Benedikt Meyer


Benedikt Meyer ist Historiker und Autor. Mit «Im Flug» hat er die erste wissenschaftliche Geschichte der Schweizer Luftfahrt geschrieben, mit «Nach Ohio» seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei higgs erzählt er in der «Zeitreise» jeden Sonntag Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catherine Reponds tragischem Ende und von Henri Dunant bis zu Iris von Roten.

Für die Savoyarden auf Schloss Chillon wurde es ungemütlich. Über den See näherten sich Genfer Kriegsschiffe, von Norden her zogen Berner Truppen heran und aus dem Süden rückten die Walliser vor. Aber wir befinden uns gerade am falschen Ende dieser Geschichte – und am falschen Ende des Sees.
Genf, 17 Jahre zuvor. Das vom Herzog von Savoyen beherrschte Gebiet umschloss beinahe den gesamten See – mit Ausnahme Genfs. Von Savoyen bedroht, wandten sich die Genfer an die Eidgenossen, was zunächst wenig half: 1519 besetzten die Savoyarden die Stadt. Daraufhin drohte Freiburg mit einer Attacke und die Besatzer zogen sich zurück.

Der Rückzug hatte zwei Gründe: Erstens war Savoyen ein taumelnder Riese. Das Herzogtum war gross, aber instabil und der Herzog war nicht auf einen Konflikt mit den Eidgenossen aus. Zweitens regierten die Savoyarden Genf weiterhin – und zwar über den Bischof. Dieser gehörte zum Haus Savoyen, agierte als verlängerter Arm des Herzogs und regierte fortan als Gewaltherrscher.

Doch auch dagegen regte sich Widerstand: 1526 erreichten revolutionäre Genfer aus dem Untergrund ein Bündnis mit Bern. Vier Jahre später zogen Berner und Freiburger bewaffnet nach Westen. Die beiden Schwesterstädte – eine reformiert, eine katholisch – eroberten grosse Teile der savoyischen Waadt. Daraufhin floh der despotische Bischof aus der Stadt, die befreiten Genfer fielen wenig überraschend vom Glauben ab und wandten sich der Reformation zu.

Daraufhin erklärte Freiburg den Bund mit Genf für erloschen und die Stadt kam erneut unter Druck aus Frankreich sowie – wieder – Savoyen. Es folgte das turbulente Jahr 1536: Um ihre protestantischen Glaubensbrüder zu schützen, marschierten bernische Truppen in Genf ein. Die Eidgenossen eroberten ausserdem das Schloss Chillon sowie (vorübergehend) das Südufer des Genfersees. Bern wurde mit der Eroberung der Waadt zum grössten Stadtstaat nördlich der Alpen. Die Eidgenossenschaft gewann nicht nur an Fläche, sondern gewann mit Genf auch einen neuen Verbündeten. Dort kam im selben Jahr ein Theologe namens Jean Calvin in die Stadt, dessen Ideen Genf in den nächsten Jahren entscheidend prägen sollten.

Übrigens: Für die Savoyarden auf Schloss Chillon ging die Sache glimpflich aus. Sie entkamen im Schutz der Dunkelheit über den See – verfolgt, aber nicht eingeholt von den Genfer Schiffen.

Digital in die Vergangenheit


Dieser Beitrag erschien erstmals auf dem Blog des Schweizerischen Nationalsmuseums.

Der Blog des Schweizerischen Nationalmuseums publiziert regelmässig Artikel über historische Themen. Diese reichen von den Habsburgern über Auslandschweizer bis hin zu heimischer Popmusik, die es zu Weltruhm gebracht hat. Der Blog beleuchtet viele Facetten der Landesgeschichte in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Mehr dazu gibt es unter: blog.nationalmuseum.ch

Zeitreise

In der «Zeitreise» erzählt der Historiker und Autor Benedikt Meyer Episoden aus der Geschichte der Schweiz. Von den Wanderungen der Helvetier bis Erasmus von Rotterdam, vom Mord in Augusta Raurica bis zu Catillons tragischem Ende und von Henri Dunant bis Iris von Roten. Die Serie erschien erstmals bei Transhelvetica und auf dem Blog des Schweizerischen Nationalmuseums.
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