Das musst du wissen

  • Eine Forscherin aus Lettland hat kurz nach Kriegsausbruch die Initiative #ScienceForUkraine ins Leben gerufen.
  • Die Initianten haben für ukrainische Forschende eine internationale Datenbank mit akademischen Positionen errichtet.
  • Mit von der Partie sind auch Schweizer Universitäten und Hochschulen.

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Von Forschenden für Forschende: Die Welt der Wissenschaft vernetzt sich, um Studierende, Doktoranden und Dozentinnen auf der Flucht vor dem Ukraine-Krieg zu unterstützen. Unter dem Hashtag #ScienceForUkraine haben Wissenschaftler aus rund vierzig Nationen eine Datenbank zusammengestellt, auf der Hochschulen und Forschungsinstitute laufend Stellen und Angebote für andere Forschende aufschalten. Dadurch sollen Menschen, die aktuell aus der Ukraine fliehen oder dort festsitzen, ihre akademische Arbeit in einem anderen Land fortsetzen oder überbrücken können. Bereits mehr als 660 Angebote sind auf der Webseite seit dem Auftakt der Initiative aufgeschaltet worden. Ins Leben gerufen wurde diese kurz nach Ausbruch des Krieges von einer Wissenschaftlerin aus Lettland. Seither verbreitet sich der Hashtag #ScienceForUkraine in den sozialen Medien – und erreicht immer mehr Forschende aus aller Welt.

Die Job-Angebote auf der Datenbank decken eine breite Palette an wissenschaftlichen Disziplinen und Positionen ab – von den Natur- bis zu den Sozialwissenschaften, vom Doktorat in jüdischen Studien bis zur Assistenzstelle in der Forschung zu chronischen Nierenerkrankungen. Entgegengenommen werden Angebote für eine Dauer von mindestens drei Monaten. Dies in Anbetracht der unsicheren Lage in der Ukraine, wie die Organisatoren auf ihrer Webseite schreiben. «Schön wäre es, wenn Stellen für einen möglichst langen Zeitraum gewährt werden könnten», heisst es.

Eine Million Franken vom Schweizerischen Nationalfonds

Auch die Schweiz hilft mit: Verschiedene Departemente der Universitäten Zürich, Basel, Bern, St. Gallen und Lausanne, der ETH Zürich und Lausanne sowie weitere Forschungsinstitute und -gruppen haben in der internationalen Datenbank ihre freien Stellen für Flüchtende aus der Ukraine eingetragen. Inzwischen sind knapp fünfzig solcher Angebote zusammengekommen, wie Johannes Knörzer, Schweiz-Koordinator und Physiker an der ETH Zürich, sagt. Manche der Stellen würden neu geschaffen und direkt von den Departementen finanziert, bei anderen sei dies nur mit Spendengeldern möglich. So hat zum Beispiel der Schweizerische Nationalfonds (SNF) eine Million Franken zur Unterstützung von ukrainischen Forschenden bereitgestellt.

Ein Job an der Uni, eine Schlafstelle im Wohnzimmer

An wen richtet sich die Initiative im Detail? Ursprünglich war die Idee, Angebote für alle akademischen Stufen zu schaffen, sagt Knörzer – also von Bachelorstudierenden bis hin zu etablierten Forschenden. Allerdings erwies sich dies als sehr komplex und kaum zu stemmen. Deswegen richtet sich die Datenbank – das «Herzstück der Initiative», wie Knörzer sagt – nun im Kern an Forschende, die bereits ein abgeschlossenes Doktorat haben. Trotzdem möchten die Verantwortlichen auch Studierenden helfen. «Von ihnen erhalten wir täglich Anfragen», sagt Knörzer. Helfen kann er mit seinem Team hierbei, indem er den ukrainischen Studierenden Informationen und Anlaufstellen der verschiedenen Schweizer Hochschulen weiterreicht. Aktuell laufen im Rahmen der Initiative bereits die ersten Vermittlungen – auch in der Schweiz. So habe kürzlich ein Professor für Neurowissenschaften an der ETH einer ukrainischen Studentin zugesagt, die sich nun in Zürich weiter ihren Forschungsinteressen widmen kann, erzählt Knörzer. Auch an anderen Schweizer Universitäten hätten Forschende bereits Kontakt mit Interessierten aufgenommen. 

Nebst den Forschungs- und Jobangeboten werden auf der Datenbank von #ScienceForUkraine auch Hinweise für Unterkünfte gesammelt. So bieten etwa Studierende der Universität Zürich an, Personen aus der Ukraine in ihrem Wohnzimmer zu beherbergen. Die Vermittlung einer vorübergehenden Bleibe sei allerdings eher ein Nebenaspekt der Initiative, sagt Knörzer. Hinweise zu entsprechenden lokalen Organisationen können ukrainische Interessierte auf der Webseite des Projekts aber finden.

SMS von ukrainischen Studierenden – aus einem Keller

Wie die Situation an den ukrainischen Universitäten derzeit aussieht – darüber erhalten selbst die Koordinatoren wie Johannes Knörzer oft nur bruchstückhafte Informationen. «Uns erreichen E-Mails von Studierenden, die aus einem Schutzkeller irgendwo im Kriegsgebiet verschickt werden», sagt Knörzer. «Sie schildern uns, wie sie dort festsitzen, kaum oder nur schlechte Internetverbindung haben und fragen uns, ob wir ihnen helfen können.» Ein anderes Beispiel ist eine Studentin, die im Sommer am Cern in Genf ein Praktikum hätte beginnen sollen. Ob sie dieses antreten kann, wie sie in die Schweiz reisen und ob sie überhaupt weiterforschen könne – solche Fragen würden sie nun verunsichern. Auch für die Koordinatoren sei es nicht immer einfach, zu vermitteln, sagt Johannes Knörzer – denn ein Standard-Vorgehen für solche Fragen und Situationen gebe es nicht. «Wir versuchen einfach, unser Netzwerk weiter auszubauen, um damit möglichst viele Institutionen und Menschen zu erreichen.» Was zu funktionieren scheint: Auf ihrem Twitter-Account haben die Köpfe hinter #ScienceForUkraine aktuell mehr als sechstausend Follower – und die Datenbank auf der Webseite scienceforukraine.eu füllt sich fortlaufend.

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