Das musst du wissen

  • In der Türkei liegt das 3000 Jahre alte Heiligtum Yazilikaya. Es handelt sich um eine Felsformation aus Kalkstein.
  • Deren Wände zieren 90 Reliefs mit menschlichen, göttlichen und mythischen Figuren. Ihre Bedeutung war bisher unklar.
  • Nun haben Schweizer Forschende entdeckt: Die Figuren stellen Tage, Monate und Jahre eines Sonne-Mond-Kalender dar.

Lange Zeit gab der Ort Yazilikaya in der Türkei Archäologen ein Rätsel auf. Hier, 150 Kilometer östlich von Ankara ragen, wie aus dem Nichts, steile Felsen aus Kalkstein hervor. Die Ausbuchtungen zwischen dem Fels bilden Kammern, deren Wände ein langes Band von, in den Fels gemeisselten Reliefs ziert. Es zeigt 90 verschiedene Figuren, unter ihnen Menschen, mythische Wesen und Gottheiten einer längst untergegangenen Kultur. Der Kultur der Hethiter.

Dieses Relief stellt zwölf identische, männliche Gottheiten dar.
Luwian Studies
Dieses Relief stellt zwölf identische, männliche Gottheiten dar.
Dieses Relief von fünf Gottheiten bildet die Hauptszene in der Mitte des Kalenders. Welche Bedeutung es hatte, ist noch nicht klar.
Luwian Studies
Dieses Relief von fünf Gottheiten bildet die Hauptszene in der Mitte des Kalenders. Welche Bedeutung es hatte, ist noch nicht klar.
Das Relief des hethitischen Sonnengotts des Himmels. Er ist einer der 30 Figuren, die die Tage eines Monats symbolisieren.
Luwian Studies
Das Relief des hethitischen Sonnengotts des Himmels. Er ist einer der 30 Figuren, die die Tage eines Monats symbolisieren.
Das Relief des Königs Tuthalija IV. Unter seiner Regentschaft fand der letzte Ausbau der Tempelanlage von Yazilikaya statt. Das Relief wurde nur an wenigen Abenden des Jahres, zur Sommersonnenwende, von der Sonne beleuchtet.
Luwian Studies
Das Relief des Königs Tuthalija IV. Unter seiner Regentschaft fand der letzte Ausbau der Tempelanlage von Yazilikaya statt. Das Relief wurde nur an wenigen Abenden des Jahres, zur Sommersonnenwende, von der Sonne beleuchtet.

Zwar wurde Yazilikaya, das zum Unesco-Welterbe gehört, schon Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt, doch die Bedeutung der Reliefs und der darauf abgebildeten Figuren blieb unklar. Fanden hier Krönungen oder Begräbnisse statt? Was wirklich hinter dem mystischen Ort steckt, glauben Schweizer Forscher nun entdeckt zu haben.

Yazili-was? Wie wird der Name der Fundstädte ausgesprochen und was bedeutet er? Klicke hier, um dazu den Geoarchäologen Eberhard Zangger zu hören:

Die Altertumswissenschaftlerin Rita Gautschy von der Universität Basel und der Geoarchäologe Eberhard Zangger von der Stiftung Luwian Studies haben die Figuren der Reliefs genauer untersucht. Dabei entdeckten sie, dass die Figuren drei Gruppen aus je 12, 30 und 19 Gottheiten bildeten. «Diese Zahlen – 12, 30, 19 – deuten darauf hin, dass es sich bei Yazilikaya um einen Sonne-Mond-Kalender handelt», sagt Zangger.

Eberhard Zangger

Geoarchäologe

Eberhard Zangger ist Geoarchäologe und Gründer der gemeinnützigen Stiftung Luwian Studies, deren Präsident er ist. Die Stiftung existiert seit 2014 und hat die Erforschung der Kultur in Westkleinasien zwischen 2000 und 1000 v.Chr. zum Ziel.

Die Reliefs einer der natürlichen Felskammern von Yazilikaya können nach Gruppen sortiert werden. Blau: Die zwölf Mondmonate. Violett: Die 30 Tage eines Mondmonats. Beige: Zentral gelegene Gruppe von Figuren, deren Bedeutung noch unklar ist. Rot: Die 19 Sonnenjahre.Luwian Studies

Die Reliefs einer der natürlichen Felskammern von Yazilikaya können nach Gruppen sortiert werden. Blau: Die zwölf Mondmonate. Violett: Die 30 Tage eines Mondmonats. Beige: Zentral gelegene Gruppe von Figuren, deren Bedeutung noch unklar ist. Rot: Die 19 Sonnenjahre.

Sonne und Mond in Einklang bringen

Gemäss der beiden Forschenden symbolisieren die 12 identischen, männlichen Götter die zwölf Mondmonate eines Jahres. Die 30 unterschiedlichen Figuren stellen die maximal 30 Tage eines Mondmonats dar. In deren Mitte wird der Vollmond von einer speziellen Doppelfigur dargestellt. Zu diesen Zeitpunkten konnte es nämlich zur Mondfinsternis kommen – ein von den Hethitern gefürchtetes Ereignis, an dem der König in Gefahr war. Um es vorhersagen zu können, mussten sie das Sonnenjahr kennen.

Sonnenjahre wurden anhand der 19 weiblichen Gottheiten abgezählt. Das ist die Anzahl der Jahre, die es braucht, damit Sonne und Mond wieder die gleiche Himmelskonstellation erreichen. Denn ein Jahr aus 12 Mondmonaten ist ungefähr elf Tage kürzer als ein Sonnenjahr. Um die Mondmonate mit den Sonnenjahren in Einklang zu bringen, musste man etwa alle drei Jahre einen 13. Mondmonat einschieben. Um Tag, Monat und Jahr festzuhalten, nutzten die Hethiter wahrscheinlich bewegliche Säulen, die sie vor den Figuren im Relief positionierten.

Vor den Felsen errichteten die Hethiter Bauten. Deren Mauern, sowie die Bauten der hethitischen Hauptstadt Hattuscha waren entlang der Sonnenuntergänge an den Sonnenwenden ausgerichtet.

Angestrahlt zur Sommersonnenwende

Ebenfalls in den Fels gemeisselt findet sich ein überlebensgrosses Relief des damals herrschenden Königs Tuthalija IV. Dieses liegt das ganze Jahr über im Schatten. Nur an einigen Abenden um die Sommersonnenwende, wenn die Sonne vor dem Untergang ihren nördlichsten Punkt erreicht, wird die Figur vom goldenen Abendlicht erleuchtet.

Was genau sieht man in Yazilikaya zur Sonnenwende? Eberhard Zangger erzählt von seinem Besuch:

Die Hethiter haben auch eine Tempelanlage vor die Relief-Felsen gebaut. Hier eine 3-D-Visualisierung. So könnte es ausgesehen haben, wenn ein Objekt auf einem Sockel im Innenhof der Anlage zur Sommersonnenwende angestrahlt wurde.
Oliver Bruderer/Luwian Studies
Die Hethiter haben auch eine Tempelanlage vor die Relief-Felsen gebaut. Hier eine 3-D-Visualisierung. So könnte es ausgesehen haben, wenn ein Objekt auf einem Sockel im Innenhof der Anlage zur Sommersonnenwende angestrahlt wurde.
Auch die Hauptstadt der Hethiter, Hattuscha, war an astronomischen Parametern ausgerichtet. Hier die südwestliche Spitze des zur Stadt gehörenden Walls Yerkapi. Er verlief in Richtung des Sonnenuntergangs zur Wintersonnenwende. Das Bild wurde am 21. Dezember 2018 aufgenommen.
Luwian Studies
Auch die Hauptstadt der Hethiter, Hattuscha, war an astronomischen Parametern ausgerichtet. Hier die südwestliche Spitze des zur Stadt gehörenden Walls Yerkapi. Er verlief in Richtung des Sonnenuntergangs zur Wintersonnenwende. Das Bild wurde am 21. Dezember 2018 aufgenommen.
Eine Kammer in Hattuscha war so gebaut, dass sie das Licht zur Wintersonnenwende auffing. Das Bild wurde am 21. Dezember 2018 aufgenommen.
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Eine Kammer in Hattuscha war so gebaut, dass sie das Licht zur Wintersonnenwende auffing. Das Bild wurde am 21. Dezember 2018 aufgenommen.

Dass das Königsrelief zur Sommersonnenwende angestrahlt wurde, diente aber nicht nur dazu, den längsten Tag des Jahres zu bestimmen. «Das Einfallen der Lichtstrahlen symbolisiert im hethitischen Glauben das Eintreten der Sonnengöttin von Arinna», sagt Zangger. Die gleichzeitige Anstrahlung der Königsstatur könne als Übertragung der göttlichen Macht auf den weltlichen Herrscher interpretiert werden.

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