Benedikt Meyers Zeitreise

Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catillons tragischem Ende und von Henri Dunant bis Iris von Roten.

Cäsars Nachfolger Gaius Octavius band das von seinem Grossonkel eroberte Gallien enger an Rom. Daneben plante er die Eroberung Germaniens, bis er nach dem Debakel im Teutoburger Wald ausrief: «Vare, legiones redde!» – Varus, gib mir meine Legionen wieder! –, und die Reichsgrenze an den Rhein zurückversetzen liess. Zum Schutz der Grenze wurde ein bislang unbedeutender Stützpunkt am Zusammenfluss von Aare und Reuss zum Legionslager ausgebaut und damit das wichtigste Einfallstor vom Rhein ins Mittelland befestigt und abgeriegelt. Die anfänglich hölzernen Bauten wurden um das Jahr 50 durch steinerne Gebäude ersetzt und auch ein Aquädukt wurde errichtet.

Das römische Legionslager Vindonissa. Video: Kanton Aargau/YouTube

Das Lager mit Namen Vindonissa beherbergte rund 5 000 Legionäre. Vor den Toren dürfte nochmals etwa dieselbe Anzahl an Zivilpersonen gesiedelt haben. Unter diesen fanden sich offizielle und inoffizielle Familienangehörige (einfache Legionäre durften nicht heiraten), aber auch Anbieter verschiedener Dienstleistungen. Es gab zahlreiche Tavernen sowie ein Amphitheater, wo blutige Spiele abgehalten wurden. Es ist für das Militärlager Vindonissa bezeichnend, dass zwar eine Arena für Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen existierte, ein szenisches Theater hingegen bislang nicht nachgewiesen werden konnte. Schwänke waren den Legionären wohl zu schal und griechische Tragödien zu komplex. Diese waren zwar oft genauso brutal wie Gladiatorenkämpfe, die Gewalt fand im Theater aber nie auf der Bühne statt – es wurde nur von ihr berichtet.

In Windisch wurden Contubernia, also Legionärsunterkünfte, originalgetreu rekonstruiert.

Gaius Octavius stand seinem Grossonkel Cäsar in nichts nach und wurde bald mit dem Zusatztitel Augustus, «der Erhabene», geschmückt. Unter diesem Namen ist er nicht nur als Förderer von Vindonissa, sondern vor allem als direkter Auslöser der Weihnachtsgeschichte bekannt. Er war es, der seinen Untertanen befahl, sich in einem Steuerregister eintragen zu lassen, weshalb sich gemäss der Bibel in einer fernen römischen Provinz ein Zimmermann und seine schwangere Frau auf den Weg von Nazareth nach Bethlehem machten. Allerdings dauerte es noch eine Weile, bis die Kunde dieser Ereignisse auch in die heutige Schweiz drang. Einen unmittelbareren Einfluss hatte hingegen Augustus’ Nachfolger Nero. Sein Selbstmord im Jahr 68 n. Chr. löste Machtkämpfe im ganzen römischen Reich aus und so gerieten auch die Helvetier und die in Vindonissa stationierte XXI. Legion aneinander. Die Legionäre machten ihrem Namen «Rapax» (Jäger, Räuber) alle Ehre, räuberten sich durch den Aargau und brachen auch noch den letzten helvetischen Widerstand. Das Gebiet der heutigen Schweiz geriet damit definitiv unter den Einfluss Roms.

Digital in die Vergangenheit


Dieser Beitrag erschien erstmals auf dem Blog des Schweizerischen Nationalsmuseums.

Der Blog des Schweizerischen Nationalmuseums publiziert regelmässig Artikel über historische Themen. Diese reichen von den Habsburgern über Auslandschweizer bis hin zu heimischer Popmusik, die es zu Weltruhm gebracht hat. Der Blog beleuchtet viele Facetten der Landesgeschichte in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Mehr dazu gibt es unter: blog.nationalmuseum.ch

Zeitreise

In der «Zeitreise» erzählt der Historiker und Autor Benedikt Meyer Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catillons tragischem Ende und von Henri Dunant bis Iris von Roten. Die Serie erschien erstmals bei Transhelvetica und auf dem Blog des Schweizerischen Nationalmuseums.
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