Das musst du wissen
- Seit Jahrzehnten wird erforscht, wie sich die Vermittlung von Wissen auf die Gesundheit von Erkrankten auswirkt.
- Eine Übersichtsstudie fasst die Ergebnisse aus der gesamten Zeit zusammen.
- Sie zeigt: Aufklärende Massnahmen wirken unabhängig vom Krankheitsbild positiv.
Der Heilungsprozess einer erkrankten Person hängt von vielen Faktoren ab. Unterstützen können dabei nicht nur Arzneimittel, sondern auch Informationen, Schulungen und Beratungen sollen Kranke wieder gesünder machen. Im Fachjargon nennt sich das Patientenedukation. Dass eine solche bei vielen Leiden auch tatsächlich wirkt, zeigt nun eine aktuelle Studie deutscher Psychologinnen und Psychologen.
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Studie: What sixty years of research says about the effectiveness of patient education on health: a second order meta-analysisKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Metaanalyse fasst die Ergebnisse verschiedener anderer Metaanalysen zusammen. Sie basiert damit auf einem sehr grossen Datensatz, was sie zuverlässig macht. Die Limitierungen der einzelnen Studien kann die Übersichtsstudie aber nicht umgehen. Zudem weisen die einzelnen Studien auch eine grosse Heterogenität auf. Etwa bezüglich der Art der Wissensvermittlung, dem sozioökonomischen Status, dem Alter oder auch der Art des Leidens (akut oder chronisch). Wie sich die Effekte der Patientenedukation in Bezug auf diese Merkmale unterscheiden, konnte die Studie damit nicht untersuchen.Mehr Infos zu dieser Studie...Grundsätzlich ist diese Erkenntnis, die im Fachmagazin Health Psychology Review veröffentlicht wurde, nicht neu: Mehrere Einzel- und Übersichtsstudien zu bestimmten Krankheiten und Patientengruppen deuteten bereits darauf hin. Einige Fragen waren bisher aber noch offen: Wie allgemein gültig ist der positive Effekt? Lassen sich die Auswirkungen auf verschiedene Parameter – wie Blutdruck, Schmerzen oder die regelmässige Einnahme von Medikamenten – verallgemeinern? Und welche Arten von Wissensvermittlung sind am wirksamsten?
Um dies herauszufinden, analysierten die Forschenden in ihrer aktuellen Studie die gesamte Forschung zur Patientenedukation der letzten sechzig Jahre. Dabei kam heraus: Über alle Studien hinweg war der Effekt positiv – unerwünschte Nebenwirkungen sind bisher keine bekannt. Darüber hinaus ist die Aufklärung von Patientinnen und Patienten bei einer Vielzahl von Krankheiten wirksam, am effektivsten jedoch bei Diabetes, bei Kreislaufkrankheiten und nach Operationen. Eine mögliche Erklärung dafür sei, dass bei allen drei Gesundheitsproblemen Veränderungen im Lebensstil eine wichtige Rolle spielen, schreibt die Autorenschaft in der Studie. Die Betroffenen können durch eigenes Handeln im Alltag also aktiv den Heilungsprozess fördern.
Was sich auch zeigte, ist: Wissen über die eigene Krankheit hat positive Effekte auf physiologische, physische und psychologische Parameter. Damit habe die Patientenedukation beispielsweise das Potenzial, nicht nur den Blutzucker einer Person mit Diabetes zu senken, sondern auch den psychischen Zustand zu verbessern. Oder ganz allgemein gesagt: Sie kann ganz unterschiedliche Krankheitsparameter beeinflussen. Das sei bemerkenswert, schreiben die Forschenden. Denn im Gegensatz dazu zielen die meisten anderen medizinischen Behandlungen, etwa medikamentöse, hauptsächlich auf einzelne Parameter ab – Insulinspritzen beispielsweise auf den Insulinhaushalt. Welche Art der Wissensvermittlung am wirksamsten ist, bleibt weiterhin ungeklärt. Die Studie deutet aber darauf hin, dass umfangreiche Trainings effektiver sind als einfache Thekengespräche in der Apotheke oder ein Infoblatt im Wartezimmer.
Für die Studienautorin Bianca Simonsmeier-Martin ist damit klar: «Im Vergleich zu komplexen und meist teuren operativen oder pharmakologischen Therapien ist die Patientenedukation eine einfache und effektive Methode zum Wohl der Patienten», wie sie in einer Mitteilung schreibt. Dass diese Massnahme noch immer ein medizinisches Schattendasein führe und nicht intensiver als Unterstützung einer Therapie angewendet wird, kann sie daher nicht verstehen. Ihre Erklärung: Einerseits könne die Ärzteschaft die Aufklärung schlechter finanziell abrechnen. Andererseits sei die positive Wirkung in Fachkreisen möglicherweise noch immer zu wenig bekannt. Was es daher brauche, seien einheitliche Standards für die Anwendung – wie es sie bei Medikamenten auch gibt.