Das musst du wissen

  • Eine neue Studie sagt, dass alle anatomisch modernen Menschen gemeinsame Vorfahren aus Botswana haben.
  • Doch die Studie wird von der Fachgemeinschaft heftig kritisiert.
  • Sie beachte nur einen Aspekt, nämlich die mitochondriale DNA, und lasse andere Perspektiven aussen vor.

Der Ursprung des anatomisch modernen Menschen, des Homo Sapiens, liegt im Norden Botswanas und Teilen von Namibia und Simbabwe. Das zeigt eine Studie, die kürzlich in der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature erschienen ist. Demnach kommen alle Menschen aus der Region des einstigen Makgadikgadisees im Norden Botswanas, der heute ausgetrocknet ist. Von dort aus hat der Homo sapiens sapiens, wie die Studienautoren ihn nennen, den ganzen Planeten besiedelt.

Zumindest sind das die Schlussfolgerungen der Studienautoren. Aus der anthropologischen Community hagelt es aber Kritik am Studiendesign und den Resultaten. Ein Kritikpunkt: Die Studie hat Blutproben von 1217 Khoesan, Mitglieder einer Bevölkerungsgruppe im Südwesten Afrikas, untersucht und dann nur die DNA der Mitochondrien analysiert. Diese DNA wird immer nur von der Mutter zum Kind weitergegeben und verändert sich nur schwach. «Mitochondriale DNA ist wie eine Zeitkapsel unserer Vorfahrinnen», sagt Hauptautorin Vanessa Hayes in einer Mitteilung.

Aber die mitochondriale DNA ist nur eines von mehreren Mitteln, unsere Vorfahren zu erforschen. «Die Analyse solcher DNA ist ein nützliches Instrument der Anthropologie und lieferte die ersten Beweise, dass der Ursprung des modernen Menschen auf dem Afrikanischen Kontinent liegt», sagt Chiara Barbieri, Evolutionsbiologin an der Universität Zürich. «Das Problem mit dieser Studie ist, dass sie sich nur auf diese Methode verlässt». Archäologische Fundstücke wie Fossilien oder Knochen habe die Studie überhaupt nicht beachtet, so Barbieri.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Homo sapiens wohl älter ist als 200 000 Jahre. Die ältesten Knochen, die je gefunden wurden, sind 315 000 Jahre alt und stammen aus Marokko. Nur: Auch bei diesen Funden sind sich die Wissenschaftler nicht einig, ob es sich bereits um einen Homo sapiens handelt oder um eine andere Menschengattung. Studienautorin Hayes betont gegenüber dem Newsportal The Atlantic denn auch, sie habe sich explizit nur auf die Unterart Homo sapiens sapiens bezogen. Es sei möglich, dass es andere Arten an anderen Orten Afrikas gegeben habe, die dann aber wieder verschwunden seien.

Wortführerin unter den Kritikern ist die Archäologin Eleanor Scerri. Sie hat 2018 eine Studie veröffentlicht, in der sie die These vertritt, dass der Homo sapiens an verschiedenen Orten Afrikas gleichzeitig entstand. Gegenüber dem Atlantic sagt sie: «Die Menschheitsgeschichte aus mitochondrialer DNA zu rekonstruieren, ist, als ob man eine Sprache mit einer Hand voll Wörter bauen wollte.» Auch die Zürcher Forscherin Barbieri ist skeptisch: «Aufgrund der Mitochondrien-DNA auf einen gemeinsamen Menschheits-Ursprung vor 200 000 Jahren an einem bestimmten Ort zu schliessen ist schlicht unmöglich, denn Völker sind migriert und haben sich durchmischt». Ein Grossteil der Experten sei sich einig, dass mehrere altertümliche Völkergruppen südlich der Sahara zum Genpool der menschlichen Vorfahren beigetragen haben, und nicht nur eine einzige.

Science-Check ✓

Studie: Human origins in a southern African palaeo-wetland and first migrationsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie ist zwar in einem der renommiertesten Fachmagazine erschienen und peer-reviewed. Aber das vorwiegend negative Feedback aus der Scientific Community lässt grosse Zweifel entstehen, die sich im Gespräch mit Experten weiter erhärten.Mehr Infos zu dieser Studie...
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