2 Milliarden Menschen reichen. Regionen, die unter Hunger leiden, würden produktiver. Nur: Das global umzusetzen, ist schwer bis unmöglich. Nicht nur bräuchte das eine reibungslose globale Zusammenarbeit, es müsste auch sichergestellt werden, dass alle Menschen Zugang zu Nahrung erhalten, was ja heute bereits ein Problem ist. Zudem wärem auch Umverteilungen der Landwirtschaftsfläche notwendig. Bewohntes oder bewirtschaftetes Land müsste aufgegeben werden, damit der Naturschutz gewährleistet bliebe. An anderen Orten könnte dafür Landwirtschaft aufgenommen werden. Auch müssten effiziente Methoden wie zum Beispiel sparsame Bewässerungssysteme eingesetzt werden. In manchen Ländern, zum Beispiel im nahen Osten, wäre aber selbst bei Ausreizung all dieser Massnahmen eine selbsterhaltende Nahrungsmittelproduktion nicht möglich: Die dortigen Länder würden von Importen abhängig – manche sind es schon heute. «Wir haben mit unseren Berechnungen gezeigt, dass es rechnerisch möglich wäre, die globale Landwirtschaft nachhaltig zu machen», sagt Dieter Gerten. Das Wissen dazu liege vor. Nun sei es an der Politik, die Ziele anzugehen, die auch in den Sustainable Development Goals der Uno festegelegt seien.
Für die Schweiz würde das Szenario in der Studie konkret bedeuten, dass jeder Einwohner und jede Einwohnerin wöchentlich nur noch 500 Gramm Fleisch ässe statt rund ein Kilogramm, wie es heute der Fall ist. Der Verzicht kann sich aber auch im eingeschränkten Konsum von anderen tierischen Lebensmitteln äussern. Ein grosses Problem besteht in der Schweiz zudem im Einsatz von Düngemittel: Die «planetare Grenze» bezüglich der Anreicherung von Stickstoff in Gewässern beträgt laut Gerten ein Milligramm pro Liter. In der Schweiz wird dieser Wert in Landwirtschaftszonen aber häufig überschritten.
Mittels Verzicht, Sparsamkeit und Effizienz könnten wir also 10,2 Milliarden Menschen ernähren. Das gilt aber nur, falls die Staaten das Ziel erreichen, die Klimaerwärmung nicht über zwei Grad ansteigen zu lassen. Schreitet der Klimawandel fort, wird es immer schwieriger, mit nachhaltiger Landwirtschaft immer mehr Leute zu ernähren.