Das musst du wissen

  • Die meisten Corona-Infektionen treten in Haushalten oder in haushaltähnlichen Einrichtungen auf.
  • In der Schweiz lässt sich der Ansteckungsort über die Meldeformulare des BAG bei rund 40 Prozent nicht nachvollziehen.
  • Ein hohes Übertragungsrisiko besteht in geschlossenen Räumen und bei intensiven und längeren Kontakten.
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Täglich stecken sich mehr und mehr Schweizerinnen und Schweizer mit dem Coronavirus an. Umso wichtiger ist, zu verstehen, wo wir die Viren aufsammeln. Untersuchen lassen sich solche Übertragungswege beispielsweise, indem man so viele Kontakte von Infizierten wie möglich ausfindig macht und schaut, ob sie sich – vermutlich durch den Erstinfizierten – ebenfalls mit dem Virus angesteckt haben und wo dies vermutlich geschah. Eine solche Studie aus Südkorea, die über 59 000 Kontakte von knapp 6 000 Corona-Infizierten betrachtete, zeigt: Insgesamt steckten sich rund vier Prozent der Leute, die mit Erstinfizierten Kontakt hatten, auch an – davon 57 Prozent innerhalb eines Haushalts. Der Rest der Zweitinfizierten lasen das Virus ausserhalb der eigenen vier Wände auf, wo genau, wird in dieser Studie nicht untersucht. Durch solche Kontaktstudien können Aussagen gemacht werden über Ansteckungsrisiken bestimmter Orte wie in diesem Fall Haushalte, auch wenn nicht alle Ansteckungsorte bekannt sind. In der Schweiz kann der Übertragungsweg bei rund 40 Prozent der gemeldeten Infektionen nicht eruiert werden, wie die Meldedaten des BAG zeigen.

Die Resultate der koreanischen Studie decken sich mit den Erkenntnissen aus anderen Kontaktstudien: Insgesamt machen Ansteckungen in der Familie und in Wohngemeinschaften wie Alters- oder Pflegeheimen zwischen 46 und 66 Prozent der Infektionen aus, wie Forschende der Johns Hopkins Universität in einem Meinungsbeitrag zusammenfassten.

Science-Check ✓

Studie: Contact Tracing during Coronavirus Disease Outbreak, South Korea, 2020KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie unterscheidet zwischen Ansteckungen in Haushalten und solchen ausserhalb, wobei letztere nicht weiter unterteilt werden. Miteinbezogen wurden alle Kontakte von Patienten, die zwischen Ende Januar und Ende März in Südkorea erkrankten. In dieser Zeit blieben viele Menschen zuhause, sodass auch persönliche Schutzmassnahmen und social distancing in der Öffentlichkeit einen Einfluss darauf haben können, dass es weniger nicht-haushaltbasierte als haushaltbasierte Ansteckungen gab.Mehr Infos zu dieser Studie...

Ein ähnliches Bild zeichnen auch Daten aus der Schweiz und Deutschland basierend auf Meldeformularen, in denen der wahrscheinlichste Übertragungsweg angegeben werden kann: In beiden Ländern macht das familiäre Umfeld mit rund 30 Prozent ebenfalls einen grossen Teil der bekannten Infektionswege aus. Dies ist insofern keine grosse Überraschung, da auch andere Atemwegsviren hauptsächlich in Haushalten übertragen werden. Denn hier sitzt man lange und nahe aufeinander.

Doch nur weil beispielsweise der Vater das Virus nachhause bringt, heisst das nicht, dass sich auch alle anderen Familienmitglieder anstecken. Beim neuen Coronavirus infizieren sich im Schnitt lediglich 17 Prozent der Haushaltsmitglieder durch ein anderes Mitglied, wie eine aktuelle Übersichtsstudie zeigt. Bei einer sechsköpfigen Familie bedeutet das also etwa, dass der Vater eines seiner Kinder ansteckt. Je nach Untersuchung variieren die Zahlen aber stark: Ein vergleichsweise hohes Ansteckungsrisiko haben Paare sowie symptomatische und alte Patienten.

Sollten wir damit also doch lieber mit dem Tram ins Büro fahren, statt zuhause Homeoffice zu machen? Auf keinen Fall. Denn laut den Studienautoren der Johns Hopkins Universität sind es genau diese Situationen, die die Haushalte miteinander verbinden und wohl dafür sorgen, dass sich das Virus aktuell wieder so rasant verbreitet.

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Beziffern lässt sich dieser Einfluss der ausserhäuslichen Orte wie des Arbeitsplatzes, des Restaurants, des Supermarkts oder Sportvereins aber nur schwer. Denn die eigentliche Ansteckung lässt sich wie gesagt oft nicht eindeutig zuordnen. Ein Grund dafür ist, dass auch eine infizierte Person ohne Symptome das Virus übertragen kann. Während einer Zugfahrt kann so jemand mehrere andere Personen anstecken – diese können die Identität des Kontakts und damit die Infektionsquelle nicht mehr nachvollziehen.

Die Faktoren, die eine Ansteckungen begünstigen, sind heute bekannt: Geschlossene, schlecht gelüftete Räume, viele Menschen auf einem Haufen, lautes Singen oder Sprechen und lange und intensive Kontakte. So kam es in der Schweiz beispielsweise zu grösseren Ausbrüchen nach einem Jodlerfest in Kanton Schwyz, in einem Club in Zürich oder nach einer Hochzeit im Appenzell. Verantwortlich sind unter anderem sogenannte Superspreader, also einzelne Personen, die viele andere anstecken. Beim neuen Coronavirus scheint dieses Übertragungsmuster eine wichtige Rolle zu spielen: Schätzungen gehen davon aus, dass zehn Prozent der Infizierten für 80 Prozent der Ausbreitung verantwortlich sind. Ob jemand ein solcher Superspreader ist, lässt sich zwar nicht vorhersagen. Ungünstige Situationen hingegen, lassen sich vermeiden.

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