Benedikt Meyers Zeitreise

Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catillons tragischem Ende und von Henri Dunant bis Iris von Roten.

Roms Aufstieg zur Weltmacht wäre mit anderen Politikern oder anderen Waffen wohl genauso gut möglich gewesen. Mit anderen Schuhen ist er schwer vorstellbar. Die römische Sandale ist ein gern übersehener Baustein des Imperiums. Dabei war es der Schuh, der es den Soldaten erlaubte, weite Strecken zurückzulegen. Die gute Durchlüftung minderte Schweiss und verhinderte Blasen, der Beschlag der Sohle sorgte für Standfestigkeit. Ohne Sandale keine weiten Reisen, ohne Reisen keine Verwaltung, ohne Verwaltung kein Reich.

Oft schritten die römischen Sandalen über befestigte Strassen. Cäsar hatte sie während seines Gallien-Feldzugs auch ausserhalb Italiens anlegen lassen – auch in der Schweiz. Beim Bau dieser «viae militares» wurde ein Strassenbett ausgehoben, das mit Geröll, Kies und Sand gekoffert und mit Pflastersteinen gedeckt wurde. Ein Prinzip, das bis heute verwendet wird. Entlang der Strassen fanden sich in regelmässigen Abständen Raststätten und für besonders eilige Reisende auch Stationen, an denen die Pferde gewechselt werden konnten.

Nägel einer römischen SandaleSchweizerisches Nationalmuseum

Nägel einer römischen Sandale. Gefunden in Giubiasco.

Auch die helvetischen Zentren Aventicum, Vindonissa und Augusta Raurica waren durch solche «Autobahnen» verbunden. Die dem Jurasüdfuss folgende Römerstrasse zweigte bei Oensingen durch die Klus nach Norden ab und führte über den Oberen Hauenstein an den Rhein. Als es 275 in Augusta Raurica zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kam, gelangten römische Truppen sehr wahrscheinlich über den Hauenstein nach Norden. In der Nähe der Passhöhe kann dort noch heute ein eindrücklicher Hohlweg besichtigt werden, der mit grossem Aufwand aus dem Stein gehauen wurde und von dem sich der Name «Hauenstein» ableitet.

Ob die Soldaten in ihren Sandalen allerdings tatsächlich über genau jenes Pflaster gingen, ist inzwischen fraglich. Gemäss neueren Forschungen verlief die römische Strasse zwar schon über den besagten Pass, aber an einer etwas anderen Stelle. Der Hohlweg stammt wohl nicht ganz aus römischer Zeit und die Beschriftung «Römerstrasse» wurde deshalb durch die Bezeichnung «historischer Weg» ersetzt. «Dies diem docet», sagt der Lateiner dazu: «Ein Tag lehrt den anderen.» Oder etwas freier: Wir werden alle klüger.

Digital in die Vergangenheit


Dieser Beitrag erschien erstmals auf dem Blog des Schweizerischen Nationalsmuseums.

Der Blog des Schweizerischen Nationalmuseums publiziert regelmässig Artikel über historische Themen. Diese reichen von den Habsburgern über Auslandschweizer bis hin zu heimischer Popmusik, die es zu Weltruhm gebracht hat. Der Blog beleuchtet viele Facetten der Landesgeschichte in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Mehr dazu gibt es unter: blog.nationalmuseum.ch

Zeitreise

In der «Zeitreise» erzählt der Historiker und Autor Benedikt Meyer Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catillons tragischem Ende und von Henri Dunant bis Iris von Roten. Die Serie erschien erstmals bei Transhelvetica und auf dem Blog des Schweizerischen Nationalmuseums.
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